3 Fragen an den Vorstand: Bettina Lorz
Um sie noch ein bisschen besser kennenzulernen, haben wir Bettina drei Fragen gestellt:
Frage 1: Du warst viele Jahre bei der Europäischen Kommission tätig. Was hast du da genau gemacht und woran hast du vor deiner Pensionierung 2023 (mit)gearbeitet?
Ich habe in der Europäischen Kommission an unterschiedlichen Themen und Prozessen gearbeitet und dabei viel 'on the job' gelernt; nicht zuletzt dank der interessanten und motivierenden Menschen, denen ich dort begegnet bin. Gleich zu Beginn konnte ich an einem spannenden Gesetzgebungsprozess arbeiten: es ging darum, den Vorschlag für die erste Richtlinie über allgemeine Produktsicherheit im Rat und im Europäischen Parlament zu verhandeln. Zeitgleich mit dem Rio-Gipfel wechselte ich in die Internationale Abteilung der Generaldirektion Umwelt, allerdings für das Umweltkapitel des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Beitrittsverhandlungen von Österreich, Schweden und Finnland. Dabei galt es, eine Lösung im Spannungsfeld von Binnenmarkt und hohen Umweltstandards zu finden. Nach Abschluss der Verhandlungen arbeitete ich an der Überprüfung des 5. Umweltaktionsaktionsprogramms "Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" mit, welches zum ersten Mal die Politikintegration der EU-Umweltpolitik thematisierte. Die Mitarbeit an der Umsetzung des Montrealer Protokolls über die Ozonschicht zerstörende Stoffe bot mir eine Erfahrung an der Schnittstelle von globalen Übereinkommen und EU-Politik; darauffolgend war ich einige Jahre für die Umsetzung des Aarhus Abkommens verantwortlich, woraus EU-Richtlinien unter den drei Pfeilern des Übereinkommens: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten sowie eine Verordnung über die Anwendung auf die EU-Institutionen resultierten.
Neben der Governance entwickelte sich der Bereich "nachhaltiger Konsum und Produktion" und die Kreislaufwirtschaft zu einem inhaltlichen Schwerpunkt meiner Arbeit, zunächst durch den Aktionsplan von 2008 für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und die Mitarbeit an der damals neuen Ökodesign-Richtlinie. In den sieben Jahren vor meiner Pensionierung war ich als Teamleiterin unter anderem für Konzeption, Redaktion und Verhandlung der neuen Batterieverordnung und der Verpackungsverordnung zuständig. Des Weiteren fielen die Richtlinien über Elektro- und Elektronikaltgeräte und darin enthaltene gefährliche Substanzen (RoHS-Richtlinie) – und zeitweise die über Altkraftfahrzeuge und über Einwegkunststoffe – in meinen Verantwortungsbereich.
Eine weitere wertvolle berufliche – und persönliche – Erfahrung ermöglichte mir eine Abordnung zur EU-Delegation in Nairobi. Von 2010 bis 2014 war ich damit befasst, die EU-Koordination beim United Nations Environment Programme (UNEP) und UN-Habitat vor Ort aufzubauen und durchzuführen. Dieser Prozess fiel mit der Transformation UNEPs und der ersten UN-Environment Assembly zusammen. Für mich und unsere Familie waren diese vier 'afrikanischen Jahre' eine sehr erlebnisreiche und privilegierte Zeit.
Frage 2: Im Juni 2024 wurdest du ganz neu in den Vorstand des Öko-Instituts gewählt. Wie kamst du zum Öko-Institut?
Ich kenne und schätze das Öko-Institut schon lange. Während meiner Tätigkeit bei der Europäischen Kommission hatte ich für eine Reihe von Projekten, bei denen das Öko-Institut deren Arbeit beratend unterstützt hat, mehrmals Kontakt. Dabei ging es um Anwendung und Monitoring der Richtlinie über Altfahrzeuge und deren Recycling, Evaluierung der Batterien- und der Altfahrzeug-Richtlinie, umfangreiche Folgenabschätzung für die neue Batterie-Verordnung und langjährige Unterstützung der Kommission bei Aufgaben unter der Richtlinie über die Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten.
Auch nach meiner Pensionierung bin ich daran interessiert, mit dem Thema der nachhaltigen Entwicklung in Verbindung zu bleiben. Mich interessiert die praktische Erfahrung und Wirksamkeit der (EU-)Instrumente im Bereich der Kreislaufwirtschaft und Produktpolitik und darüber hinaus die zukünftige Entwicklung der Umweltpolitik auf allen Ebenen. Daher war ich sehr erfreut, als mich das Öko-Institut mit dem Vorschlag einer möglichen Mitarbeit im Vorstand kontaktierte. Neben der soliden und unabhängigen Arbeit ist es die breite Ausrichtung des Instituts – von lokal über global – die mich interessiert. Auch hat eine persönliche Verbindung zu den drei Standorten des Instituts eine kleine Rolle gespielt: In Darmstadt bin ich geboren, in Berlin habe ich meine (höhere) Schulzeit verbracht und Freiburg habe ich durch die Besuche bei meiner dort studierenden Tochter liebgewonnen…
Frage 3: Du hattest in deiner Arbeit oft mit nachhaltigem Konsum und Kreislaufwirtschaft zu tun. Wozu würdest du unseren Leser*innen hinsichtlich ihres eigenen Konsums ganz praktisch raten?
Ein wichtiger Rat ist der, den ich in der Dezember-Ausgabe „die Macht der Verbraucher*innen“ der eco@work zu genau diesem Thema gelesen habe, und zwar: „einfach mal anfangen, statt auf die perfekte Lösung zu warten (…).“. Es gibt viele Bereiche, in denen es sich lohnt anzufangen, auch finanziell gesehen.
So habe ich mit 75 Prozent aller Verbraucher*innen gemeinsam, beim Kauf von Elektrogeräten auf die Effizienzklasse (A!) unter dem Energielabel zu achten. Es werden mehr und mehr auch andere umweltrelevante Produkteigenschaften hinzukommen, wie die Lärmemissionen oder der Wasserverbrauch. Auch andere, zertifizierte Kennzeichen wie das Europäische Umweltzeichen oder der Blaue Engel sind eine gute Orientierung für den Kauf umweltfreundlicher Produkte oder die Wahl umweltfreundlicher Dienstleistungen wie Reisen. Verbraucherorganisationen sowie Verbraucherzentralen veröffentlichen nützliche Entscheidungshilfen für Verbraucher*innen, die nachhaltig(er) konsumieren wollen, so zum Beispiel durch die Erklärung der Kennzeichnung bei der Wahl biologisch produzierter Produkte.
Zwei EU-Richtlinien gehen darüber hinaus gegen die Flut an Werbefalschaussagen vor: Die sogenannte Green Claims-Richtlinie (Richtlinie über Umweltaussagen) ergänzt das bereits verabschiedete EU-Verbot von „Greenwashing“ und legt fest, welche Informationen Unternehmen bereitstellen müssen, um ihre ökologischen Werbeaussagen zu untermauern. Die Richtlinie hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel sieht strengere Vorgaben für die Darstellung verlässlicher, vergleichbarer, begründeter und nachprüfbarer Informationen zu den Umwelteigenschaften von Produkten und Unternehmen vor.
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