Trügerische Hoffnung: Neue Reaktorkonzepte im Check
In Deutschland ist der Atomausstieg beschlossene Sache. In zahlreichen anderen Ländern jedoch spielt die Kernenergie zur Stromerzeugung heute und wohl auch auf längere Sicht noch immer eine Rolle. Dabei werden häufig neue Reaktorkonzepte diskutiert und erörtert, ob sie die Probleme der heutigen Kernenergienutzung lösen können. Das Öko-Institut hat nun im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung ausgewählte neue Reaktorkonzepte analysiert. Die Experten stellen zusammenfassend fest, dass auch mit neuen Reaktorkonzepten die Probleme der heutigen Kernkraftwerke nicht überzeugend gelöst werden können. Das gilt sowohl für Fragen der Sicherheit als auch für häufig vorgebrachte Argumente wie neue Reaktoren würden weniger und ungefährlichere Abfälle produzieren, seien im Betrieb deutlich günstiger und nutzten Rohstoffe besser aus.
Vier neue Reaktorkonzepte detailliert bewertet
Natriumgekühlte schnelle Brutreaktoren, Hochtemperatur-Reaktoren, Salzschmelze-Reaktoren und kleine, modulare Reaktoren – das Forscherteam untersuchte für vier ausgewählte Reaktortypen die folgenden Fragen in den fünf Bewertungskategorien:
Sicherheit: Können neue Reaktorkonzepte sicherer sein als heutige Kernkraftwerke?
Ressourcen und Brennstoffversorgung: Wie ist die langfristige Verfügbarkeit von Rohstoffen für neue Reaktorkonzepte? Welche Anforderungen stellen neue Reaktorkonzepte an die Brennstoffherstellung?
Radioaktive Abfälle: Können neue Reaktorkonzepte dazu beitragen, das Endlagerproblem zu entschärfen?
Ökonomie: Sind neue Reaktorkonzepte ökonomisch konkurrenzfähig, beispielsweise aufgrund geringerer Kosten durch Einsparungen beim Bau und Betrieb?
Proliferation: Tragen neue Reaktorkonzepte dazu bei, dass weniger kernwaffenfähiges Material hergestellt und oder der Zugriff darauf erschwert wird?
Mögliche Vorteile in einem Bereich, Nachteile in anderen
In der Analyse stellt das Öko-Institut fest, dass manche neue Reaktorkonzepte in einzelnen Bereichen durchaus Vorteile gegenüber der heutigen Generation von Kernkraftwerken haben können. Kein Konzept sei jedoch geeignet, gleichzeitig in allen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Vielmehr stünden die oben genannten Kriterien vielfach untereinander im Wettbewerb, sodass Fortschritte in einem Bereich zu Nachteilen bei anderen Bereichen führen können.
So ist es möglich, dass kleine modulare Reaktoren so gebaut und betrieben werden, dass sie ein höheres Sicherheitsniveau aufweisen als heutige Kernkraftwerke. Dabei ist dann jedoch zu erwarten, dass diese Konzepte deutlich teurer in Bau und Betrieb sein werden als heutige Kernkraftwerke. Und während Schnelle Brutreaktoren dazu geeignet sein könnten, die Uranreserven besser auszunutzen, steigt dabei zugleich die Gefahr, dass der Zugriff auf kernwaffenfähiges Material erleichtert wird.
Die Autoren der Studie weisen zudem darauf hin, dass viele der „neuen“ Reaktorkonzepte gar nicht neu sind. Sie sind vielmehr aufgrund von technischen Problemen nie über das Versuchsstadium hinaus gekommen oder konnten sich aufgrund der schlechteren Wirtschaftlichkeit am Markt nicht durchsetzen. „Die von uns untersuchten Reaktorkonzepte sind noch in der Entwicklung“, sagt Dr. Christoph Pistner, Studienleiter und stellvertretender Leiter des Bereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Öko-Institut. „Sie zur Marktreife zu führen, würde viele Jahrzehnte dauern und viele Milliarden Euro kosten.“
Studie „Neue Reaktorkonzepte. Eine Analyse des aktuellen Forschungsstands“ des Öko-Instituts