Spenden

Die EU langfristig mit Rohstoffen versorgen

Der Critical Raw Materials Act soll den Zugang der EU zu einer sicheren, erschwinglichen und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewährleisten. Ein Ergebnis soll sein, dass die EU weniger abhängig von Drittstaaten wird. Heute wird das Gesetz im Ausschuss des EU-Parlaments für Industrie, Forschung und Energie zur Abstimmung gestellt. Dr. Johannes Betz erklärt die positiven und negativen Punkte des Gesetzes.

Der Critical Raw Materials Act (CRMA) soll Quoten für den Abbau, die Weiterverarbeitung und das Recycling kritischer Rohstoffe innerhalb der Europäischen Union festlegen. Der Gesamtbedarf der EU gilt hierbei als Maßstab. Die Ziele richten sich am Jahr 2030 aus. Bis dahin sollen die kritischen Rohstoffe zu 10 Prozent aus eigenem Abbau kommen, zu 40 Prozent aus der Verarbeitung und neuerdings zu 25 Prozent aus dem Recycling. Außerdem soll 2030 nicht mehr als 65 Prozent des jährlichen Bedarfs aus einem einzigen Drittstaat für einen strategischen Rohstoff bezogen werden. So soll unter anderem die Abhängigkeit von einzelnen Ländern gesenkt werden.

Schwere Seltene Erden, wie Terbium und Dysprosium, die unter anderem für Elektromotoren gebraucht werden, erhält die EU zu 100 Prozent aus China.

Das Gesetz beinhaltet eine Liste mit 34 kritischen Rohstoffen, darunter sind 17 sogenannte strategische Rohstoffe. Dazu zählen Rohstoffe, die für die Elektromobilität zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien gebraucht werden, Rohstoffe, die notwendig sind für erneuerbare Energien und auch solche, die im elektronischen Bereich zum Beispiel für Chips gebraucht werden. Beispiele für strategische Rohstoffe sind Seltene Erden, aber auch Lithium und Kobalt.

Genehmigungen beschleunigen

Außerdem enthält der CRMA eine sogenannte Genehmigungsfiktion, durch die Anträge nach einer gewissen Zeit automatisch als genehmigt gelten sollen, falls bis dahin von der verantwortlichen Behörde keine umfassende Entscheidung getroffen wurde. Das soll die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen. Bisher dauern solche Verfahren teils über zehn Jahre, zukünftig sollen sie innerhalb von 27 Monaten für Bergbauprojekte entschieden sein, um die Zeit von der Entdeckung eines Rohstoffvorkommens bis zum Abbau zu verringern. Für Recycling- und Verarbeitungsanlagen soll die Frist sogar nur 15 Monate betragen. Gekürzt wird vor allem an den Einspruchsfristen der Öffentlichkeit, die 90 Tage nicht überschreiten darf, und den zeitlichen Spielräumen der nationalen Behörden, die in Zukunft als strategisch gewertete Vorhaben, unter anderem durch zu wenig Personal, nicht länger verzögern können. Nach Auffassung von Umweltverbänden werden durch eine verkürzte Umweltprüfung gegebenenfalls mögliche Umweltfolgen nicht erkannt, die sich später erheblich auswirken könnten.

Mögliche Probleme in Lieferketten sollen durch Stresstests alle drei Jahre frühzeitig erkannt werden. Diese sollen von Mitgliedsstaaten beziehungsweise von der Europäischen Kommission selbst durchgeführt werden. Große Unternehmen sollen verpflichtet werden, ihre eigenen Wertschöpfungsketten zu durchleuchten. Sie sollen ihre Handelsströme, die der Nachfrage und des Angebots, die Konzentration des Angebots und die Produktion und Produktionskapazitäten in der Union untersuchen und weltweit die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette. Zudem sollen die Mitgliedstaaten Reserven für einige kritische Rohstoffe vorhalten.

Soziale und ökologische Standards vernachlässigt

Eine Schwäche des CRMA liegt bei den sozialen und ökologischen Standards. Es werden zunächst keine konkreten Vorgaben für den internationalen Markt gemacht, sondern sich auf die Vorgaben verlassen, die parallel dazu in der EU-Lieferkettenrichtlinie (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive) erarbeitet werden. Diese können durch die Teilnahme an sogenannten „industry schemes“ erfüllt werden, die untereinander allerdings nicht gleichwertig sind. Nur starke Standards mit Multi-Stakeholder-Governance, transparenten und unabhängigen Audits in Form von Besuchen vor Ort und standortspezifischen Kontrollen, wie der Initiative for Responsible Mining Assurance (IRMA), sollten dafür in Frage kommen.

Die geplanten strategischen Partnerschaften mit anderen rohstoffreichen Nationen müssen auf Augenhöhe stattfinden. Dies beinhaltet, dass die Bevölkerung der Partnerländer vor Ort von der Partnerschaft profitieren muss und deren Lebensstandard nachhaltig verbessert wird. Leider werden die Rechte der indigenen Bevölkerung rohstoffreicher Staaten in dem Gesetz nicht benannt und deren Schutz so auch nicht langfristig durch diesen Gesetzesvorschlag vorangetrieben. Da die europäischen Umwelt- und Sozialstandards in diesen Ländern nicht gelten, könnte dies zum Export von Umweltbelastungen und sozialen Problemen führen. Dabei wird weiterhin ein großer Teil der Rohstoffe aus Ländern außerhalb der EU kommen müssen. Hier hätte sich die Chance geboten, auch in diesem Gesetz verantwortungsvolle Menschen- und Umweltschutz-Standards zu etablieren.

Ambitionierte Ziele

Insgesamt gesehen sind die gesteckten Zielwerte für eine höhere Resilienz der Wertschöpfungsketten sehr ambitioniert. Abgesehen von der maximalen Bezugsmenge aus einem einzigen Drittstaat gelten sie für alle strategischen Rohstoffe zusammen. Dadurch ist ein Umsteuern für gewisse Rohstoffe wichtiger und gibt einem als strategisch definierten Rohstoff wie Aluminium ein deutlich größeres Gewicht als den Seltenen Erden. Dennoch gibt es einen Rahmen vor und zeigt, wohin der Weg in Zukunft gehen soll. Um die Ziele zu erreichen, benötigt es einschneidende Maßnahmen. Diese sind allerdings noch kaum definiert beziehungsweise kein Teil des CRMA. Auch die finanziellen Mittel zur Erreichung der Ziele sind noch nicht ausdifferenziert.

Grundsätzlich ist die Zielsetzung zu begrüßen. Es dürfen allerdings keine negativen Umweltfolgen beim Bergbau in der EU entstehen. Dies muss bei der finalen Ausgestaltung und vor allem der Umsetzung durch die Kommission und die Mitgliedsländer unbedingt beachtet werden.

Dr. Johannes Betz arbeitet zu kritischen Rohstoffen und deren Versorgungssicherheit. Er ist Senior Researcher im Bereich „Ressourcen & Mobilität“ am Standort Darmstadt.

Weitere Informationen

https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/critical-raw-materials/

Blogbeitrag „EU-Batterieverordnung – ein Erfolg für die Circular Economy“

Studie zur Resilienz deutscher Wertschöpfungsketten für die grüne Transformation

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder