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6.270 Autos, 2.646 Zweiräder, 1.199 Fußgänger – Was bringt Verkehrstracking?

An einem kalten Januartag in Berlin fahren in der Köpenicker Straße 6.270 Autos vorbei. Dazu 2.518 schwere Fahrzeuge wie Lkw oder Busse und 2.646 Zweiräder. Im Laufe dieses Mittwochs sind dort außerdem 1.199 Fußgänger unterwegs. Woher wir das wissen?

KI hilft bei Unterscheidung der Verkehrsteilnehmer*innen

In einem Fenster hier im Osten Kreuzbergs hängt der Verkehrstracker Telraam. Das Gerät des belgischen Unternehmens Rear Window wird von Stadtplaner*innen ebenso eingesetzt wie von Bürgerinitiativen.

Was bringt es?

Das Tracking von Verkehr hilft bei vielen Aufgaben. Es wird etwa im Rahmen der Verkehrsplanung genutzt, um zu sehen, wie sich entsprechende Maßnahmen auf Verkehrsflüsse auswirken und ungewollte Verkehrsverlagerungen zu identifizieren. Außerdem hilft es zum Beispiel Bürgerinitiativen, Daten und so Argumente für verkehrsberuhigende Maßnahmen zu sammeln. Hierfür wurde Verkehrstracking etwa im Rahmen der Initiative „Berlin zählt Mobilität“ verwendet, die sich für eine Verkehrswende in den Kiezen einsetzt. Auch bei der Einrichtung von Schulstraßen wird es genutzt. Hierbei werden Straßen zu Schulbeginn und -ende für Kraftfahrzeuge gesperrt, um so die Sicherheit etwa von Schüler*innen zu erhöhen. Durch das Tracking zeigt sich, wohin sich der Verkehr verlagert und ob es Änderungen im Mobilitätsverhalten rund um Schulen gibt.

Wer ist es?

Rear Window ist ein belgisches Unternehmen, das sich dem Verkehrstracking verschrieben hat. Die Ausgründung der Organisation Transport and Mobility Leuven (TML) widmet sich der Erforschung von Mobilität und der Beratung von politischen Entscheidungsträger*innen. Der größte Anteilseigner des Unternehmens ist wiederum die Katholieke Universiteit Leuven.

Wir beschäftigen uns schon lange mit der Analyse von Verkehrsströmen und der Frage, welche konkreten Wirkungen verkehrsplanerische Maßnahmen wie etwa die Installation einer Ampel oder Durchfahrtsbeschränkungen haben. Verkehrstracking ist dabei ein sehr wertvolles Instrument, das lange Zeit aber sehr aufwendig und teuer war. Ein Großteil des Budgets von entsprechenden Projekten ging dafür drauf.
Kris Vanherle
Co-Gründer und Geschäftsführer von Rear Window

Der Name Telraam leitet sich aus den niederländischen Begriffen für „ich zähle“ (ik tel) und „Fenster“ (raam) ab. Das Wort „Telraam“ bedeutet außerdem „Abakus“ – zu dem im übertragenen Sinne das eigene Fenster damit wird. „Wir wollten eine einfache und kostengünstige sowie großflächig einsetzbare Lösung für das Tracking von Verkehr schaffen und dabei im Sinne von Citizen Science auch Bürger*innen einbeziehen.“ Diese können nun mit einem kleinen Gerät am eigenen Fenster selbst die Verkehrsströme in ihrer Straße erfassen. Sie werden direkt an die Website von Telraam übertragen, wo sie Jede*r einsehen kann. „Wir sind ein Open Source Projekt und halten es für zentral, dass alle Daten öffentlich zugänglich sind. Bürger*innen sollten wissen, was in ihren Städten vor sich geht.“

Wie geht es?

Telraam erfasst die Mobilität vor dem eigenen Fenster und unterscheidet dabei zwischen Fußgängern, Zweirädern, Autos und schweren Fahrzeugen. „Das neue Modell S2 kann nun auch zwischen Fahr- und Motorrädern sowie verschiedenen schweren Fahrzeugen wie Bussen, Lkw oder Traktoren unterscheiden“, erklärt Vanherle. Möglich machte dies der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), die eine genauere Unterscheidung erlaubt. Die Geräte erfassen dabei den Verkehr und senden die Daten an Telraam, es werden keine Bilder oder Videos gespeichert. „Das war uns sehr wichtig, um die Privatsphäre der Verkehrsteilnehmer*innen zu schützen.“ Die neue Version ist zudem mit einer SIM-Karte für eine unkomplizierte Datenübertragung ausgestattet und verfügt über eine Weitwinkelkamera, was wiederum die Ausrichtung erleichtert.

Wohin führt es?

Vanherle und seine Kolleg*innen arbeiten bereits an einer neuen Version von Telraam. Diese soll zum einen der schnellen Entwicklung von KI Rechnung tragen, aber auch das Konzept der Citizen Science weiterentwickeln. „Wir wünschen uns ein Citizen Engagement, bei dem wir die Nutzer*innen aktiver in die Interpretation der gewonnenen Daten einbeziehen. Denn nur sie sind direkt vor Ort und können etwa Informationen dazu liefern, warum der Verkehr stärker oder schwächer wird.“ Hierfür brauche es aber zum einen ein Interface, über das Informationen weitergegeben werden können, sowie Anreize für die Anwender*innen, dies auch zu tun. Darüber hinaus plant Rear Window, in der nächsten Version eine bessere Kamera einzusetzen. „Bislang funktioniert Telraam nicht, wenn es dunkel ist. Wir arbeiten daran, dass die Performance bei weniger Licht besser wird.“

Übrigens: In Berlin werden 2025 im Rahmen der Initiative Net4Cities und in Kooperation mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) 30 Telraam-Geräte des neuen Modells S2 installiert. Wer sich hierfür bewerben will, findet weitere Informationen auf der Website des ADFC Treptow-Köpenick.

 

Kris Vanherle ist Ingenieur und für Transport und Mobility Leuven (TML) tätig. Das Institut widmet sich unter anderem der Erforschung von Mobilitätsfragen und der Wirksamkeit von verkehrspolitischen Maßnahmen. Das Unternehmen Rear Window, dessen Co-Gründer und Geschäftsführer Vanherle ist, ist eine Ausgründung von TML. Rear Window entwickelt und vertreibt den Verkehrstracker Telraam.

Weitere Informationen

Thema: Mobilitätswende beim Öko-Institut

Website von Telraam

Artikel zum Verkehrstracker Telraam im Magazin eco@work, Ausgabe 01/2025

 

 

 

 

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