#CircularEconomy_2: Ghostbusters – Fischer gehen gegen Geisternetze vor
Nach der theoretischen Betrachtung und unseren ersten beiden Hypothesen bezüglich der #CircularEconomy beschäftigt sich Andreas Manhart im zweiten Beitrag der Reihe, wie ein konkretes Umweltproblem mit ökonomischen Anreizen und einer stabilen Finanzierung im Sinne der Kreislaufwirtschaft lösbar ist. Denn: „Das Konzept einer Circular Economy darf kein theoretisches Konzept bleiben, sondern muss, wie hier beschrieben, in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen in die Praxis überführt werden“, sagt Andreas Manhart.
Die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll ist in aller Munde und es vergeht kaum ein Tag an dem nicht eine Konferenz zur Frage abgehalten wird, wie diesem Problem begegnet werden kann. Tatsächlich ist das Problem komplexer als es auf dem ersten Blick erscheinen mag: Groß die Abfallmengen, vielfältig die Akteure, lang die Küstenlinie über die Plastik und anderer Müll ins Meer gelangt.
Geisternetze sind gefährlich fürs marine Ökosystem
Eine Stufe tiefer sind Lösungen aber durchaus machbar und können bereits mit wenig Aufwand spürbare Verbesserungen erzielen. Ein Beispiel hierfür ist das Problem der Fischernetzte, die vielerorts nicht sachgerecht entsorgt werden und als „Geisternetze“ in den Meeren treiben. Diese fangen weiterhin Fische und töten diese. Obwohl die absoluten Mengen im Verhältnis zum gesamten Plastikmüll eher klein sind, so sind sie doch überproportional problematisch für das marine Ökosystem.
Während viele Industrienationen die Sammlung alter Netze über die Fischfangflotten und Häfen organisieren, versagt dieser Mechanismus in vielen Teilen der Welt: Denn in den meisten Ländern Asiens und Afrikas operieren Fischer oft nicht von größeren Häfen aus, sondern von Stränden und kleinen Fischersiedlungen. Dort gibt es oft kein richtiges Abfallmanagement sodass alte Fischernetze an den Stränden bleiben und wieder zurück ins Meer gespült werden. Hinzu kommen die Netze größerer Fangflotten, die oftmals verfangene Netze kappen und damit ins Meer entsorgen.
Alte Netze sammeln und in hochwertiges Recycling einspeisen
In einem Projekt des Sekretariats der Basler, Stockholm und Rotterdam Konventionen haben wir letztes Jahr mit der ghanaischen Umweltgruppe SCYCLES einen Ansatz entwickelt und erprobt, der Fischer dazu ermutigt und befähigt, alte Netze zu sammeln und in hochwertiges Recycling einzuspeisen.
Kern des Ansatzes ist eine enge Einbeziehung der lokalen Fischer sowie mobile Sammelpunkte, bei denen alle zwei Wochen Netze abgegeben werden können. Da die Fischer mit dem Einsammeln von Geisternetzen zusätzlichen Aufwand haben, erhalten sie dafür ein kleines Entgelt.
Netze werden zu Stoffen, Teppichen, Sonnenbrillen
Analysen der gesammelten Netze haben gezeigt, dass ein Großteil gut recycelbar ist und zu Stoffen, Teppichen oder Sonnenbrillen verarbeitet werden kann. Dafür müssen sie aber zuerst zu Ballen gepresst und verschifft werden, was mit Aufwand und Kosten verbunden ist und die Erlöse aus dem Recycling zum großen Teil zunichtemacht.
Positiv für die Fischbestände
Dennoch: Finanzielle Anreize und hochwertiges Recycling ermöglichen eine effektive Behebung dieses Problems. Gleichzeitig profitiert die lokale Bevölkerung in zweierlei Hinsicht: Ihre Sammelaktivitäten werden finanziell entlohnt wodurch sich neue Einkommensmöglichkeiten ergeben. Zudem wirkt sich die Sammlung der Netze positiv auf die Fischbestände aus und sichert damit die Lebensgrundlage der Fischer.
Vom Pilotprojekt zur großflächigen Umsetzung
Doch trotz erster Erfolge verbleibt die Frage nach der langfristigen und großräumigen Umsetzung. Zwar wird das Pilotvorhaben derzeit mit Mitteln der Amber Foundation fortgesetzt, wirklich große Wirkung kann aber erst erzielt werden, wenn mehr Mittel in solche Ansätze investiert werden. Hier bieten sich besonders zwei Mechanismen an:
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Hersteller, die mit der Verwendung von recycelten Fischernetzen Werbung machen, müssen bereit sein, einen kleinen Mehrpreis für den Rohstoff zu zahlen. Gerade bei Markenbekleidung sollte sich dies so gut wie nicht auf den Endpreis auswirken.
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Die Hersteller und Vertreiber von neuen Fischernetzen müssen in die Pflicht genommen werden. Denn sie sind es, die vom Verkauf der Netze besonders profitieren, während sie für die Umweltschäden alter Geisternetze bisher nicht haftbar gemacht wurden. Ein entsprechender Fonds könnte solche Ansätze in Entwicklungs- und Schwellenländer zum Erfolg verhelfen und eine dauerhafte Finanzierung bieten.
Die Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Geschäftsmodelle scheinen in aller Munde. Es ist ein allgemeiner Konsens, dass die circular economy eine äußerst wichtige Rolle spielt, wenn globale Umweltbelastungen reduziert und Klimaschutzziele erreicht werden sollen. In der Blog-Reihe #CircularEconomy hinterfragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts die Entwicklung und die Potenziale zirkulärer Geschäftsmodelle kritisch. Und sie präsentieren Vorschläge, wie die Kreislaufwirtschaft tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.
Andreas Manhart ist Senior Researcher im Institutsbereich Produkte & Stoffströme. Seit 2005 beschäftige er sich am Öko-Institut mit der Frage, wie Sozial- und Umweltstandards auch in sehr weit verzweigten und globalisierten Produktionsketten sichergestellt werden können.