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Wie rechtliche Vorschriften für den Klimaschutz Akzeptanz finden

Autoreduzierte Quartiere mit den Bürger*innen planen

Autofreie Stadtteile, Verbot von Ölheizungen, Tempolimit, Sanierungspflicht, Glühbirnenverbot –ordnungsrechtliche Maßnahmenvorschläge, die das Alltagsverhalten und den Konsum beeinflussen, rufen immer wieder Empörung und Widerstand hervor. Oft werden solche Vorschläge dann nur abgeschwächt oder gar nicht durchgesetzt. Dabei stoßen viele solcher Maßnahmen, wenn sie erst einmal eingeführt sind, häufig auf breite Akzeptanz: so beispielsweise autofreie Zonen, die Gurtpflicht beim Autofahren oder die Rauchverbote in öffentlichen Räumen.

Working Paper und zwei Policy Briefs mit politischen Handlungsempfehlungen

Ein Forschungsteam des Öko-Instituts hat in einem Eigenprojekt untersucht, welche Faktoren sich auf die gesellschaftliche Akzeptanz ordnungsrechtlicher Maßnahmenvorschläge zu klima- und umweltfreundlichem Konsum auswirken. Das Ziel war es herauszufinden, wie sinnvolle ordnungsrechtliche Maßnahmen künftig auf mehr Akzeptanz stoßen können. Denn Akzeptanz in der Bevölkerung gilt als wichtiger Faktor für die politische Durchsetzbarkeit und hilft bei der Umsetzung der Maßnahmen.

Das Forschungsteam hat aus den Ergebnissen der Studie politische Handlungsempfehlungen abgeleitet, die in einem übergreifenden Working Paper sowie in zwei Policy Briefs zu autoreduzierten Quartieren und zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie zusammengefasst sind.

Fallbeispiel 1: Autoreduzierte Zonen in der Stadt

Dass eine Straße oder ein Quartier (fast) ohne Autoverkehr geschaffen und akzeptiert wird, braucht ein durchdachtes Vorgehen. Dass das erfolgreich umgesetzt werden kann und die Lebensqualität erhöht wird, zeigen jedoch immer mehr gute Beispiele in Barcelona, Paris, oder Hamburg-Ottensen. Werden Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezogen, können Widerstände abgebaut werden. Das „Ausprobieren“ von autoreduzierten Quartieren für einige Monate oder ein Jahr erhöht ebenfalls die Akzeptanz. Der rechtliche Rahmen auf Bundesebene sollte daher gewährleisten, dass solche Testphasen möglich sind. Die Bürgerinnen und Bürger sollten den neu gewonnenen Platz selbst gemäß ihren Wünschen und Bedürfnissen mitgestalten. Eine wissenschaftliche Begleitung kann die Debatte versachlichen. Ausnahme- und Härtefallregelungen, beispielsweise für mobilitätseingeschränkte Personen, Umzüge, Ladenbelieferungen erhöhen die Akzeptanz. Feuerwehr-, Kranken- und Polizeiwagen haben weiterhin freie Fahrt. Auch Alternativen zum Pkw durch ein gutes Angebot an öffentlichem Verkehr, Fuß- und Radverkehr sind wichtig.

Fallbeispiel 2: Nutzungspflichten erneuerbarer Wärmeenergie

Fossile Energien dürfen mittelfristig nicht weiter zum Heizen genutzt werden. Sonst können die Klimaziele nicht erreicht werden. Darin sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig. Damit der Technologiewechsel auf erneuerbare Energien wie Geo- und Solarthermie, Biomasse und vor allem Wärmepumpen in der Praxis gelingt, sollten entsprechende Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen auf Unterstützung in der Gesellschaft stoßen. Eine Einführung und Verschärfung in Schritten, eine ausreichende finanzielle Förderung, begleitende Informationsmaßnahmen sowie die Einbindung von Handwerk und Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern fördern die politische Durchsetzbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Das zeigen bestehende Regelungen in Baden-Württemberg und Hamburg.

Warum Ordnungsrecht?

Ordnungsrechtliche Maßnahmen wie Gebote, Standards und Verbote gehören zu einem effektiven Policy-Mix, um die Klima- und Umweltschutzziele zeitnah zu erreichen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Appelle und Informationen, aber auch finanzielle Zuschüsse allein dafür nicht ausreichen. In Ergänzung zur derzeit viel diskutierten CO2-Bepreisung können ordnungsrechtliche Vorgaben in wichtigen Handlungsfeldern die Planungssicherheit weiter stärken und umweltfreundliches Verhalten sicherstellen, dem sich auch einkommensstarke Haushalte nicht entziehen können. Preissignale, finanzielle Förderung sowie Aufklärung und Beratung bleiben aber ebenfalls sinnvolle Maßnahmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Ende April 2021 veröffentlichten Beschluss zum Klimaschutzgesetz deutlich gemacht: Ein Zuwenig an Klimaschutz in den nächsten Jahren gefährdet die Freiheitsrechte in der Zukunft umso stärker, weil dann einschneidende Maßnahmen in kurzer Zeit nötig werden würden. Im Vergleich dazu können intelligent ausgestaltete ordnungsrechtliche Maßnahmen heutzutage nicht nur besser zum Klimaschutz beitragen, sondern auch den geringeren Eingriff darstellen.

Die Vorgehensweise im Projekt und weiterer Forschungsbedarf

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in ihrer Studie zunächst die internationale Literatur zu Akzeptanzfaktoren umweltpolitischer Maßnahmen ausgewertet. Danach wurden zwei Vertiefungsstudien auf Basis von Dokumenten- und Medienanalysen durchgeführt: zur Akzeptanz von Vorschriften zu Heizungstechnologien in Gebäuden und von autoreduzierten Quartieren. Die Erkenntnisse wurden abschließend verglichen und weiterer Forschungsbedarf formuliert. Die Forschenden möchten mit ihrer Analyse dazu beitragen, hier eine Forschungslücke zu schließen. Denn im Vergleich zu manchen anderen Ländern gibt es wenig Forschung zu Akzeptanzfaktoren umweltpolitischer Maßnahmen in Deutschland. Auch international sind speziell ordnungsrechtliche Maßnahmen wenig beforscht, etwa im Vergleich zu beispielsweise Umweltsteuern.

Working Paper „Konsumbezogenes Ordnungsrecht in der Umweltpolitik: Gesellschaftliche Akzeptanz und ihre Einflussfaktoren“ des Öko-Instituts

Policy Brief „Ausstieg aus dem Heizen mit fossilen Energien: Empfehlungen für eine gesellschaftlich akzeptierte Umsetzung“ des Öko-Instituts

Policy Brief „Städte für Menschen, nicht für Autos: Autoreduzierte Quartiere erfolgreich umsetzen“ des Öko-Instituts

Policy Brief „Increasing the public acceptability of consumption-related regulations in climate and environmental policy" des Öko-Instituts (auf Englisch)

Aufsatz „Ordnungsrechtliche Maßnahmen für nachhaltigen Konsum: Möglichkeiten zur Akzeptanzsteigerung" des Öko-Instituts