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Veraltete Projektion für den Wald unterschätzt Klimaschutzleistung

Kritik an Analyse des Beirates Waldpolitik

Der Wissenschaftliche Beirat Waldpolitik unterschätzt die zukünftigen Fähigkeiten des Waldes in Deutschland als Senke zu wirken, das heißt CO2 in Form von Kohlenstoff dauerhaft zu speichern. Der Grund: Veraltete Daten, die den Projektionen der Bundesregierung zu Grunde liegen, führen zu falschen Grundannahmen und schließlich zu unzureichenden politischen Schlussfolgerungen. Zu diesem Ergebnis kommt das Öko-Institut nach eigenen Berechnungen und zeigt in einem Working Paper, welche Daten für eine adäquate Bewertung der Klimaschutzleistung von Wäldern, Mooren und weiteren Grün- und Ackerflächen herangezogen werden sollten.

„Nach unseren Berechnungen können Wälder die geforderte Klimaschutzleistung in Deutschland erbringen, wenn sie nachhaltig bewirtschaftet und wenn weitere Maßnahmen zum Schutz und zur Wiedervernässung der Moore oder beim Humusaufbau in der Landwirtschaft ergriffen werden“, fasst Dr. Hannes Böttcher, Experte für Klimaschutz im Landnutzungssektor am Öko-Institut, zusammen.

Emissionslücke falsch berechnet, Waldbewirtschaftung überschätzt

Das neue Klimaschutzgesetz vom Mai 2021 sieht vor, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein muss. Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, müssen von Wäldern, Mooren und Böden gebunden werden – dies wird als Senkenleistung des Landnutzungssektor bezeichnet. Diese Senke muss laut Klimaschutzgesetz im Jahr 2030 25 Millionen Tonnen (Mio. t) Treibhausgase und im Jahr 2045 40 Mio. t binden.

Am 22. Juni 2021 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat Waldpolitik (WBW) der Bundesregierung eine Stellungnahme, in der er für das Jahr 2030 eine Lücke von 45 Mio. t CO2-Äquivalente (CO2e) zur tatsächlich erwartbaren Senkenleistung des Waldes prognostiziert. Das bedeutet, dass der Wald nach Ansicht des Beirates deutlich weniger Treibhausgase speichern kann als per Gesetz gefordert.

Doch die Daten, die der Beirat für seine Analyse nutzt, sind laut Öko-Institut veraltet. Das sogenannte WEHAM-Basisszenario, das den Berechnungen des Waldbeirates zugrunde liegt, greift auf Daten von 2002 bis 2012 zurück. Das Problem: Seit dieser Zeit wurde deutlich weniger Holz aus dem Wald entnommen als das Szenario angenommen hat. Der Beirat hat diese Entwicklung in seinen Berechnungen nicht berücksichtigt und nimmt deshalb auch zukünftig eine deutlich höhere Entnahme von Holz aus dem Wald an, als wahrscheinlich zukünftig vom Markt nachgefragt wird. In der Folge sinkt die angenommene Senkenleistung.

Zwar stieg die Holzernte in den letzten drei Jahren real, vor allem dadurch, dass besonders viele Bäume durch Sturm, Trockenheit und Borkenkäfer abstarben und entnommen werden mussten. Diese Form von Einflüssen auf den Wald wird in offiziellen Projektionen bisher allerdings nicht berücksichtigt.

Reale Daten zeigen deutlich kleinere Emissionslücke

Das Öko-Institut hat nachgerechnet und dafür reale, historische Daten der Bundeswaldinventur sowie aktuellste Zahlen des deutschen Treibhausgasinventars 2021 genutzt. Das Ergebnis: Die Lücke zwischen geforderter Senkenleistung im Klimaschutzgesetz und realer Leistung des Wald liegt bei rund 17 Mio. t CO2e. Werden weitere Klimaschutzmaßnahmen in der Landnutzung umgesetzt – etwa Humus in der Landwirtschaft durch Änderungen der Fruchtfolgen aufgebaut oder Moore wiedervernässt – liegt die prognostizierte Lücke sogar bei nur noch rund drei Mio. t CO2e.

Den Berechnungen liegt ein vom Öko-Institut entwickelter einfacher Ansatz zugrunde, der historische Daten des Treibhausgasinventars nutzt und die Senkenleistung mit dem tatsächlichen Holzeinschlag in Abhängigkeit von Waldschäden in Zusammenhang bringt. So ist die tatsächliche Treibhausgasbilanz des Waldes einfach und transparent nachvollziehbar.

„Politische Entscheidung zum Klimaschutz benötigen aktuelle und robuste Daten“, betont Dr. Klaus Hennenberg, Experte für Wald und Klimaschutz am Öko-Institut und Co-Autor des Working Papers. „Gerade das System Wald ist besonders dynamisch – deshalb ist die Projektion des WEHAM-Basisszenarios keine valide Grundlage mehr für Entscheidungen, die den Landnutzungssektor in Deutschland betreffen. Dafür sollten neuere und detaillierte Ansätze wie der unsere genutzt werden, bis nach der vierten Bundeswaldinventur 2024 verlässliche Daten vorliegen.“

Working Paper „Interpretation des Klimaschutzgesetzes für die Waldbewirtschaftung verlangt adäquate Datenbasis – Reaktion auf die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik beim BMEL (vom 22.06.2021)“ des Öko-Instituts