“Die Gestaltungsmöglichkeiten sind eingeschränkt“
In Bottrop-City sind die Herausforderungen des Klimaschutzes vermutlich andere als in Leipzig-Ost. Dennoch stehen alle deutschen Kommunen vor der Aufgabe, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Wo stehen Städte und Gemeinden beim Klimaschutz? Und wie können sie besser beim Klimaschutz unterstützt werden? Über diese Fragen haben wir mit Marianna Roscher gesprochen. Die Referatsleiterin Bauen, Wohnen, Klimaschutz und Klimaanpassung beim Deutschen Städte- und Gemeindebund erklärt auch, warum die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen oft eingeschränkt sind und welche Anpassungen der Förderbedingungen es bräuchte.
Frau Roscher, wo steht der kommunale Klimaschutz?
Das lässt sich so einfach nicht sagen, denn es gibt bundesweit ein sehr breites Feld an Kommunen mit unterschiedlichen Stärken und Herausforderungen. Die Städte und Gemeinden sind in verschiedenen Feldern unterschiedlich weit. Manche sind Vorreiter im Verkehr, andere bei der Gebäudesanierung, wieder andere machen schon eine Wärmeplanung. Es gibt tolle Beispiele, von denen wir lernen können. Da fällt mir zum Beispiel das energieautarke Dorf Feldheim in Brandenburg ein, das unter anderem über ein eigenes Strom- und Wärmenetz sowie einen Solarpark verfügt. Oder auch Bottrop-City, wo man mit einer sehr zielgerichteten Energieberatung auf Gebäudeeigentümer*innen zugegangen ist, die sich an den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten orientiert. Man muss aber ganz klar sagen: Nirgendwo ist der Klimaschutz generell abgeschlossen. Deswegen müssen wir uns einen guten Überblick der Handlungsfelder vor Ort verschaffen.
Welche sind das?
Bei vielen Aufgaben geht es einfach nicht schnell genug voran. Dabei kommt es zudem stark darauf an, wie viele finanzielle und personelle Ressourcen einer Kommune zur Verfügung stehen. Zusätzlich waren und sind viele Städte und Gemeinden noch stark mit anderen Aufgaben beschäftigt – etwa, die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern und Geflüchtete unterzubringen.
Sollte der Bund die Kommunen zum Klimaschutz verpflichten?
Es ist eine grundsätzliche Frage, wer für den Klimaschutz verantwortlich ist. Was muss der Staat leisten, was die Kommune, was müssen die Bürger*innen tun? Bislang fehlen da klare Vorgaben. Hier brauchen wir ein grundsätzliches Verständnis der Aufgabenverteilungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie entsprechender politischer Rahmenbedingungen.
Inwiefern?
In vielen Bereichen sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen etwa durch die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr eingeschränkt. Wenn die Verwaltung zum Beispiel ein Wasserschutzkonzept umsetzen möchte, braucht sie einen geringfügigen Zugriff auf Grundstücke – diesen zu ermöglichen, kann sehr schwierig und langwierig sein. Ähnliche Probleme kann es bei der kommunalen Wärmeplanung geben. Im Verkehrsbereich sind Städte und Gemeinden etwa durch die Straßenverkehrsordnung oft die Hände gebunden. Sie können in den meisten Fällen eigenständig noch nicht einmal eine Tempo-30-Zone festlegen.
Was sind die wichtigsten Instrumente für mehr kommunalen Klimaschutz?
Zu Beginn jene, die die höchsten Emissionseinsparungen bringen. Hier müssen wir auf den Gebäudebereich schauen, auch auf die kommunalen Liegenschaften. Die kommunale Wärmeplanung und die Sanierung spielen eine zentrale Rolle. Wichtig ist zusätzlich die Frage, wo die Kommunen den Klimaschutz überhaupt ausreichend beeinflussen können, was sich an den beschriebenen Zugriffsmöglichkeiten zeigt. Ein sehr zentraler Punkt ist sicher auch, Klimaschutzmanager*innen einzustellen.
Wofür werden diese am dringendsten gebraucht?
Für die Einwerbung von Fördermitteln. Wir bekommen immer wieder die Rückmeldung, dass es in den Städten und Gemeinden zu viele Kapazitäten in Anspruch nimmt, allein Fördermittel zu beantragen und abzurufen. Das bindet Personal, was vielfach ohnehin fehlt.
Wie können und sollten Kommunen beim Klimaschutz unterstützt werden?
Durch finanzielle Mittel von Bund und Ländern, zum einen. Laut einer Analyse des Forum for a New Economy von 2021 belaufen sich die öffentlichen Finanzbedarfe von Bund, Ländern und Kommunen für Klimainvestitionen bis 2030 auf 260 Milliarden Euro. Allein 170 Milliarden davon entfallen auf die notwendigen kommunalen Klimainvestitionen. Gleichzeitig müssen die Förderbedingungen vereinfacht werden, damit Maßnahmen schneller, effizienter und ergebnisorientierter umgesetzt werden können. So darf etwa die Auszahlung von Fördermitteln nicht daran scheitern, dass eine Rechnung im zweistelligen Bereich nicht vorgelegt werden kann. Hier braucht es einen besseren Ausgleich zwischen wertvollem Vertrauen und notwendiger Kontrolle. Sinnvoll wäre es aus unserer Sicht auch, die zeitliche Befristung der Förderung von Klimaschutzmanager*innen aufzuheben. Klimaschutz ist eine langfristige Aufgabe und es ist nicht besonders hilfreich, wenn hier ständig Know-how verloren geht – vor allem, wenn dies mitten in der Umsetzung von Projekten geschieht. Auch eine Experimentierklausel in den Förderrichtlinien könnte den Klimaschutz voranbringen, damit innovative Ansätze entstehen können. Auf Landesebene sollte es darüber hinaus deutlich mehr Schulungs- und Beratungsangebote geben, um den Kommunen dabei zu helfen, den Klimaschutz strukturiert anzugehen.
Und natürlich braucht der kommunale Klimaschutz die gute Zusammenarbeit mit den eigenen Bürger*innen. Wir alle müssen lernen, die Grenzen unserer Komfortzonen kritisch zu prüfen. Das kann beispielsweise im Hinblick auf verkehrsberuhigte Innenstädte gelten. Langfristig können wir hier viel Freiraum für andere Projekte gewinnen, denn nachhaltige Städte und Gemeinden sichern einen Mehrwert in der Lebensqualität. Es lohnt sich, hier langfristige Perspektiven zu eröffnen und einzunehmen.
Wie wichtig ist der Austausch zwischen den Kommunen?
Extrem wichtig. Von Netzwerken profitieren zum Beispiel jene Kommunen, die kein eigenes Klimaschutzmanagement haben – entweder, weil sie es sich nicht leisten können, oder, weil sie mit Blick auf den Fachkräftemangel einfach niemanden finden. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, wie hilfreich es für sie ist, auch mal mit der Nachbarkommune zu sprechen. Denn die steht wahrscheinlich vor sehr ähnlichen Herausforderungen.
Braucht es außerdem die Zusammenarbeit innerhalb der Kommune?
Auf jeden Fall. Sie kann sehr wertvoll sein – zum Beispiel bei der Einbindung von Bürger*innen über Klimaräte oder die Zusammenarbeit mit Handel und Industrie. Die Bauleitplanung leistet hier wichtige Arbeit sowie auch die informelle Information von Bürger/innen. Wenn alle Akteur*innen der Kommune ein gemeinsames Ziel haben, gelingt der Klimaschutz reibungsloser.
Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Christiane Weihe.
Marianna Roscher ist seit 2021 als Referatsleiterin für Bauen, Wohnen, Klimaschutz und Klimaanpassung beim Deutschen Städte- und Gemeindebund tätig. In ihren Verantwortungsbereich fallen die Themen Städtebaurecht, Stadtentwicklung, Städtebauförderung, Klimaschutz und Klimaanpassung sowie Wohnungswesen. Zuvor war sie als juristische Referentin bei der Fachagentur für Windenergie an Land tätig. Roscher ist studierte Juristin, ihr Referendariat absolvierte sie unter anderem bei der Staatsanwaltschaft Berlin sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Darüber hinaus verbrachte sie 2017 eine Referendariatsstation am Öko-Institut, wo sie sich beispielsweise dem Vollzug des EU-Umweltrechts sowie dem Umweltschutz und dessen Auswirkungen auf Menschenrechte widmete.