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#CircularEconomy_1: Werden zirkuläre Geschäftsmodelle die Welt retten? / Will Circular Business Models save the world? [deu/eng]

Die #CircularEconomy gilt als große Hoffnung für eine nachhaltige Wirtschaft. Doch: Kann sie eine solch große Wirkung entfalten? Derzeit fristet sie noch ein Nischendasein. Die beiden Autor*innen sind der Meinung: Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen.

Die Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Geschäftsmodelle scheinen in aller Munde. Offenbar existiert ein breiter Konsens, nach dem die circular economy eine äußerst wichtige Rolle spielt, um globale Umweltbelastungen zu reduzieren und Klimaschutzziele zu erreichen.

In der Blog-Reihe #CircularEconomy werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts die Entwicklung und die Potenziale der Kreislaufwirtschaft und ihrer Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen. Und sie präsentieren Vorschläge, wie die Kreislaufwirtschaft tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

In diesem ersten Beitrag präsentieren Clara Löw und Siddharth Prakash ihre ersten beiden Hypothesen (von sieben) zur #CircularEconomy. Die Hypothesen werfen Fragen auf, die die Mitarbeitenden des Öko-Instituts hinter den Kulissen diskutieren. Die Blogreihe gibt im Laufe des Jahres Einblicke in die – zum Teil kontrovers geführten – Debatten. Anhand von Fallbeispielen werden die Hypothesen präzisiert.

Die Kreislaufwirtschaft, englisch circular economy, ist einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Green Deals. Auf dem Weg hin zu Klimaneutralität bis 2050 verfolgt die EU eine transformative industrielle Strategie für eine saubere und kreislauforientierte Wirtschaft. Unter anderem hat die Europäischen Kommission im März 2020 schon den zweiten Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft veröffentlicht. Ein Meilenstein auf dem Weg zu einem radikalen Wandel der Wirtschaftsweise innerhalb der EU.

Wir stellen fest, dass wissenschaftliche, politische und wirtschaftlich orientierte Auffassungen die Kreislaufwirtschaft sehr unterschiedlich formen und einordnen (Kirchherr et al. 2017 Resources, Conservation and Recycling, p. 221–232). Die Europäische Kommission hat Circular Economy 2020: folgendermaßen definiert: „In a circular economy, the value of products and materials is maintained for as long as possible. Waste and resource use are minimised, and when a product reaches the end of its life, it is used again to create further value.“

Nach Schätzungen des aktuellen Circularity Gap Report 2021 würde global gesehen doppelt so viel zirkuläres Wirtschaften die globalen Treibhausgasemissionen bis 2032 um 39 Prozent verringern und den Weg für einen Temperaturanstieg spürbar unterhalb des Zwei-Grad-Ziels ebnen. Die Kreislaufwirtschaft kann also die Treibhausgasminderungsziele, die momentan nicht ambitioniert genug sind, unterstützen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Hypothese 1 In zirkulären Märkten gibt es keine unsichtbare Hand.

Eine der Kernideen innerhalb des Diskurses um die Kreislaufwirtschaft ist das hohe Potenzial, das zirkulären Geschäftsmodellen (Circular Business Models, CBM) zugesprochen wird. Verpackungsfreie Supermärkte, Repair-Cafés, Secondhandläden, Miet- und Leihmodelle, die Vermarktung von langlebigen oder wiederaufgearbeiteten Produkten oder Initiativen für das Upcycling – die Liste ist lang und wächst stetig. Umwelt und Gesellschaft profitieren von den CBM-Aktivitäten, wenn sie effektiv zu einer absoluten Reduktion der Umweltbelastung führen.

So hat sich ein klassisches Narrativ entwickelt: Die Interaktion zwischen Unternehmen, die CBMs anbieten, und Konsumentinnen und Konsumenten, die diese nachfragen, wird Produktions- und Konsummuster transformieren. Doch: Ist das wirklich der Fall? Wird die „unsichtbare Hand“ den Markt über Angebot und Nachfrage hin zu einem zirkulären steuern? Die liberale Theorie der unsichtbaren Hand, die den Markt leitet, stammt von Adam Smith. Demnach solle die Politik den Markt „in Ruhe lassen“, weil dieser sich über Angebot und Nachfrage selbst reguliert.

Gemäß einer OECD-Studie bleibt die Marktdurchdringung von zirkulären Geschäftsmodellen in den meisten Sektoren begrenzt und beträgt aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr als 5 bis 10 Prozent. Anders ausgedrückt basieren 90 bis 95 Prozent der Geschäftsmodelle immer noch auf dem linearen „take – make – waste“-Ansatz (Entnehmen – Herstellen – Beseitigen).

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmer*innen und Konsument*innen individuelle Kosten einsparen, wo immer möglich. Diese vorherrschende ökonomische Grundhaltung behindert nachhaltige transformative Prozesse auf der globalen Ebene.

Ein Beispiel aus dem deutschen Verpackungsgesetz: Danach müssen Vertreiber von nicht-recyclebarem Verpackungsmaterial im sogenannten Dualen System eine höhere Lizenzgebühr an die beauftragten Verpackungsentsorger zahlen als Vertreiber von recyclebaren Verpackungen. Dieses Prinzip soll die Kreislaufwirtschaft eigentlich unterstützen. In der Praxis wird diese Regel jedoch umgangen. Die Verpackungsentsorger befürchten ihre Kunden zu verlieren, sollten sie höhere Lizenzgebühren für nicht-recyclebare Verpackungen einfordern als die Konkurrenz. Dies hat die Wirkkraft des Mechanismus der Dualen Systeme, d.h. der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) extrem reduziert.

Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unternehmen – also Nachfrage und Angebot – sind ohne Zweifel ein integraler Bestandteil des Transformationsprozesses, der für die Etablierung der Kreislaufwirtschaft notwendig ist. Die Hauptverantwortung, die Konditionen und Rahmenbedingungen so festzulegen, dass CBMs auf dem Massenmarkt auch gedeihen können, sehen wir jedoch auf der Seite der Politik. Wir glauben, dass das Potenzial von CBMs unter den aktuellen Rahmenbedingungen überschätzt wird. Und alleine die „unsichtbare Hand des Marktes“ wird den zirkulären Geschäftsmodellen eben nicht den Weg in den Massenmarkt weisen.

Hypothese 2 Klartext reden: Die Politik setzt noch nicht die richtigen Anreize.

Statistischen Daten zeigen, dass immer noch Massen an primären, neuen Rohstoffen für Produktion und Konsum verwendet werden und sich die Abfallmengen weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen. Manche Berichte suggerieren eine sinkende Material- oder Abfallintensität in einigen Sektoren und Ländern. Das bedeutet eine sinkende Menge an konsumiertem Material oder erzeugtem Abfall im Vergleich zum Anstieg des Bruttoinlandsproduktes. Es wird in diesen Berichten dann von einer Entkopplung von Ressourcennutzung und Wirtschaftswachstum gesprochen. Doch auf globaler Ebene hat sich diese vielfach propagierte Entkopplung als Wunschdenken herausgestellt.

Gemäß einer OECD-Studie wird sich der globale Materialeinsatz vermutlich von 79 Gigatonnen im Jahr 2011 auf 167 Gigatonnen im Jahr 2060 verdoppeln – und die Berechnung enthält schon die Annahmen einer relativen Entkopplung, d.h. es wird angenommen, dass der Materialverbrauch nicht proportional zum steigenden Wohlstand gemessen am Bruttoinlandsprodukt steigt. Da bekanntlich ein großer Anteil der Treibhausgasemissionen in direktem oder indirektem Zusammenhang zur Rohstoffgewinnung, Materialmanagement und -einsatz steht, wird ein global erhöhter Einsatz von Primärrohstoffen mit großer Wahrscheinlichkeit die globalen Klimaziele des Pariser Abkommens gefährden.

Wir stellen in Frage, dass die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen – siehe schon These 1 – sowie die politischen Prioritäten dazu führen, dass die heute auf dem Markt agierenden (zirkulär wirtschaftenden) Unternehmen effektiv und absolut zu einer sinkendem Materialverbrauch und sinkenden Treibhausgasemissionen beitragen.

Ein Beispiel: Wir haben in unseren Studien, unter anderem für das Umweltbundesamt (UBA), gezeigt, dass die Lebensdauer und Nutzungszeit von elektrischen und elektronischen Geräten in den letzten Jahren gesunken ist. Unternehmen, die Reparaturen oder Wiederaufbereitung anbieten, sind wirtschaftlich nicht hinreichend wettbewerbsfähig, wenn man die Reparaturkosten mit den sehr niedrigen Preisen neuer Produkte vergleicht.

Obwohl die Ökodesign-Richtlinie der EU einige Anforderungen bezüglich der Reparierbarkeit mancher Produktgruppen stellt, dürften diese nicht reichen, um die Nutzungszeit von Produkten wesentlich zu erhöhen, vor allem dann nicht, wenn neue Produkte weiterhin zu Wegwerfpreisen angeboten werden.

Wir sind der Ansicht, dass zusätzlich Mindeststandards für die Langlebigkeit und Qualität der Produkte benötigt werden, was zwar zu einem Anstieg der Kaufpreise von Produkten führen könnte, aber allgemeine gesellschaftliche Kosten verringern würde. In einer aktuellen Studie für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) haben wir die jährlichen Einsparungen in Deutschland auf 3,7 Milliarden Euro und fast 4 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen geschätzt, sollten die Lebensspannen von Smartphones, Waschmaschinen, Fernsehern und Notebooks entsprechend der Erwartungen der Konsument*innen verlängert werden.

Was schließen wir aus dieser Hypothese? Um die zirkulären Geschäftsmodelle auf den Massenmarkt zu bringen, müssen wir als Gesellschaft die Anreizmuster umkehren. Das heißt:

  • Ambitionierte verpflichtende Mindeststandards Langlebigkeit von Produkten,

  • hohe Besteuerung und negative Anreize für „ressourcen-hungrige“ Produkte und Dienstleistungen sowie

  • erhebliche positive Anreize, Subventionen und Steuervergünstigungen für zirkuläre Geschäftsmodelle.

Die gegenwärtigen politischen Prioritäten weisen in eine andere Richtung oder greifen viel zu kurz. Am Ende des Tages leisten die zirkulären Geschäftsmodelle durch das Einpreisen von gesellschaftlichen Kosten wie vorbeugendem Umwelt- und Gesundheitsschutz einen Dienst an unserer Gesellschaft, ohne angemessen dafür entlohnt zu werden. Wer im Kreislauf wirtschaftet, denkt in die Zukunft. Das muss politisch anerkannt und mit den richtigen Anreizen belohnt werden. Denn gleichzeitig nutzen lineare Geschäftsmodelle Leistungen des Ökosystems, produzieren Abfälle (um die sie sich nicht kümmern) und verursachen in beiden Fällen höhere gesellschaftliche Kosten – die sogenannte Externalisierung von Kosten -  aber sie kommen damit ganz einfach davon.

Im Laufe des Jahres wird die Blogreihe auch weitere Thesen und Beispiele anführen. Fortsetzung folgt.

Clara Löw und Siddharth Prakash forschen zu nachhaltigen Materialien, Produkten und Konsummustern im Institutsbereich „Produkte & Stoffströme“ in Freiburg. 

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