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„Alle müssen alles reparieren können“

Was tut eigentlich die Politik, damit wir Verbraucher*innen nachhaltiger handeln können? Bei dieser Frage lohnt sich ein Blick nach Brüssel. Denn in der vergangenen Legislaturperiode hat das Europaparlament zahlreiche Richtlinien auf den Weg gebracht, die Verbraucher*innen schützen und stärken sowie einen nachhaltigen Konsum voranbringen sollen. Einen tieferen Einblick in diese Richtlinien gibt Anna Cavazzini.

Sie sitzt seit 2019 für Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament. Seit 2020 ist sie die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.

Empowering Consumers

Eine wichtige Grundlage legt die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel, oder auch „Empowering Consumers for the Green Transition“. Sie wurde bereits verabschiedet und soll den Verbraucher*innen helfen, informierte Kaufentscheidungen zu treffen. Denn ohne eine valide Datenbasis darf nun nicht mehr behauptet werden, dass ein Produkt umweltfreundlich ist.

 

In einigen Dimensionen hat das Umweltbewusstsein aber auch abgenommen. Bei der Frage, ob jede*r Einzelne Verantwortung dafür trägt, dass wir nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen, ist die Zustimmung zum Beispiel deutlich gesunken.
Anna Cavazzini
Politikerin

Green Claims

Als Fortführung dieses Gesetzes bezeichnet die Politikerin die Green Claims-Richtlinie. „Hierbei geht es darum, dass bestimmte Claims – also Aussagen zu umwelt- oder klimabezogenen Eigenschaften von Produkten – besser mit Fakten unterlegt sind und die Grundlagen dieser Claims standardisiert sind.“ Aus ihrer Sicht ist auch Green Claims ein „ein wirkungsvolles Gesetz, das einen Unterschied machen wird“, hätte aber durchaus ambitionierter sein können. „Wir hatten zum Beispiel gehofft, dass es verboten wird, mit der Kompensation von Treibhausgasemissionen zu werben.“

Ecodesign

„Meilensteine im Bereich nachhaltige Produkte und Reparatur“ nennt Anna Cavazzini das Recht auf Reparatur und das Gesetz zum Ökodesign für nachhaltige Produkte. Die „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie ab und erweitert sie. „Alle Produkte, die neu auf den europäischen Binnenmarkt kommen, müssen nun unter anderem langlebig, reparierfähig und wiederverwendbar sein.“ Da einzelne Produktgruppen erst nach und nach in das Gesetz einbezogen werden, werde es eine Weile dauern, bis es seine volle Wirkung erfüllt. „Das Gesetz ist aber sehr gut und weitreichend und wird der Kreislaufwirtschaft in Europa einen richtigen Push geben.“

Right to repair

Die Richtlinie zum Recht auf Reparatur soll das Reparieren einfacher und attraktiver für Verbraucher*innen machen – und so einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. „Darin ist zum Beispiel festgelegt, dass sich Hersteller nicht mehr weigern dürfen, Produkte zu reparieren. Auch bestimmte Praktiken, die bislang die Langlebigkeit von Produkten eingeschränkt haben, werden verboten – so etwa die Limitierung von Softwareupdates“, erklärt Anna Cavazzini. „Darüber hinaus soll es stärkere Anreize geben, die Reparatur zu wählen – so etwa über eine neue und längere Gewährleistung im Anschluss.“

Auch diese Richtlinie hätte noch ein bisschen besser werden können, sagt Cavazzini, „aber wir Grünen sind ja auch bekannt dafür, immer ein bisschen mehr zu wollen.“ Sie hätte sich gewünscht, dass das Recht auf Reparatur sofort für alle Produkte gilt. „Es ist aber an das Ökodesign gekoppelt. Erst wenn ein Produkt hier einbezogen ist, gilt das Recht auf Reparatur. Und so wird es noch eine Weile dauern, bis es für den gesamten Markt gilt.“ Kontrovers wurde auf europäischer Ebene auch diskutiert, dass die Kosten für Reparaturen nach der Gewährleistung von den Verbraucher*innen getragen werden müssen. „Wir hatten gefordert, dass man die Kosten von Ersatzteilen beschränkt, damit die Kosten nicht explodieren. Im Gesetz gibt es jetzt die sehr vage Formulierung, dass Ersatzteile zu „reasonable costs“ oder eben „angemessenen Kosten“ angeboten werden müssen. Ich halte es für möglich, dass es hier Klagen gegen Unternehmen geben wird, die zu hohe Kosten aufrufen.“

Die persönliche Richtlinie

Das Engagement von Anna Cavazzini für bessere Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Konsum speist sich auch aus eigenen Erfahrungen. Da war zum Beispiel dieser Kühlschrank, bei dem nur eine Lasche am Gefrierfach abgebrochen war. „Es war innerhalb der Gewährleistung, also habe ich mich an das Möbelhaus gewandt. Aber anstatt einfach die Lasche wieder anzubringen, hat man mir sofort einen neuen Kühlschrank geliefert.“ Viel besser, sagt sie, wäre es doch, wenn man innerhalb der Gewährleistung automatisch eine Reparatur bekommt – „es ist schade, dass das nicht im Recht auf Reparatur festgelegt wurde“. Und auch als ihr Smartphone nicht mehr vollständig funktionsfähig war, suchte Cavazzini eine einfache und bezahlbare Reparaturmöglichkeit. „Ich hätte aber entweder 300 Euro bei einem autorisierten Händler bezahlen müssen oder die Gefahr eingehen, dass bestimmte Funktionen verloren gehen, wenn sich jemand anderes der Reparatur widmet. Dies wird durch das Gesetz nun zum Glück geändert: Es muss in Zukunft möglich sein, dass alle alles reparieren können.“

 

Anna Cavazzini hat einen Bachelor in European Studies (TU Chemnitz) sowie einen Master in Internationalen Beziehungen (FU/HU Berlin). Nach ihrem Studienabschluss war sie unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Europaparlament, als Referentin im Auswärtigen Amt sowie als Referentin für Brot für die Welt tätig. 2019 wurde Anna Cavazzini für Bündnis 90/Die Grünen ins Europaparlament gewählt, auch in der neuen Legislaturperiode ab 2024 bleibt sie Mitglied des europäischen Parlaments. Hier setzt sie sich vor allem für faire und nachhaltige Wirtschaftsstrukturen ein. Seit November 2000 ist sie zudem Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Ihre Aufmerksamkeit gilt in dieser Funktion insbesondere einem starken Schutz von Verbraucher*innen sowie einer echten Kreislaufwirtschaft. Zusätzlich ist Cavazzini unter anderem stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel.

Weitere Informationen

Porträt von Anna Cavazzini im Magazin eco@work, Ausgabe 04/2024

Pressemitteilung des Rats der Europäischen Union: Verbraucherrechte: endgültige Billigung der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel

Pressemitteilung auf der Website der Europäischen Kommission: Ökodesign-Verordnung: Neue Regeln für nachhaltige Produkte in Kraft

Themenseite auf der Website des Umweltbundesamtes: Neue EU-Regeln gegen Greenwashing verabschiedet

Themenseite auf der Website der Bundesregierung: EU-Richtlinie umsetzen. Das Recht auf Reparatur kommt

 

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