„Das Ziel muss ein hochwertiges Recycling sein“
Das Recycling von Kunststoffen ist in Deutschland noch ausbaufähig, hohe Mengen werden zur Energiegewinnung verbrannt. Wie Plastik besser in einem Wertstoffkreislauf erhalten bleiben kann, welche Chancen es für den Einsatz von Kunststoffrezyklaten gibt und wie Schadstoffe im Plastik das Recycling behindern können, darüber spricht Dr. Franziska Krüger, Wissenschaftlerin am Umweltbundesamt (UBA), im Interview.
Frau Dr. Krüger, das Recycling von Kunststoffen stagniert. Warum ist das so?
[caption id="attachment_3728" align="alignright" width="370"] Dr. Franziska Krüger vom Umweltbundesamt[/caption]
Zum einen ist das Recycling von Kunststoffen aufgrund der enormen Kunststoffvielfalt nicht einfach. Und zum anderen braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, damit das Kunststoffrecycling sich gut entwickeln kann. So gab es zum Beispiel lange Zeit Unsicherheit über die Frage, ob eine bundesweit einheitliche Wertstofftonne eingeführt werden würde – und in so einer Situation der Planungsunsicherheit investieren Unternehmen dann lieber nicht. Die Recyclingvorgaben für Kunststoffverpackungsabfälle waren bis zum Inkrafttreten des neuen Verpackungsgesetzes lange Zeit nicht mehr ambitioniert genug und konnten leicht übererfüllt werden. Darüber hinaus haben wir konsequente Recyclingvorgaben für Kunststoffe nur bei den Verpackungsabfällen, die bei uns privaten Endverbrauchern und Endverbraucherinnen anfallen, nicht aber bei anderen Produkten aus Plastik.
Was heißt das konkret?
Es gibt zum Beispiel bei Elektroaltgeräten oder Fahrzeugen – in denen ja auch viele Kunststoffe stecken – durchaus Recyclingvorgaben. Diese beziehen sich aber unspezifisch auf die Gesamtmasse der Altprodukte, nicht auf einzelne Materialien. Und so können die Quoten hier bereits zu einem relevanten Anteil durch das Recycling von Metallen oder Glas erreicht werden, während ein großer Teil der Kunststoffe noch nicht zurückgewonnen wird.
Wie kann es gelingen, Plastik besser im Kreislauf zu behalten?
Wir müssen den gesamten Lebensweg von Produkten berücksichtigen, also schon beim Design über das Thema Plastikvermeidung und Plastikrecycling nachdenken. Gleichzeitig braucht es eine bessere Sammlung und Sortierung von Kunststoffen, damit diese auch besser recycelt werden können, und optimierte Recyclingverfahren. In vielen Bereichen findet bislang keine oder nur wenig Verwertung statt. So gäbe es zum Beispiel beim Sperrmüll noch großes Potenzial. Am Ende müssen die Rezyklate natürlich auch nachgefragt und bei der Herstellung neuer Produkte eingesetzt werden. Alle relevanten Akteurinnen und Akteure sollten das Thema gemeinsam vorantreiben, sich untereinander verständigen – Politik und produzierende Unternehmen genauso wie Handel und Recyclingwirtschaft.
Was verstehen Sie unter hochwertigem werkstofflichem Recycling?
Ziel muss ein hochwertiges Recycling sein, dass also der recycelte Kunststoff Primärkunststoff ersetzt und bestenfalls sogar im selben Anwendungsbereich zum Einsatz kommt, aus dem er stammt. Im Moment stürzen sich viele Unternehmen auf PET-Rezyklat aus dem Einwegflaschen-Pfandsystem. Dieses stammt aus einer getrennten Erfassung, ist in hoher Qualität verfügbar und kann auch wieder in Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen. Aber wenn alle diese PET-Rezyklate auch zum Einsatz in Nichtlebensmittelbereichen wollen, werden davon keine ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Rezyklate aus dem Lebensmittelbereich sollten, soweit möglich, auch wieder in diesen zurückgehen. Wichtig ist es, für andere Branchen auch andere Kunststoffe zu recyceln.
Warum wird in Deutschland nach wie vor so viel Plastik für die Energiegewinnung verbrannt oder anders gesagt: energetisch verwertet?
Abfall nimmt immer den preiswertesten Weg – und das war eben lange Zeit die energetische Verwertung. Aber es gibt auch andere Ursachen, so zum Beispiel die unzureichende Getrennterfassung oder eine fehlende werkstoffliche Recyclingfähigkeit, wenn Produkte aus Verbunden verschiedener Materialen bestehen, etwa aus Kunststoffen und Metallen oder verschiedenen Kunststoffen. Aber selbst bei Produkten aus einer einzigen, eigentlich recyclingfähigen Kunststoffsorte können Gestaltungsmerkmale zu Recyclingunverträglichkeiten führen. Im Verpackungsbereich sind das zum Beispiel bestimmte rußbasierte Farbpigmente oder nicht ablösbare nassfeste Etiketten. So werden noch immer zu viele Kunststoffe verbrannt, die eigentlich besser recycelt werden sollten. Aber es wird die energetische Verwertung auch in einer gut funktionierenden Kreislaufwirtschaft immer geben müssen, weil es nie möglich sein wird, alles zu recyceln. Etwa, wenn bestimmte Schadstoffe in den Kunststoffen stecken, die ausgeschleust werden müssen.
Inwiefern können Schadstoffe im Plastik einem effizienten Recycling im Wege stehen?
Hier gibt es Zielkonflikte. Recycling bedeutet Ressourcenschutz und die Ausschleusung von Schadstoffen Gesundheits- und Umweltschutz. Leider passen das Chemikalien-Produktrecht und das Abfallrecht nicht so richtig zusammen. Schadstoffe sollen möglichst nicht eingesetzt, aber es soll so viel wie möglich recycelt werden. Aus meiner Sicht muss man sich das Gefährdungspotenzial immer im Einzelfall anschauen. Wenn es einen geschlossenen Kreislauf gibt, der keine Gefährdung für Menschen und Umwelt bedeutet, sollte dieser auch beibehalten werden.
Wäre es sinnvoll, die Materialvielfalt bei Kunststoffen zu begrenzen, damit es mehr sortenreine und damit besser verwertbare Kunststoffabfälle gibt?
Wenn überhaupt müsste so etwas auf internationaler Ebene passieren, denn wir haben ja einen internationalen Warenverkehr. Aber welche Kunststoffe sollte man da verbieten? Welche braucht man und welche nicht? Ich denke, es wäre sinnvoller, Anreize für die Hersteller zu setzen. So macht es ja zum Beispiel auch das Umweltzeichen Der Blaue Engel. Ein Kriterium für Computer und Tastaturen ist zum Beispiel, dass für Kunststoffteile mit einer Masse von über 25 Gramm nicht mehr als vier verschiedene Kunststoffe eingesetzt werden dürfen. Und auch das neue Verpackungsgesetz gibt mit dem § 21 vor, dass über die Gestaltung der Beteiligungsentgelte durch die dualen Systeme unter anderem Anreize für eine recyclingfähige Verpackungsgestaltung gesetzt werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christiane Weihe.
Dr. Franziska Krüger arbeitet seit Ende 2009 für das Umweltbundesamt (UBA). Im Fachgebiet Produktverantwortung widmet sich die Wissenschaftliche Mitarbeiterin unter anderem dem Kunststoffrecycling, dem Einsatz von Kunststoffrecyclat in Neuprodukten sowie der kunststoffverarbeitenden Industrie.
Weitere Informationen
4-teilige Blogreihe "#plastikfrei leben" im Blog des Öko-Instituts
Themenseite „Kunststoffabfälle“ auf der Website des Umweltbundesamtes