3 Fragen an den Vorstand: Prof. Dr. Lorenz Hilty
Um ihn noch ein bisschen besser kennenzulernen, haben wir Lorenz drei Fragen gestellt:
Frage 1: Du warst bis zu diesem Sommer noch als Professor für Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich tätig. Woran hast du da zuletzt gearbeitet beziehungsweise in welchem Zusammenhang stand deine Lehrtätigkeit zum Thema Nachhaltigkeit?
Ich habe früh erlebt, welche Veränderungsmacht mit digitalen Technologien verbunden ist. Erstaunlicherweise fragt man aber selten nach dem Zweck der Digitalisierung oder nach der Richtung, die wir als Gesellschaft mit dieser Technologie einschlagen wollen. Für mich war immer klar, dass die Digitalisierung große Chancen und Risiken für nachhaltigere Muster von Produktion und Konsum mit sich bringt. Meine Forschungsgruppe Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich hat für einige Teilbereiche zeigen können, wo die Chancen und Risiken liegen und wie die Politik gestaltend eingreifen könnte. Zuletzt haben wir an Fragen der digitalen Sharing Economy, an Daten und Modellen für die Entwicklungszusammenarbeit in Tansania und an Wegen zur Suffizienz in einer digitalisierten Gesellschaft gearbeitet. Über mehr als ein Jahrzehnt war auch der CO2-Fußabdruck von Online-Aktivitäten ein Thema, besonders weil es dazu viel Medieninteresse gab. Mit diesen Themen, die in letzter Konsequenz auf ethische Fragen führen, habe ich Informatikstudierende zu motivieren versucht, eine etwas breitere Perspektive einzunehmen als üblich und über Wertfragen zu reflektieren und zu diskutieren.
Frage 2: Worin siehst du die Chancen der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung?
Ein Beispiel, das auf der Hand liegt, sind dynamische Preise etwa für Elektrizität oder für Infrastrukturen aller Art. Das lässt sich digital grundsätzlich sehr unbürokratisch realisieren. Doch wichtig sind mir die großen Zusammenhänge. Aus einer Vogelperspektive ist relativ klar, warum wir als Menschheit nicht so weitermachen können wie bisher: Wir beschleunigen die Umwandlung von Stoffen und Energie im großen Maßstab und zerstören dadurch Biodiversität, verändern die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, der Ozeane und der Böden. Die großen Stoffströme, unter denen der Fluss von Kohlenstoff aus den fossilen Lagern in die Atmosphäre nur einer ist, sind das zentrale Problem. Das ist die banale Realität. Wir haben immer noch nicht verstanden, dass wir damit den Lebensraum für uns selbst verkleinern. Digitale Technologien bieten die Chance, Wertschöpfung mit weniger Masse und Energie pro Nutzeneinheit zu realisieren. Wir erleben gerade den größten Sprung in der Ressourcenproduktivität seit dem Aufbau der Elektrizitätsversorgung. Aber wir tendieren dazu, diese Chance zu verspielen. Der wichtigste Grund dafür ist keineswegs neu: Effizienzfortschritt ohne einen begrenzenden Rahmen führt zu unkreativer Mengenausweitung, bekannt als Rebound-Effekt. Wenn ich aus weniger mehr machen kann, mache ich am Ende noch viel mehr aus mehr. Also wird noch mehr Boden, Material und Energie umgewandelt. Die Autos werden größer statt der öffentliche Verkehr intelligenter, um ein Beispiel zu nennen. Nur wenn ein begrenzender Rahmen gegeben ist, der die Nutzung nicht beliebig vermehrbarer Ressourcen – wie beispielsweise versiegelte Fläche in Form von Straßen – auf einfache Weise begrenzt und den alle verstehen, dann wird die digitale Technologie ihr Potenzial für die wirklich kreativen und nachhaltigen Lösungen entfalten. Die Chance der Digitalisierung liegt also heute darin, durch Ressourceneffizienz und durch Kreativität für die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bereit zu sein, wenn sie dann Fahrt aufnimmt. Diese Transformation kann entweder politisch gestaltet werden – das sehe ich heute weniger – oder sie wird durch Krisen Gestalt annehmen.
Frage 3: Seit Juni bist du im Vorstand des Öko-Instituts. Wo und wann bist du mit dem Öko-Institut in Kontakt gekommen?
Wir hatten in früheren Jahren gemeinsame Projekte mit dem Öko-Institut, das letzte zum Thema ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte im Auftrag des Umweltbundesamtes. Daran war auch die Hochschule Trier beteiligt. Das Projekt hat bis 2018 die Grundlagen dafür erarbeitet, den Blauen Engel für Software zu schaffen, den es inzwischen gibt. Darüber hinaus kenne ich viele Arbeiten des Öko-Instituts von wissenschaftlichen Konferenzen. Ich sehe, dass das Öko-Institut ein Raum ist, wo inter- und transdisziplinäre Forschung möglich ist und mit Erfolg praktiziert wird. Das ist keineswegs selbstverständlich, auch wenn heute viel darüber geredet wird. Diese Form von Forschung ist sowohl dringend notwendig, denn anders lassen sich die Probleme der realen Welt nicht lösen, als auch sehr herausfordernd, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Weitere Informationen
Webseite von Lorenz Hilty als Emeritus an der Universität Zürich
Zu Frage 3:
Hilty und ich haben das 7. Symposium 'Informatik für den Umweltschutz' 1993 in Ulm besucht.