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„Ich scheitere lieber am System als etwas zu machen, das ich nicht sinnvoll finde“

Wie man heute einen Hof gründen kann und welche Schwierigkeiten es in der Landwirtschaft gibt, hat Gesine Langlotz im Gespräch mit der eco@work erzählt.
Gesine Langlotz

Wer heute in die Landwirtschaft will, aber nicht aus einer Familie von Bäuer*innen stammt, braucht eine hohe Motivation, einen starken Willen – und viel Geld. Motivation und Wille sind bei Gesine Langlotz vorhanden. „Landwirtschaftliche Arbeit ist grundsätzlich sinnvoll. Denn sie produziert Nahrung“, sagt sie. „Gleichzeitig spricht sie viel in mir als Person an. Ich kann mit dem Kopf und mit den Händen arbeiten, bin dem Wetter ausgesetzt und muss mit ihm klarkommen.“ Da Langlotz keinen Hof erben wird, muss sie einen alternativen Weg in die Landwirtschaft suchen. Und der ist kostspielig. „Es gibt sehr wenige Flächen auf dem Markt, aber sie sind teuer und es gibt immer kapitalstärkere Menschen und Firmen als mich. Einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft zu begründen kostet 650.000 bis zu 720.000 Euro, dafür braucht man extrem viel Eigenkapital.“ Kleine Landwirtschaftsbetriebe könnten daher kaum erwirtschaften, was der Boden kostet. „Das kann ich von der Fläche in meinem ganzen Leben nicht wieder reinholen. Global gesehen sind es dabei laut dem Weltagrarbericht gerade die kleinen Betriebe, die die Welt ernähren.“ Gesine Langlotz hat es 2021 trotzdem gewagt und gemeinsam mit anderen einen Hof gegründet. „Leider ist das an zwischenmenschlichen Fragen gescheitert.“ Trotzdem versucht sie weiter, ihren Weg zu einem eigenen Hof und Betrieb zu finden. „Ich scheitere lieber am System, als etwas zu machen, das ich nicht sinnvoll finde.“

Ohne Kapital kein Land?

Doch die Voraussetzungen sind schwierig für die junge Landwirtin, denn die Bodenpreise steigen kontinuierlich. „Boden wird zum Spekulationsobjekt. Gleichzeitig gibt es eine starke Konzentrationsbewegung. Ein Drittel der Flächen in Ostdeutschland gehört inzwischen zudem außerlandwirtschaftlichen Investoren. Sie betreiben meist eine industriellere Landwirtschaft, um möglichst viel aus dem Boden herauszuholen.“ Es gebe aber bei Weitem noch nicht genug Wissen über die Eigentumsstrukturen. „Wir brauchen eine transparente Datenbank, die genau zeigt, wie das Land in Deutschland verteilt ist – lokal, regional und bundesweit, zum Beispiel für sinnvolle Agrarstrukturgesetze, die einen Ausverkauf an Investoren aufhalten. „Wissenschaft und Politik müssen dringend diese Datenbanken erarbeiten und frei zur Verfügung stellen. Damit lassen sich viele progressive Bodenpolitikinstrumente besser umsetzen“, sagt Langlotz.

Wie können Neu-Landwirt*innen vor diesem Hintergrund überhaupt einen Betrieb gründen – und davon auch leben? „Es bräuchte eine weitaus stabile Existenzförderung für Bäuer*innen, so wie das mit urbanen Start-ups ja auch geschehen ist“, sagt Langlotz, „Notwendig wäre zudem ein anständiger Mindestlohn für alle in der Landwirtschaft Beschäftigten, auch die Saisonarbeiter*innen.“

Gemeinwohlorientierte Landwirtschaft

Einen weiteren Weg sieht Gesine Langlotz, die auch eine Ausbildung zur Baumwartin durchlaufen hat, in der langfristigen Verpachtung von öffentlichem Land an Menschen, die gute Ideen haben, meist werde nach Gewohnheit oder an jene mit dem meisten Kapital verpachtet. „Bund, Länder, Kommunen und die Kirche sollten ihre Flächen gemeinwohlorientiert verpachten. Also nicht an die Meistbietenden, sondern an jene, die die höchste Bewirtschaftungsqualität gewährleisten. Hierfür braucht es natürlich transparente Bewerbungsverfahren und klare Kriterien für die Vergabe – so etwa mit Blick auf das Tierwohl, auf gute Arbeitsplätze und einen Fokus auf Biodiversität. „So könnten neue Betriebe entstehen und innovative Ideen einen Platz finden, so könnten ökologisch und nachhaltig wirtschaftende Landwirt*innen zum Zuge kommen und konventionelle Betriebe haben auch eine Chance, weil das Schwarz-Weiß-Denken „Bio vs. Konvi“ durch eine Vielzahl an Kriterien aufgehoben wird.“ Erste Beispiele für eine solche gemeinwohlorientierte Landwirtschaft gibt es schon, so im thüringischen Erfurt oder brandenburgischen Kyritz. „Bislang funktioniert das recht gut. Der Punktekatalog zur gemeinwohlorientierten Verpachtung ist extra darauf ausgelegt, das die Parameter gut von den Behörden umgesetzt werden können.“

Alte Flächen, neue Besitzer*innen?

Auch die Ampelregierung will die Privatisierung von öffentlichem Ackerland aufhalten. Eine Kontroverse gibt es derzeit jedoch um das Land der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR. Diese Flächen gingen zunächst an die Treuhand über und wurden schließlich durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) privatisiert. „Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung war vereinbart, dass diese Flächen nachhaltig und ökologisch verpachtet werden sollen, dies wird aber leider derzeit von den Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt blockiert.“

Ein wichtiger Hebel, um Landwirt*innen mit wenig Land zu fördern und die Flächenkonzentration aufzuhalten ist für Gesine Langlotz, die auch im Beirat der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland tätig ist, zudem eine Änderung der EU-Agrarsubventionen. „Diese werden derzeit zum größten Teil über die Fläche ausgeschüttet – wer viel besitzt, bekommt viel. Das zieht auch viele außerlandwirtschaftliche Investoren auf die Agrarflächen, was wiederum die Kauf- und Pachtpreise steigen lässt. Auch die Agrarsubventionen sollten sich nach einem gemeinwohlorientierten Konzept ausrichten, das eine gute Landwirtschaft fördert.“ Zusätzlich fordert die junge Landwirtin, die Vererbbarkeit von Land in Frage zu stellen. „Dänemark ist hier einen wichtigen Schritt gegangen, um den Ausverkauf von Boden aufzuhalten – wer Land kaufen und erben will, muss es auch selbst bewirtschaften.“

Der Boden, der uns ernährt

Und was ist das überhaupt, gute Landwirtschaft? Eine, die nicht nur auf Produktionsweise, sondern ebenso auf die Reproduktionsweise achtet, sagt Langlotz. Die sich um die Umwelt kümmert, das Klima nicht belastet, Böden schützt. „Es geht darum, Böden, Pflanzen und Menschen nicht auszubeuten, sondern das, wovon wir leben, zu erhalten.“ Denn der Boden ist die Grundlage für so vieles – so für die Produktion von Lebensmitteln oder von Energiepflanzen. „Wir sind vom Boden abhängig. Deshalb sollte die Gesellschaft ein Interesse daran haben, die Kontrolle über ihn zu behalten.“ Landwirtschaft müsse zudem wieder stärker ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken. Es sei wichtig, bäuerlichen Stimmen zuzuhören und diese zu berücksichtigen. „Es wäre leichtsinnig, diese zu ignorieren, denn wir brauchen sie. Doch viele Bäuer*innen sind schon lange am Ende ihrer Kräfte.“

Gesine Langlotz hat Umweltbildung studiert. Sie besitzt zudem einen Abschluss als Baumwartin und ist als Ausbilderin an einer Obstbaumschnittschule tätig. Im Jahr 2021 gründete sie darüber hinaus in Ostthüringen mit anderen jungen Gärtner*innen einen eigenen Hof, den sie 2023 wieder aufgeben musste. Darüber hinaus engagiert sich Langlotz in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland. Der Fokus ihres Engagements liegt unter anderem auf den Themen Bodenpolitik und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und Existenzgründung. Mit dem Konzeptwerk Neue Ökonomie veröffentlichte sie 2023 das Dossier „Gerechte Bodenpolitik“, in dem realpolitische Instrumente für eine sukzessive Bodenmarktreform für Verteilungsgerechtigkeit von Agrarflächen vorgestellt werden. Gemeinsam mit der Landwirtin Dorothee Sterz hat die Landwirtin und Aktivistin außerdem die Online-Petition „Vertragsbruch: Stoppe Lindner beim Ausverkauf öffentlichen Eigentums“ gegen den Bundesfinanzminister gestartet. Diese fordert den im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vorgesehenen Privatisierungsstopp und eine vorrangige Vergabe von Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), der Treuhandnachfolgeorganisation für landwirtschaftliche Flächen, an Landwirt*innen, die nachhaltig wirtschaften.

Weitere Informationen

Publikation „Gerechte Bodenpolitik“, erschienen beim konzeptwerk neue ökonomie

Artikel „Ackerland gerecht verteilen!“ in der Zeitschrift Luxemburg

Artikel „Landwirtinnen aus Ostdeutschland starten Petition: Lindner-Intervention gegen eine gemeinwohlorientierte Verpachtung der BVVG-Flächen stoppen“ im Magazin Unabhängige Bauernstimme