Die Methoden zur Zertifizierung von Kohlenstoffentnahme müssen erheblich verbessert werden
Im Oktober hat die Europäische Kommission Entwürfe von sechs Methoden für das EU Carbon Removal Certification Framework (CRCF) zur Kommentierung vorgelegt. Diese Methoden legen Anforderungen für die Zertifizierung der Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre und der Minderung von Emissionen aus Böden in der EU fest.
Aus unserer Sicht sind die vorgeschlagenen Methoden unzureichend. Sie entsprechen nicht nur nicht den Beschlüssen unter Artikel 6 des Pariser Übereinkommens, sondern setzen auch einen Standard, der deutlich unter der derzeitigen Praxis im freiwilligen Kohlenstoffmarkt liegt – einem Markt, der mit Integritätsproblemen kämpft.
Mit den vorgeschlagenen Methoden würden viele Maßnahmen nicht zusätzlich sein und die Klimawirkung erheblich überschätzt werden. Zudem gibt es keine angemessenen Regeln, um die Wiederfreisetzung von eingebundenem Kohlenstoff zu kompensieren. Wenn die ausgegebenen Gutschriften dafür genutzt werden, um andernorts mehr CO2 auszustoßen, steigen die Emissionen in der Summe. Während der CRCF einen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele leisten soll, könnten die vorgeschlagenen Methoden die Klimaschutzbemühungen der EU ernsthaft untergraben.
Keine Belohnung früherer Klimamaßnahmen
Würden Sie erwarten, dass ein Programm zur Förderung von Elektrofahrzeugen Fahrzeughalter belohnt, die ihre Fahrzeuge vor fünf Jahren gekauft haben? Wahrscheinlich nicht. Doch genau das könnte im Rahmen des CRCF geschehen. Die vorgeschlagenen Methoden ermöglichen die Ausgabe von Gutschriften für Maßnahmen, die bereits vor Jahren umgesetzt wurden – auch ohne Aussicht auf Gutschriften. Stattdessen sollten die Methoden nur neue Aktivitäten anrechnen.
Zusätzlichkeit muss sorgfältig geprüft werden
Keine der sechs vorgeschlagenen Methoden hat valide Ansätze zur Bewertung der Zusätzlichkeit. Wenn standardisierte Referenzemissionen verwendet werden, werden die Maßnahmen schlichtweg als zusätzlich angenommen. Damit könnten alle Land- und Forstwirte, deren Gesamtemissionsbilanz besser als der Durchschnitt ist, Gutschriften für die Fortführung ihrer bisherigen Praktiken erhalten – ohne etwas zu ändern. Alle Methoden sollten stattdessen Tests zur Prüfung der Zusätzlichkeit einführen.
Die Anrechnung von Biomasse muss überdacht werden
Einige Maßnahmen könnten überhaupt keine positive Klimawirkung haben. Die vorgeschlagenen Methoden rechnen beispielsweise die Speicherung von Biomasse an – durch die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff aus Biomasse in geologischen Lagerstätten (BioCCS), die Speicherung von Biomasse in Gebäuden, oder die Einlagerung von Pflanzenkohle in Böden.
Die Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre erfolgt durch das Wachstum von Pflanzen in Wäldern oder auf landwirtschaftlichen Flächen. Wenn mehr Biomasse geerntet wird, führt dies jedoch nicht zwangsläufig auch zu mehr Kohlenstoffentnahme. Denn die Verlagerung von Kohlenstoff von einem Speicher (Wälder) in einen anderen (Gebäude) führt nicht unbedingt zu mehr Pflanzenwachstum.
Im Gegenteil: Eine solche Verlagerung könnte aufgrund von Verlusten bei der Verarbeitung der Biomasse und dem Energiebedarf zur Herstellung von Pflanzenkohle sogar zu mehr Emissionen führen.
Das Gleiche gilt für die Zuführung von Biomasse aus einer Verwendung (zum Beispiel Verbrennung in einem Kraftwerk) zu einer neuen Nutzung (etwa Produktion von Pflanzenkohle). Die Methoden sollten deshalb nur die Verwendung von ungenutzten Biomasserückständen oder von Biomasse aus neu angelegten und nachhaltig bewirtschafteten Wäldern auf degradierten Flächen zulassen.
Andere öffentliche Förderung berücksichtigen
Viele der Maßnahmen werden bereits durch andere öffentliche Mittel gefördert, zum Beispiel unter der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Wenn Klimaschutzmaßnahmen sowohl öffentliche Subventionen als auch CRCF-Gutschriften erhalten, würden die öffentlichen Subventionen die Preise für CRCF-Gutschriften künstlich senken und damit wiederum deren Nutzer subventionieren. Dies könnte zu weniger Klimaschutzanstrengungen der Nutzer führen. Die Methoden sollten entweder Klimaschutzmaßnahmen ausschließen, die bereits staatlich finanziert werden, oder die erzielte Klimawirkung anteilig auf die gewährte finanzielle Unterstützung anrechnen.
Quantifizierung muss konservativer werden
Den Methoden mangelt es auch an konservativen Ansätzen zur Quantifizierung der Klimawirkung. Bei einigen Methoden werden zum Beispiel indirekte Landnutzungsänderungen nicht berücksichtigt. So kann etwa die Wiedervernässung von Mooren, die zuvor als Acker- oder Weideflächen genutzt wurden, dazu führen, dass diese landwirtschaftlichen Aktivitäten an andere Orte verlagert werden, und dort zu höheren Emissionen führen.
Einige Methoden beziehen außerdem nicht alle relevanten Emissionsquellen und -senken ein. So werden in der Methode zu Pflanzenkohle die Emissionen aus der Produktion und dem Transport der Biomasse nicht berücksichtigt; die Methode zur Zertifizierung von Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlich genutzten Böden vernachlässigt Emissionen, die bei der Herstellung von Düngemitteln entstehen.
Obendrein ermöglichen die Methoden die selektive Auswahl von Parametern wie Emissionsfaktoren bei der Berechnung der Klimawirkung, anstatt konservative Standardwerte vorzugeben. In der Summe könnte dies zu einer erheblichen Überschätzung der Klimaschutzwirkung führen.
Wiederfreisetzung von Kohlenstoff muss kompensiert werden
Bei allen unter dem CRCF förderfähigen Maßnahmen besteht das Risiko, dass der gespeicherte Kohlenstoff zu einem späteren Zeitpunkt wieder freigesetzt wird, zum Beispiel durch den Abriss von Gebäuden oder Waldbrände. Nicht alle Methoden berücksichtigen dieses Risiko oder sehen einen Ausgleich des freigesetzten Kohlenstoffs vor. Es ist auch unklar, wie temporär gültige Zertifikate aus Maßnahmen in der Landwirtschaft ersetzt werden, wenn ihre Gültigkeit ausläuft.
Der CRCF könnte das Erreichen der EU-Klimaziele untergraben
Die nun veröffentlichten Vorschläge könnten die Erreichung der Klimaziele der EU in zweierlei Weise untergraben. Wenn die Gutschriften zur Erfüllung von Verpflichtungen unter dem EU-Emissionshandel oder der Effort Sharing Regulation genutzt werden, würde dies direkt zu höheren Emissionen führen.
Doch selbst wenn die Gutschriften lediglich zur Auszahlung von Geldern an Landwirte, Förster oder Gebäudeeigentümer verwendet würden, wäre eine solche Mittelvergabe kaum wirksam. Die verfügbaren Mittel würden in erheblichem Maße für die Fortführung der bestehenden Praxis ausgegeben. Damit würde Geld für die Maßnahmen fehlen, die tatsächlich eine Förderung benötigen.
In seiner jetzigen Form sind der CRCF und die veröffentlichten Methoden daher nicht zielführend. Der CRCF sollte bei seiner in der Regulierung vorgesehenen Überprüfung durch die Co-Gesetzgeber im Jahr 2026 erheblich nachgebessert werden. Die Entwürfe der Methoden sollten im laufenden Verfahren nachgeschärft werden und sich an den Anforderungen von Artikel 6 des Pariser Übereinkommens und guten Standards im freiwilligen Markt orientieren, bevor sie als delegierte EU-Rechtsakte im kommenden Jahr verabschiedet werden.
Der Standpunkt erschien zuerst im Tagesspiegel Background Agrar & Ernährung am 11.12. 2024.
Dr. Lambert Schneider ist Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Kohlenstoffmärkten. Anne Siemons ist Wissenschaftlerin am Öko-Institut und beschäftigt sich mit internationaler und europäischer Klimapolitik. Sie forscht zu Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung von Kohlenstoffmärkten, insbesondere im Landnutzungssektor.