Gutachten zeigt große Lücken bei Klimaschutz-Maßnahmen der Koalition
Nur mit zusätzlichen Instrumenten bleiben die deutschen und europäischen Klimaziele erreichbar – so das Fazit eines Gutachtens, das das Öko-Institut im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität erstellt hat. Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) hat Deutschland ein übergeordnetes Emissionsminderungsziel für Treibhausgase sowie ein System der Klimaschutzplanung rechtsverbindlich eingeführt. Demnach müssen die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Doch das Gutachten formuliert erhebliche Zweifel, ob die dazu im Koalitionsvertrag und in den letzten Tagen und Wochen von der Bundesregierung niedergelegten Maßnahmen ausreichen.
Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr erreichen Klimaziele nicht
Die Gutachter*innen des Öko-Instituts analysierten die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP niedergelegten Klimaschutzmaßnahmen und alle weiteren bis zum 1. April 2022 bekannt gemachten Ergänzungen und Konkretisierungen für die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr – dies jeweils unter der Annahme einer ambitionierten Ausgestaltung. Ihr Ergebnis: Mit Ausnahme der Energiewirtschaft muss für die Sektorziele sowohl für das Jahr 2030 als auch zumindest für einige der Zwischenjahre mit einer Zielverfehlung gerechnet werden. Nur die Energiewirtschaft könne im Szenario des Koalitions-Programms ihr Sektorziel für 2030 deutlich unterschreiten, und zwar um mehr als 25 Millionen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2-Äqu.) – allerdings nur dann, wenn der Kohleausstieg bis 2030 erfolge, die erneuerbaren Energien „früh und sehr massiv“ ausgebaut würden und die CO2-Preise des europäischen Emissionshandelssystems sich „günstig“ entwickelten.
Wie groß die Lücken beim Klimaschutz sind
Besonders gravierend fällt die Zielverfehlung mit 37 Mio. t CO2-Äqu. im Jahr 2030 im Verkehrssektor aus. Aber auch für den Industriesektor (14 Mio. t CO2-Äqu.) und im Gebäudesektor (2 Mio. t CO2-Äqu.) sind große Lücken zu erwarten. Insbesondere die Verfehlungen der Sektorziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes zeigen, dass sich der Gebäude-, der Verkehrs- und der Industriesektor nicht auf Emissionsminderungspfaden befinden, die zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels für das Jahr 2045 notwendig sind.
Einordung der historischen Emissionen
Die historisch ermittelten Emissionen werden in einigen Sektoren sehr stark durch die meteorologischen Bedingungen des jeweiligen Jahres beeinflusst. Dies gilt vor allem für die Temperatursituation, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Emissionen des Gebäudesektors und teilweise auch der Energiewirtschaft hat. Wie viel Wind- und Sonnenenergie es gibt, hat dagegen einen maßgeblichen Einfluss auf die Stromerzeugung aus Windkraft- und PV-Anlagen und damit auf die Emissionen der Energiewirtschaft. Darüber hinaus können Lagerbestandseffekte (vor allem bei Heizöl) einen erheblichen Einfluss auf Treibhausgasemissionen eines spezifischen Jahres haben (insbesondere für den Gebäudesektor).
Die quantitative Analyse des Öko-Instituts zeigt, dass sich unter Berücksichtigung dieser drei Effekte erhebliche Unterschiede bei der Bewertung der basierend auf den Ist-Daten ermittelten Zielverfehlungen ergeben können. Bei entsprechender Bereinigung (insbesondere durch Korrektur um die Lagerbestandseffekte) wäre zum Beispiel das Emissionsminderungsziel des Gebäudesektors für das Jahr 2021 um bis zu 20 Mio. t CO2-Äqu. verfehlt worden.
Weitere Informationen in der Pressemitteilung der Stiftung Klimaneutralität