Das Sterben der Stieleiche im Auwald
Auwälder sind die artenreichsten Waldbiotope Europas. Als Auen bezeichnet man den bei Hochwasser überfluteten Uferbereich von Flüssen. Diese Bereiche sind von Natur aus bewaldet und reine Laubwälder. Besorgniserregend ist deshalb die Erkenntnis, dass sich die Stieleiche, eine natürliche Hauptbaumart von Auenwäldern scheinbar nicht mehr natürlich verjüngen kann. Verjüngung von Bäumen bedeutet, dass diese Samen bilden und abwerfen, bei der Eiche Eicheln, diese keimen und neue Eichen wachsen.
Wissenschaftliche Beobachtungen zeigen jedoch, dass die meisten jungen Eichen im Alter von ein bis zwei Jahren aus unbekannten Gründen absterben und so keine folgende Eichengeneration nachwächst. Das Verschwinden von Stieleichen in Auwäldern würde den ökologischen Charakter dieses besonders artenreichen Habitats stark verändern. Im folgenden Blogeintrag werden Hypothesen vorgestellt warum die Stieleiche sich nicht verjüngt und was in der forstlichen Praxis dagegen getan werden kann. [caption id="attachment_1730" align="alignleft" width="571"] Eichenwald © www.pxhere.com[/caption]
Ökologische Bedeutung der Aue und der Stieleiche
Menschen nutzen Auen seit Jahrhunderten für verschiedene Zwecke, wobei insbesondere die Nutzung der letzten 150 Jahren die Auen stark verändert hat. Durch die Umwandlung von Auwäldern in landwirtschaftliche Flächen, die Begradigung der Flüsse und die Ansiedlung von Industrie an diese, sind die Auwälder stark zurückgegangen und haben ihren natürlichen Charakter weitgehend verloren. Der Wasserhaushalt in mitteleuropäischen Wäldern wird normalerweise überwiegend von Niederschlägen während der Vegetationsperiode beeinflusst. Auwälder an größeren Flüssen stellen hier eine seltenen Ausnahme dar, da das Überflutungsregime hier die Dynamik der Niederschläge überlagert. Grund- und Flusswasserstände sind starken Schwankungen unterworfen. Überflutungen und Trockenstress können sich in einer Vegetationsperiode mehrmals abwechseln, was Wachstum und Zusammensetzung der Gehölzflora erheblich beeinflusst. Das Wasserregime ist also von herausragender Bedeutung für die natürliche Zusammensetzung von Vegetationsgesellschaften und letztlich der Zonierung von Wäldern entlang von Flüssen. Standörtlich zeichnen sich Auenwälder durch eine hohe Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit aus und sind generell sehr fruchtbare Standorte. Dies ist auch der Grund warum so viele bewaldete Auenstandorte in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt worden sind. Auwälder sind von Natur aus reine Laubwälder und gelten als artenreichstes Waldbiotop Europas. Vom Ufer ausgehend werden Auen in verschiedene Zonen unterteilt, welche aufgrund hoher oder niedriger Wasserstände ständig quellen oder schrumpfen. Die Hartholzaue, der Teil der Aue, wo die Stieleiche natürlich vorkommt, bildet sich in dem Teil der Aue, welche nur gelegentlich überflutet wird. Stieleichen (und Eichen allgemein) sind in westeuropäischen Wäldern wichtige Träger der Artenvielfalt und leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Sie beherbergen nicht nur sehr viele Insektenartenarten, sondern auch zahlreiche Pilze und Flechten. Von allen heimischen Baumarten ist die Eiche, mit über 1000 beherbergten Arten, die artenreichste. Wenn die Stieleiche aus mitteleuropäischen Auwäldern verschwinden würde, würde dies auch für viele andere Arten, welche auf Eichen spezialisiert sind, das Aus bedeuten und Auwälder dadurch insgesamt stark an Biodiversität verlieren. Dies gilt in besonderem Maße für die Hartholzaue, da diese drei natürliche Baumarten, nämlich Ulme, Eiche und Esche, beherbergt, von denen die Ulme aufgrund des Ulmensterbens im letzten Jahrhundert fast ausgestorben ist und seit ungefähr 15 Jahren sind Eschen flächig vom Eschentriebsterben befallen sind, was bedeutet, dass diese beiden Arten forstlich keine Perspektive mehr haben und die Stieleiche als letzte verbleibende vitale Charakterart der Hartholzaue nun besonders unter ‚Zugzwang‘ steht. Deswegen ist eine erfolgreiche Verjüngung von Stieleichen im Auwald von großem forstwirtschaftlichem und naturschutzkundlichem Interesse.
Schematischer Querschnitt durch eine Aue
[caption id="attachment_1731" align="aligncenter" width="656"] Quelle: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. In ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Heinz Ellenberg, Christoph Leuschner, Stuttgart 2010[/caption] Wichtige Faktoren für die Eichenverjüngung im Auwald
Um den ökologisch wertvollen Lebensraum der Hartholzaue zu erhalten, ist es wichtig, erfolgreiche und zuverlässige Verjüngungsverfahren für die Stieleiche zu entwickeln. Generell ist zwischen der Verjüngung der Stieleiche innerhalb und außerhalb der Überflutungsaue zu unterscheiden. Außerhalb von Auwäldern gibt es zuverlässige und gängige Verjüngungsverfahren und insgesamt nimmt der Anteil an Eichen in deutschen Wäldern momentan wieder zu. Die Untersuchungen beschränken sich daher auf Auwälder. Erfolgreiche Verjüngungsversuche außerhalb der Aue können nicht auf die Aue übertragen werden, da Auenwälder größtenteils sehr gut nährstoff- und wasserversorgt sind was die Konkurrenzsituation für die Stieleiche negativ beeinflusst. Außerdem führen die Sedimentation, Erosion und Überflutungen zu kleinflächigen Standortsunterschieden, welche die Stieleiche zusätzlich benachteiligen. Wissenschaftliche Beobachtungen haben gezeigt, dass kein Umweltfaktor alleinig ausschlaggebend für das Ausbleiben von Stieleichenverjüngung in der Hartholzaue ist. Es ist also zu bilanzieren, dass aufgrund der Summe von Umweltfaktoren wie der nachhaltigen Störung natürlicher Überflutungs- und Sedimentierungsregime, Eichelprädation und Wildverbiss, Wasser- und Lichtstress, sowie Konkurrenzdruck durch Begleitvegetation eine natürliche Verjüngung von Stieleichen in der mitteleuropäischen Hartholzaue nicht möglich ist. Das gleiche gilt auch für eine künstliche Verjüngung durch Saat. [caption id="attachment_1728" align="alignright" width="600"] Mitterwasser Auwald © Siegfried J.K. Grammer[/caption]
Künstliche Verjüngung durch Pflanzung
Praxisversuche haben allerdings gezeigt, dass eine künstliche Verjüngung von Stieleichen in Hartholzauen durch in Nestern gepflanzte Heisterpflanzen, erfolgreich verlaufen kann. Heisterpflanzen unterscheiden sich insofern von normalen Eichensämlingen, da diese bei der Pflanzung schon 1,5 bis 2,5 Meter hoch sind, wodurch Konkurrenzvegetation durch einen engen Pflanzverband innerhalb einer Nesterpflanzung zurückgedrängt werden kann. Da Überschirmung und der Einfluss von Hochwässern ein zügiges Höhenwachstum allerdings stören und/oder verhindern kann, sind Heister für eine Kunstverjüngung in der Überflutungsaue insofern besser geeignet als andere Sortimente, da diese aufgrund ihrer Größe weniger anfällig gegenüber mechanischen Einflüssen von Hochwassern und dem Konkurrenzdruck durch Begleitvegetation sind. Entscheidend ist außerdem ein erfolgreiches Anwachsen vor dem ersten Überflutungsereignis. Zwischenständige Bäume oder Sträucher sind zu entfernen. Generell ist ein zu hohes Lichtangebot einem zu niedrigen vorzuziehen. Begleitvegetation muss ein bis zwei Mal im Jahr entfernt werden. Die Verjüngungsfläche muss außerdem unbedingt gezäunt sein. Eine nachhaltige Erhöhung des Stieleichenanteils in der Hartholzaue kann nur unter immensem finanziellem und pflegerischem Aufwand erfolgen. Es empfiehlt sich eine extensive forstliche Bewirtschaftung der Hartholzaue und eine begrenzte Einbringung von Stieleichen durch Pflanzung.
Wir fassen zusammen
Der gegenwärtige Zustand der mitteleuropäischen Auenwälder ist sowohl aus naturschutzfachlicher als auch aus forstwirtschaftlicher Sicht als kritisch einzustufen. Durch die Änderung der hydrologischen Verhältnisse und starke forstwirtschaftliche Eingriffe, hat der Mensch die natürliche Struktur der Auenwälder stark verfälscht. So hat der Anteil an ehemals dominanten Baumarten, wie Stieleiche und Ulme abgenommen, und der weniger überflutungstoleranter Baumarten wie Esche und Bergahorn, sowie fremdländischer Gehölzarten, zugenommen. Durch Naturverjüngung oder Saat lässt sich die Stieleiche in der Überflutungsaue nicht verjüngen. Eine erfolgreiche Verjüngung ist nur mittels Pflanzung von Heistern in sogenannten Nestern möglich, wobei der Erfolg der Pflanzung maßgeblich von der Hochwassersituation im Jahr der Pflanzung abhängt und das beschriebene Verfahren teuer und aufwendig ist und keinesfalls eine erfolgreiche Verjüngung garantiert.
Zum Autor
Daniel Kocher studiert in Freiburg im Master Forstwissenschaften und hat während seines Praktikums beim Öko-Institut e.V. eine Arbeit über die Verjüngung von Stieleichen im mitteleuropäischen Auwald erstellt.
Dazu passt:
"Der Wald: Biodiversität und Klimaschutz" - das Schwerpunktthema in der März-Ausgabe der eco@work
Das Onlinemagazin des Öko-Instituts informiert viermal im Jahr über den Stand der Forschung an den Standorten Freiburg, Berlin und Darmstadt.
"Erosion of European sustainability requirements for bioenergy" - Extending the European Union’s Renewable Energy Directive (RED) on solid and gaseous biomass is being used to roll back sustainability requirements. This is the wrong path, say Dr. Klaus Hennenberg and colleagues, in their recent article in Nature Ecology and Evolution.