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„Der globale Süden kann von Kohlenstoffmärkten profitieren“

Dass sie bei Kohlenstoffmärkten gelandet ist, war eher „ein Unfall“, wie sie sagt. Nach ihrem Master suchte Kristin Qui nach einer Stelle in der internationalen Diplomatie, aber auch eine, die sich mit nachhaltiger Entwicklung beschäftigt.

Spezielle Herausforderungen in Ländern des Globalen Südens

 „Ich komme aus Trinidad und Tobago. Wir spüren den Klimawandel hier bereits sehr stark – das hat meine Berufswahl beeinflusst.“ Sie begann ein Fellowship beim Environmental Defense Fund, das sich den Herausforderungen des Klimawandels im Luftverkehr widmete. „Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, welch große Rolle der Luftverkehr hier spielt. Ich fing sofort Feuer, denn ich komme von einer Insel, die auf den Flugverkehr angewiesen ist.“

Kohlenstoffmärkte, international.

Inzwischen arbeitet Kristin Qui als Climate Diplomacy Advisor bei Climate Analytics Caribbean. Hier beschäftigt sie sich mit der Frage, wie Kohlenstoffmärkte zusätzliche Ambitionen bei der Emissionsminderung und mehr Unterstützung für die Anpassung an den Klimawandel fördern sowie zur Nachhaltigkeit beitragen können – insbesondere vor dem Hintergrund der internationalen Klimaverhandlungen. Nach Artikel 6 des Übereinkommens von Paris sollen Grundlagen für neue Kohlenstoffmärkte gelegt werden. Er gibt den Vertragsstaaten auch die Möglichkeit, ihre Emissionen weiter zu mindern und einen Beitrag dazu zu leisten, dass das 1,5 Grad-Ziel in Reichweite bleibt – dafür braucht es jedoch zwischenstaatliche Kooperationen.

 

Hierfür ist ein verbindliches, regulatives System nötig, das Umweltintegrität vorsieht. So braucht es etwa klare Regelungen und Mechanismen dafür, wie etwa Emissionsminderungen in einem Land auf die nationalen Klimaziele eines anderen Landes angerechnet werden können und wie dies überprüft und nachverfolgt werden kann, um eine Doppelzählung zu vermeiden.
Kristin Qui

Ein erklärtes Ziel von Artikel 6 ist es auch, Anreize für den Privatsektor zu setzen, sich an entsprechenden Aktivitäten zu beteiligen. „Darüber hinaus widmen wir uns nicht-marktbasierten Ansätzen, dafür wird derzeit ein Rahmenwerk erarbeitet“, erklärt die Expertin. „Hierbei geht es auch darum, das Know-how über entsprechende Klimaschutzmaßnahmen und verfügbare Technologien zu teilen.“ Derzeit wird an einer Plattform gearbeitet, über die sich Länder austauschen und ihr Wissen teilen können. „Wir sehen schon heute viele interessante Ansätze, die einen messbaren Impact haben.“

Nutzen für alle?

Kohlenstoffmärkte können für Länder des globalen Südens Vorteile mit sich bringen, sollten aber nicht als Greenwashing-Instrument genutzt werden, sagt Kristin Qui. „Natürlich ist es eine Herausforderung, Emissionsminderungen zu berücksichtigen, die auf lokaler Ebene erzielt werden, aber nicht auf nationale Minderungsziele angerechnet werden können. Aber wenn Länder auf dem besten Weg sind, ihre Klimaziele zu erreichen oder sie bereits erreicht haben, dann können sie davon profitieren. Es ist wesentlich, darauf vertrauen zu können, dass die Aktivitäten zu echten und zusätzlichen Emissionssenkungen führen.“ Darüber hinaus kann der Transfer von Wissen und Technologien durch Klimaschutzprojekte einen positiven Einfluss auf den Klimaschutz im globalen Süden haben. „Solche Projekte können zudem einen höheren Anteil erneuerbarer Energien schaffen, den Anteil der Fossilen reduzieren, gegen Volatilität beim Energiepreis schützen, einen Zugang zu Energie für die Bevölkerung und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Klimaschutzes in ihrem Land schaffen. Die Projekte können so zu einer nachhaltigen sozialen, ökologischen und ökonomischen Entwicklung beitragen.“ Gleichzeitig zwinge es die Regierungen, den Klimaschutz institutionell zu regeln. „Dies wurde wegen der geringen Kapazitäten in der Vergangenheit oft vernachlässigt, nun wird es aber unabdingbar. Und das kann auch bei weiteren Politiken helfen.“

Eine große Herausforderung von Klimaschutzprojekten in Ländern des globalen Südens sieht die Expertin von Climate Analytics Caribbean hingegen darin, dass die ausführenden Akteur*innen sich mit den Gegebenheiten vor Ort oft nicht ausreichend auskennen. „Wenn man die Herausforderungen in diesen Ländern nicht versteht, wenn man sich nicht mit den sozioökonomischen, gesetzlichen oder institutionellen Rahmenbedingungen befasst, kann man kein nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Projekt aufbauen.“ Dies kann nur dann gelingen, sagt Kristin Qui, wenn in die Projektentwicklung Expert*innen eingebunden sind, die „die Realität in diesen Ländern begreifen. Dazu gehört es unter anderem auch, das politische System zu verstehen – auf nationaler ebenso wie auf lokaler Ebene. Dies zu vermitteln, braucht natürlich Zeit und Geld und erhöht damit auch den Preis für die Zertifikate.“ Zusätzlich brauche es in den Projektländern einen institutionellen Rahmen, der die Emissionsminderung richtig verbucht. „Es muss nachgehalten werden, welche Reduzierungen von den Projekten kommen und wem sie zugeschrieben werden. Trinidad und Tobago arbeitet derzeit an einem Rahmenwerk für Kohlenstoffmärkte.“

Klimaschutz, sozial verträglich.

Auch Länder wie Trinidad und Tobago können es aus Sicht von Kristin Qui mit mehr internationaler Unterstützung durchaus noch besser machen. „Der Klimaschutz ist hier allerdings nicht so einfach, da wir sehr von Öl und Gas abhängig sind“, sagt sie. Und fügt noch hinzu: „Bei allem, was wir tun, ist es zudem wichtig, die Menschen mitzunehmen und die notwendigen Anpassungen, die der Klimaschutz mit sich bringt, sozial verträglich zu gestalten.“

Kristin Qui erwarb ihren Abschluss in Umweltwissenschaften an der St. John’s Universität (New York) Summa Cum Laude, ihren Master machte sie in Umweltmanagement, internationaler Klimapolitik und nachhaltiger Entwicklung an der Yale Universität. Nach Abschluss ihres Studiums trat sie ein Fellowship zum Thema Diversität in internationalen Kohlenstoffmärkten beim Environmental Defense Fund (EDF) an, anschließend war sie dort in die Projekt- und Forschungsarbeit eingebunden. Ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit beim EDF war die Entwicklung eines Programms zur Reduzierung und Kompensationen von Treibhausgasemissionen für den internationalen Luftverkehr. Seit 2019 arbeitet Kristin Qui als Climate Diplomacy Advisor bei Climate Analytics. Sie ist darüber hinaus in die internationalen Klimaverhandlungen eingebunden. Ihr Fokus liegt dabei auf den Kleinen Inselentwicklungsländern (Small Island Developing States, SIDS). Derzeit widmet sie sich auch der Umsetzung des Klimaübereinkommens von Paris, insbesondere mit Blick auf Artikel 6 (Grundlagen für neue Kohlenstoffmärkte). Sie war erste Vorsitzende des Artikel 6.4-Aufsichtsgremiums. Kristin Qui lebt und arbeitet in Trinidad und Tobago.

Weitere Informationen

Profil von Kristin Qui in der eco@work Ausgabe 02/2024

Artikel auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: Internationale Klimaschutzpolitik. Global handeln für mehr Klimaschutz

Artikel auf der Website Carbon Mechanisms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: Internationale Kooperation unter Artikel 6

Pressemitteilung von United Nations Climate Change: Article 6.4 Supervisory Body Kickstarts Work Anchoring Markets in Broader Paris Context

Themenseite auf der Website von United Nations Climate Change: NMA Platform

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