Alles CO2 – oder was?
Im Fall der Kuh ist das Methan, in der Klimaanlage steckt oft noch Dichlordifluormethan (R12) aus der Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, kurz FCKW. Beide Stoffe spielen für den Klimawandel eine wichtige Rolle. Auch, weil sie eine deutlich höhere Klimawirkung haben als CO2. So ist Methan bis zu 25-mal, R12 sogar über 10.000-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Die beiden Nicht-CO2-Gase trugen daher alleine 2021 zu gut 16 Prozent (Methan) beziehungsweise fast 8 Prozent (R12) zum Treibhauseffekt bei. Der Anteil von CO2 lag bei gut 66 Prozent.
Klimaschutz geht nicht ohne einen Fokus auf solche Nicht-CO2-Gase. Das betont auch Tim Brown. Mit seinem Unternehmen Tradewater will er verhindern, dass sie in die Atmosphäre gelangen. „Wir werden die Ziele des Pariser Übereinkommens nicht erreichen, wenn wir uns nicht um diese Stoffe kümmern“, so der CEO von Tradewater.
Worüber sprechen wir überhaupt?
Es gibt zahlreiche Nicht-CO2-Gase, die sich auf den Klimawandel auswirken. So etwa Lachgas, etwa 265-mal so klimaschädlich wie CO2, das vor allem aus stickstoffhalten Düngemitteln in der Landwirtschaft stammt, oder fluorierte Treibhause, so genannte F-Gase, deren Klimawirkung sogar bis zu 23.500-mal höher liegt.
Ozonabbauende Substanzen wie FCKW wurden lange Zeit etwa als Kältemittel genutzt. Seit 1995 dürfen sie nicht mehr in neuen Produkten eingesetzt werden. Dem vorausgegangen war das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, und das den weltweiten Ausstieg aus FCKW einläutete. Doch in vielen Haushalten stehen noch immer Kühlschränke, die FCKW enthalten. Damit diese nicht in die Atmosphäre gelangen, müssen die Geräte fachgerecht entsorgt werden. „FCKW haben zum einen eine sehr hohe Wirkung auf den Klimawandel. Und sind sie erst einmal freigesetzt, kann man sie – anders als CO2 – auch nicht mehr zurückholen“, sagt Tim Brown. „Bislang gibt es trotzdem nur sehr wenig Wissen darüber und ein sehr geringes Bewusstsein über die Wichtigkeit. Übrigens auch in der US-amerikanischen Politik: Die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre steht hier deutlich stärker im Fokus.“
Wie lässt sich die Freisetzung verhindern?
Indem hoch klimawirksame ozonabbauende Substanzen, die etwa in Kühlschränken oder Klimaanlagen stecken, eingesammelt und fachgerecht zerstört werden.
Den Anfang nahm das alles in den USA, heute arbeitet das Unternehmen in zahlreichen Ländern, hat Mitarbeiter*innen unter anderem in Thailand, Indien und Südafrika.
Für die Zerstörung der ozonabbauenden Stoffe müssen diese in Anlagen gebracht werden, die strenge Auflagen erfüllen. Dort werden sie dann in so genannten Drehrohröfen verbrannt. „Diese besitzen feuerfeste Stahlmäntel und erreichen eine Temperatur von bis zu 1.300 Grad Celsius. In der Regel gibt es zudem nachgelagerte Brennkammern, die sicherstellen, dass die gefährlichen Stoffe wirklich vollständig zerstört werden.“
Tradewater widmet sich darüber hinaus der Aufgabe, die unkontrollierte Freisetzung von Methan etwa aus stillgelegten Kohleminen oder verlassenen Erdgas- und Erdöl-Förderstätten zu verhindern. Insgesamt hat das Unternehmen bislang über 70 Projekte rund um den Globus umgesetzt.
Wer finanziert das?
Jede*r, der ein Klimazertifikat kauft, um Emissionen zu kompensieren, kann dies auch über ein Projekt tun, das sich Nicht-CO2-Gasen widmet. „Wir können unsere Arbeit nur über den Kohlenstoffmarkt finanzieren. Denn es gibt keinen Auftrag etwa von Regierungsbehörden, diese Stoffe zu zerstören.“ Im Januar 2024 verkaufte Tradewater zum Beispiel das letzte Zertifikat für die Vernichtung eines großen FCKW-Bestandes eines Importeurs aus Honduras. „Insgesamt haben Projekte, die sich Nicht-CO2-Emissionen widmen, allerdings einen nicht allzu großen Marktanteil. Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre liegt er bei 11 Prozent. Das liegt sicher auch daran, dass sie oft deutlich kleiner und in der Regel deutlich komplexer sind als beispielsweise jene zur Aufforstung von Wäldern. Dafür können wir im Markt der Klimazertifikate eine hohe Qualität bieten. Denn die Projekte sind immer zusätzlich und langfristig wirksam, zudem wird gemessen, welche Menge an Klimagasen zerstört wurde“, erklärt Tim Brown.
Ein einmaliges Aufstoßen der Kuh ist natürlich mit Blick auf die Gesamtemissionen nur ein kleines Lüftchen. Doch ein Blick auf alle Nicht-CO2-Emissionen ist wichtig und notwendig. Selbstverständlich ebenso wie ein weiter Fokus auf CO2.
Tim Brown gründete bereits 2008 mit Wabashco ein Unternehmen, das sich der CO2-Kompensation widmete – der Fokus lag hier auf erneuerbaren Energien. 2016 gründete er gemeinsam mit einem Partner Tradewater mit Hauptsitz in Chicago, USA, dessen CEO er heute ist. Das Unternehmen widmet sich dem Aufspüren und der Vernichtung von Nicht-CO2-Gasen und finanziert diese Arbeit über den Kohlenstoffmarkt. Bislang wurden über 70 Projekte rund um die Welt umgesetzt. So wurde nach Angaben von Tradewater eine Menge von klimawirksamen Gasen zerstört, die einem CO2-Äquivalent von 7,5 Millionen Tonnen entspricht.
Weitere Informationen
Themenseite auf der Website des Umweltbundesamtes: Atmosphärische Treibhausgas-Konzentrationen
Themenseite auf der Website des Umweltbundesamtes: Regelungen zu ozonabbauenden Stoffen
Themenseite auf der Website des Bundesumweltministeriums: Fluorierte Treibhausgase
Validation and Verification Report: ACR799 Tradewater International Honduras 1.0
Porträt Tim Brown © Jill Riddell