Die Risiken des Wasserstoff-Imports
Das Öko-Institut erwartet, dass in einem fast treibhausgasneutralen Energiesystem im Jahr 2050 mehrere 100 Terrawattstunden PtX-Stoffe benötigt werden. Hier wird Strom in den Energieträger Gas verwandelt. " Grüner Wasserstoff" wird angestrebt, der zu großen Teilen jedoch importiert werden muss, beispielsweise aus Nordafrika oder dem Mittleren Osten. Wie kann Deutschland erreichen, dass dieser Wasserstoff nachhaltig produziert wird? Das beantwortet der Referent für Energiepolitik bei Brot für die Welt, Dr. Joachim Fünfgelt, im Interview.
[caption id="attachment_3913" align="alignleft" width="447"] Im Interview: Dr. Joachim Fünfgelt, Referent Energiepolitik bei Brot für die Welt.[/caption]
Dr. Fünfgelt, ist der Export von Wasserstoff für die Länder des globalen Südens eher eine Chance oder ein Risiko?
Es ist beides. Ob sich der Export positiv oder negativ auswirkt, hängt stark von der Umsetzung ab. Ein Risiko besteht darin, dass Deutschland schnell Kapazitäten aufbauen will und die Länder, die entsprechendes Potenzial für die Wasserstoffproduktion haben, auch möglichst schnell Geld einnehmen wollen. Sollen Wasserstoffpartnerschaften aber nachhaltig sein, braucht es einen langen Prozess, der den zeitlichen Aufwand nicht scheut, praktische ebenso wie ethische Fragen zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass dies gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung umgesetzt wird. Natürlich kann sie davon profitieren, etwa mit Blick auf die lokale Wertschöpfung, auf Arbeitsplätze sowie eine Förderung der erneuerbaren Energien vor Ort und einen verbesserten Energiezugang.
Welche Risiken bestehen?
Die Produktion von Wasserstoff könnte den Wassermangel verschärfen und ökologische Folgeschäden mit sich bringen, etwa hinsichtlich des Ressourcenabbaus. Ein Risiko ist auch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien für den lokalen Verbrauch verlangsamt wird und Kohlekraftwerke länger in Betrieb bleiben als eigentlich nötig wäre. Es muss Priorität haben, dass die Länder zuerst unterstützt werden, sich selbst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen, bevor überhaupt über Export nachgedacht wird. Und natürlich besteht die Gefahr der illegalen Landnahme, dass zum Beispiel Land genutzt wird, das eigentlich für die Ernährung der Bevölkerung gedacht war.
Sollte dann überhaupt grüner Wasserstoff importiert werden?
Ja, durchaus. Aber eben mit Augenmaß. Wir setzen uns dafür ein, die Nutzung von Wasserstoff zu begrenzen. Ihn nur dort einzusetzen, wo es nicht anders geht – wie etwa im Flugverkehr – und auch auf andere Lösungen zu setzen, wie etwa die Erhöhung der Energieeffizienz oder auch Suffizienzmaßnahmen.
Wie lassen sich negative Effekte verhindern?
Schon bei der Analyse des Potenzials in diesen Ländern müssen deren Weg beim Ausbau der erneuerbaren Energien und die entsprechende Nachfrage berücksichtigt werden. Zentral ist aus unserer Sicht zudem, die lokale Bevölkerung einzubinden und zu beteiligen. Viele lokale Akteurinnen und Akteure haben das Thema noch nicht ausreichend auf der Agenda, sie müssen über die technischen und lokalen Implikationen informiert werden. Darüber hinaus ist es wichtig, von Anfang an Nachhaltigkeitskriterien zu definieren und diese auch mit der Zivilgesellschaft vor Ort zu besprechen. Dies sollte spätestens dann passieren, wenn Pilotpartnerschaften beginnen.
Welche Vorteile hat der Austausch mit der lokalen Bevölkerung?
Wir gewinnen dadurch ein besseres Verständnis für die Situation vor Ort und die Frage, was die lokale Bevölkerung braucht, um von der Wasserstoffproduktion in ihrem Land zu profitieren. Dann können zum Beispiel auch Ausbildungsprogramme aufgesetzt werden, damit die Menschen eine Chance haben, an den Projekten mitzuarbeiten. Auch das Monitoring von Nachhaltigkeitskriterien würde an Qualität gewinnen, so dass auch mittelfristig die Akzeptanz vor Ort gesichert würde.
Wie lässt sich gewährleisten, dass die Bedürfnisse der Menschen vor Ort berücksichtigt werden?
Hier sind regulatorische Maßnahmen notwendig. Bei Ausschreibungen sollten zum Beispiel ganz gezielt lokale Unternehmen bevorzugt werden. Zudem sollte in Energiepartnerschaften verbindlich festgelegt werden, dass die lokale Energieinfrastruktur aufgebaut wird. Denkbar sind hier zum Beispiel auch günstige Kredite für dezentrale erneuerbare Anlagen wie Solar-Home-Systeme.
Welche Staaten eigenen sich aus Ihrer Sicht für den Export von grünem Wasserstoff?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Aus rein ökonomischer Sicht muss ein geeignetes Land politisch stabil sein, da sonst die Kapitalkosten viel zu hoch sind. Zudem erfordert die Einbeziehung lokaler Bevölkerung stabile demokratische Strukturen. Zusätzlich braucht es ausreichend Flächen und Ressourcen. Gut geeignet sind Länder wie Uruguay oder Costa Rica, die sowieso schon auf dem Weg in ein vollständig erneuerbares Energiesystem sind. Wenn man mehr auf die Länder schaut, die stark von Armut betroffen sind, hat zum Beispiel Tansania mit Blick auf die erneuerbaren Energien ein sehr großes Potenzial. Es hat viel Fläche, gute Ressourcen zur Nutzung erneuerbarer Energien, ist nicht sehr dicht besiedelt. Allerdings ist dort gerade recht unsicher, wie das Land sich politisch entwickeln wird. Außerdem steht Tansania beim eigenen Energiesystem noch sehr am Anfang.
Inwiefern?
Es gibt dort eine sehr hohe Energiearmut. Nur etwa fünfzehn Prozent der Menschen haben überhaupt Zugang zu Strom, nur ein Prozent kocht damit. Darüber hinaus wird viel Biomasse genutzt – was wiederum gesundheitliche Folgen hat, da oft auf engem Raum Holz verbrannt und der Rauch eingeatmet wird. Das zeigt, wie viele Faktoren zusammenspielen müssen, damit Länder im Globalen Süden wirklich für den Export in Frage kommen.
Wie bewerten Sie die Nationale Wasserstoffstrategie, in der zwei Milliarden Euro für den Aufbau von internationalen Partnerschaften vorgesehen sind?
Zunächst ist sehr erfreulich und begrüßenswert, dass der Fokus auf grünem Wasserstoff liegt. Für uns als Entwicklungswerk ist zudem wichtig, wie die Wasserstoffförderung auf dem afrikanischen Kontinent ausgerichtet ist. Hier steht klar in der Strategie, dass diese sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren muss. Ein klares Augenmerk muss nun darauf liegen, dass dies tatsächlich so umgesetzt wird.
Welche Kritikpunkte haben Sie an der Strategie?
Den enorm hoch eingeschätzten Importbedarf. Wir befürchten, dass doch der eigene Energiehunger in den Vordergrund rückt statt die lokale Energiewende und -versorgung in den entsprechenden Ländern. Insofern muss eine deutsche Wasserstoffstrategie eingebettet sein in einen stark beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie eine Reduktion der Energienachfrage durch Effizienz- und Suffizienzmaßnahmen.
Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Christiane Weihe.
Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und der Promotion in Nachhaltigkeitsökonomie arbeiteteDr. Joachim Fünfgelt mit internationalen NGOs, um die UN-Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals) zu erreichen. Seit 2015 arbeitet er als Referent für Energiepolitik bei Stiftung und Hilfswerk "Brot für die Welt". Er setzt sich dabei auf nationaler und internationaler Ebene für eine globale Energiewende ein. Joachim.Fuenfgelt@brot-fuer-die-welt.de