Corona-Konjunkturpaket: Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an!
Das Öko-Institut hat im Online-Salon der Deutschen Bundesstiftung Umwelt „Konjunkturmaßnahmen im Nachhaltigkeitscheck" am 8. Juni das Konjunktur- und Zukunftspaket der Bundesregierung bewertet. Eine Zusammenfassung.
Das Öko-Institut präsentierte am Montag, den 8. Juni 2020 Ergebnisse eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sowie aus Eigenmitteln finanzierten Projektes, das Impulse für ein nachhaltiges Konjunkturpaket erarbeitet hat. Zusätzlich bewerteten Jan Peter Schemmel und Dr. Katja Schumacher das vergangene Woche von der Bundesregierung vorgestellte Konjunktur- und Zukunftspaket.
Grundsätzlich positiv bewertet das Institut, dass das Paket neben kurzfristigen wirksamen Maßnahmen auch viele Programme enthält, die auf die mittel- bis langfristige Aufstellung der Wirtschaft ausgerichtet sind. Hierbei wurden wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Zukunft grundsätzlich mitgedacht, etwa in den Bereichen Mobilitätswende und Energiewende, im Gebäudebereich oder bei der Digitalisierung. Außerdem richten sich die kurzfristigen Hilfsmaßnahmen explizit an besonders betroffene Akteure, etwa Kommunen, besonders betroffene Branchen sowie Familien und Kinder. Leider geht das Zukunftspaket allerdings weder die zukunftsfeste Aufstellung für die Ressourcenwende zur Entwicklung der Kreislaufwirtschaft noch für die Agrarwende an.
Grüne Ausgestaltung jetzt essentiell
Jan Peter Schemmel betonte zugleich, dass es bei vielen Maßnahmen jetzt davon abhängt, wie sie ausgestaltet werden, damit das Zukunftspaket als ein „grünes“ Paket bezeichnet werden kann. Das wird bei vielen der vorgeschlagenen Maßnahmen deutlich, wie eine Übersicht der bewerteten Maßnahmen zeigt:
[caption id="attachment_3598" align="aligncenter" width="688"] Gesamtbewertung des Konjunkturberichts aus ökologischer Sicht. Quelle: Öko-Institut[/caption]
Besonders deutlich wird die Ambivalenz einer möglichen positiven bzw. negativen Wirkung etwa beim geplanten Vorziehen von Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Euro und der Beschleunigung von Planungs- und Vergabeprozessen. Hier hängt es ganz wesentlich davon ab, welche Investitionen beschleunigt umgesetzt werden sollen. Und auch beim Ansinnen der Entbürokratisierung zur Beschleunigung des Planungsrechts gilt: Wird dies derart gestaltet, dass die nötigen Planungs- und Umsetzungsverfahren etwa im Kontext von Energie- und Mobilitätswende oder bei der Umsetzung des European Green Deal zügiger erfolgen, ist das positiv.
Sollen unter dem Schlagwort der Entbürokratisierung hingegen Regelungen des Umweltschutzes, sozialer Rechte und des Verbraucherschutzes geschwächt werden, trägt das nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Auch helfen Beteiligungs- und Klagerechte, materielles Recht einzuhalten. Nahezu die Hälfte aller Umweltklagen sind (teilweise) erfolgreich. Das ist eine überdurchschnittliche Erfolgsquote, was im Umkehrschluss heißt, dass viele Genehmigungen und Planfeststellungen eben nicht rechtskonform ergingen. Es kann natürlich auch ein Indiz für nicht ausreichend eindeutige oder ausgewogene Rechtsgrundlagen sein. Dass ‚Beschleunigung‘ auf die Tagesordnung kommt, ist gut, aber es ist wichtig, hierbei mit Bedacht vorzugehen.
Ein drittes Beispiel für die entscheidende Rolle der Ausgestaltung der Beschlüsse ist die Maßnahme zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder. Die Formulierung lässt noch vollkommen offen, was hier gefördert werden soll. Aus Sicht des Öko-Instituts muss es darum gehen einen Waldumbau zu unterstützen, der mehr Laub- als Nadelbäume in die Wälder bringt. Erst dadurch wird ein positiver Effekt zur Stabilisierung der Wälder und zur höheren Speicherung von CO2 und damit mehr Klimaschutz erreicht. Auch muss gerade Laubholz verstärkt als Baustoff statt zur Energiegewinnung genutzt werden, da nur so das gespeicherte CO2 langfristig gebunden und nicht über die energetische Nutzung wieder in die Atmosphäre entlassen wird.
Spezifika der Krise in Richtung Nachhaltigkeit weiterdenken
Bei der beschlossenen Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) springt das beschlossene Konjunkturpaket zu kurz, stellt das Öko-Institut fest. Zwar sei der Ausgleich der entgangenen Fahrgeldeinnahmen als positiv zu bewerten, jedoch seien hier die Spezifika der Coronakrise jenseits von kurzfristigen Liquiditätshilfen nicht mit- bzw. weitergedacht worden. Denn es sei zentral, nun dafür zu sorgen, dass einerseits der mit der Corona Pandemie verstärkte Trend zu mehr Radfahren oder zu Fuß gehen weiter gefördert wird. Und andererseits der aus Umweltsicht verhängnisvolle Umstieg vom ÖPNV auf das eigene Auto wieder umgekehrt werde. Dazu müsse die Nutzung des ÖPNV attraktiver werden und den Anforderungen nach mehr Abstand beim und in Folge des Wiederhochfahrens des öffentlichen Lebens und Pendlerverkehrs mit einem erhöhten Angebot Rechnung getragen werden.
Dafür hat das Öko-Institut mit einem eigenen Impuls Ideen für ein Innovationspaket städtische Mobilität ausgearbeitet. Diese sollen den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel nach der Coronakrise fördern, den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur beschleunigen und das Umland mit öffentlichem Verkehr besser an die (Groß-)Städte anbinden. Auch sollten E-Bikes und Pedelecs als Alternative zum Auto gezielter gefördert werden.
Beschlüsse nicht weitreichend genug
Andere Beschlüsse kritisiert das Öko-Institut als nicht weitreichend genug. So hat die Bundesregierung zwar die Senkung der EEG-Umlage beschlossen, die so zu sinkenden Stromkosten für private Haushalte und die Wirtschaft führen soll. Doch diese Senkung, so Katja Schumacher, führe nicht weit genug. Das Öko-Institut hat in einem eigenen Impuls vorgeschlagen, die EEG-Umlage um 5 Cent pro Kilowattstunden zu senken. Dies könnte private Haushalte um rund 6,5 Milliarden Euro entlasten, den Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor um 4,5 Milliarden Euro, das produzierende Gewerbe um 4,1 Milliarden Euro und öffentliche Einrichtungen um 2,5 Milliarden Euro.
Das Öko-Institut schlägt deshalb vor, die abgesenkte EEG-Umlage – bislang vorgesehen für die Jahre 2021 und 2022 – auch nach Ablauf dieser Periode niedrig zu halten. Dies könne über Einnahmen aus dem Brennstoffemissionshandel gegenfinanziert werden. Im Ergebnis könne der Ausbau der erneuerbaren Energien wieder stärker ansteigen – was unbedingt nötig ist, wenn erneuerbarer Strom auch im Verkehr oder zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt werden soll.
Nachhaltige Lenkungswirkung stärken
Die Expertinnen und Experten des Instituts mahnen grundsätzlich an, die Konjunkturmaßnahmen in ihrer Lenkungswirkung in Richtung Umwelt zu stärken. So seien etwa die steuerlichen Entlastungen für Unternehmen bislang gar nicht an die Erreichung von Umwelt- und Klimaschutzzielen gekoppelt. Die Steuererleichterungen, insbesondere die vorgesehene erhöhte degressive Abschreibung, tragen damit nicht dazu bei, bestehende Strukturen etwa eines hohen Energie- oder Rohstoffeinsatzes zu ändern, sondern fördern und verstetigen den Status Quo – sie wirken somit aus Umweltschutzsicht sogar negativ.
Vielmehr müssten etwa Sonderabschreibungen für Investitionen in nachhaltige Technologien zum Zuge kommen. Das Öko-Institut hat hierzu einen Impuls vorgelegt, in dem aufbauend auf früheren Arbeiten zusammen mit dem Ecologic Institut die angepasste Reaktivierung des ehemaligen Paragraphen 7d des Einkommenssteuergesetzes angeregt wird. Diese solle angepasst und um Technologien für Klimaschutz und Ressourceneffizienz erweitert werden. Für einschlägige Investitionen sollte den Unternehmen auch mehr Flexibilität eingeräumt werden, in welchem Jahr sie die erhöhten Abschreibungssätze nutzen. Denn für Unternehmen, deren Gewinne in 2020 stark eingebrochen sind, bringen Abschreibungsmöglichkeiten für das Jahr 2020 nur geringe Liquiditätsvorteile.
Zukunftsherausforderungen jetzt angehen
Nicht zuletzt kritisiert das Öko-Institut, dass zu wenig gezielte Förderungen für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vorgesehen sind, damit diese sich für die stärker von Nachhaltigkeit geprägten Märkte der Zukunft aufstellen. Hierzu sollten sie unterstützt werden, eigene Verwundbarkeiten gegenüber Krisen zu analysieren, diverse und nachhaltige Lieferketten aufzubauen, ihre Geschäftsmodelle auf Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und die Kompatibilität mit einer Kreislaufwirtschaft auszurichten sowie Personal in Umweltfragen weiterzubilden. Auch hierzu hat das Öko-Institut einen eigenen Impuls zur Steigerung von Resilienz und Nachhaltigkeit in KMU vorgestellt.
Insbesondere die Fahrzeughersteller und die Zulieferindustrie der deutschen Automobilwirtschaft sollten gezielt auf ihrem Weg des nachhaltigen Strukturwandels unterstützt werden. Wie die Wissenschaftler hier im Blog beschrieben haben, steht die Automobilindustrie vor dem tiefgreifendsten Strukturwandel ihrer Geschichte. Daher sei die Signalwirkung der geplanten zusätzlichen Förderung der Bundesregierung für Elektromobile positiv einzuschätzen. Damit der Strukturwandel erfolgreich bewältigt werden kann müssten jedoch insbesondere die Forschung und Entwicklung von klimaschonenden Innovationen und neue regionale Innovationscluster vor allem der Zulieferindustrie gefördert werden. Dabei sollten nicht nur die batterieelektrischen Antriebe der Fahrzeuge selbst im Fokus stehen sondern auch Technologien für die Ladeinfrastruktur, die Entwicklung neuer Leichtbaufahrzeugmodelle oder auch Technologien für Anwendungen jenseits der Mobilitätswirtschaft. Auf diese Weise könnten KMU ihre Kompetenzen aus der Automobilproduktion zum Beispiel zu Filtersystemen oder effizienten Klimaanlagen für die Aufstellung (auch) in anderen Branchen nutzen. Impulse für ein solches Förderprogramm Innovative Unternehmen der Mobilitätswirtschaft hat das Öko-Institut in einem eigenen Papier beschrieben.
Konjunkturhilfen mutig weiterdenken
Abschließend formuliert das Öko-Institut sieben Punkte, um den Weg aus der Coronakrise nachhaltig zu gestalten:
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Die Wirkung steckt im Detail: Bei der Operationalisierung der im Konjunktur- und Zukunftspaket gelisteten Maßnahmen gilt es, das Ambitionsniveau zu erhöhen und zu sichern.
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Nobody is perfect: Es wird Nachbesserungen brauchen. Damit Bedarfe dazu früh erkannt werden und Anpassungen auch wirken, sollten ein laufendes Monitoring, Lernschleifen und Nachjustierungen von Anfang an eingeplant werden.
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Besser Vorsicht als Nachsicht: Die Pandemie ist noch nicht vorbei, ebenso wenig ist klar, dass es nicht zu weiteren Lock-Downs oder Störungen der Weltwirtschaft kommen wird. Auch die Lektionen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass es ggf. weitere Konjunkturpakete braucht. Diese sollten frühzeitig vorbereitet, statt dann mit heißer Nadel gestrickt werden.
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Die Zukunft wird anders: Wir stehen vor grundlegenden Transformationen, die durch die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Entwicklung und den Möglichkeiten der Digitalisierung bedingt sind. Damit wir hierfür gut aufgestellt sind, brauchen wir mehr Förderung von Innovation und einer Mut-Kultur für ein grundlegend anderes Morgen.
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Aus Erfahrung lernen: Viele unserer Prozesse sind zu langsam – nicht nur für die schnelle Belebung der Konjunktur, sondern auch für zügige Fortschritte bei der Nachhaltigkeitstransformation. Gleichzeitig braucht eine nachhaltige Entwicklung Beteiligung, Rechtsstaatlichkeit, transparenten und fairen Wettbewerb. Anpassungen zu Prozessbeschleunigungen gilt es mit Bedacht anzugehen.
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Nicht aus der Krise in die Krise: Schon vor der Covid-19 Pandemie zeichnete sich die Klimakrise immer deutlicher ab. Wie bei der Pandemie gilt auch hier, dass frühes entschlossenes Handeln hohe Folgekosten vermeidet. Wie bei der Pandemie das Gesundheitssystem nicht überlastet werden darf, darf auch das Klimasystem nicht überlastet werden. Hierzu muss ambitionierter Klimaschutz integraler Bestandteil aller Bemühungen zur Wiederbelebung der Konjunktur und zukunftsfähigen Aufstellung der Wirtschaft sein.
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Kein Krank-Sparen: Mit der Pandemie, den ökonomischen Folgen und den Gegenmaßnahmen ist die Staatsschuldenquote angewachsen. Für deren Rückführung auf ein niedrigeres Niveau darf nicht an der falschen Stelle gespart werden. Die vor uns liegenden Transformationen und die Abwendung einer Klimakrise benötigen entsprechende Investitionen. Umfangreiche Sparpotenziale, die zudem auf die Transformation einzahlen bestehen hingegen beim Abbau umweltschädlicher Subventionen.
Mit Mut, Innovationskraft und der mittel- und langfristigen Zukunft im Blick, so der Geschäftsführer des Öko-Instituts Jan Peter Schemmel, könnten die deutsche Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft gestärkt aus der Coronakrise herausgehen.
Jan Peter Schemmel ist Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts. Mandy Schoßig leitet die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Öko-Institut am Standort Berlin.
Weitere Informationen
Abschlussbericht „Zukunftsfähige Konjunkturimpulse zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise“ (gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt)
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Diskussionspapier "Impulse für ein nachhaltiges Konjunkturpaket im Kontext der Covid-19 Pandemie"
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DBU und Öko-Institut haben in einem #DBUdigital Online-Salon das Konjunkturpaket der Bundesregierung einem ersten Nachhaltigkeitscheck unterzogen und eigene zukunftsfähige Konjunkturimpulse vorgestellt:
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Weitere Beiträge:
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Diskussionspapier „Neue Kaufanreize für Pkw“
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Podcast „Wie klimafreundlich ist das neue Konjunkturpaket?“
Interview mit Dr. Katja Schumacher bei detector.fm
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„Das Wechselspiel von Corona Krise, Recovery und Nachhaltigkeitstransformation“
Vortrag von Jan Peter Schemmel bei der Mitgliederversammlung 2020 des Öko-Instituts.
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