Spenden

Drei Leitplanken für nachhaltige Wertschöpfungsketten

Lithium-Ionen-Batterien sind der Dreh- und Angelpunkt der neuen Mobilität. Um den Ressourcenbedarf zu reduzieren, müssen die E-Autos kleiner und effizienter sowie die Wertschöpfungsketten nachhaltiger werden. Wie das geht beschreiben Dr. Johannes Betz und Stefanie Degreif.

Eine echte Verkehrswende muss jetzt starten, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will. Dazu muss unter anderem der Pkw-Bestand sinken, indem neue Mobilitätskonzepte ausgebaut und etabliert werden. Das Ziel: Den Grundbedarf an Mobilität vor allem über andere Verkehrsmittel als den individuellen Pkw gewährleisten. Der Ausbau des ÖPNV und eine Verhaltensänderung der Bevölkerung sind nötig, um den Ausstoß der Treibhausgase wirkungsvoll zu reduzieren. Dennoch sind weiterhin Pkw notwendig. Diese müssen mit einer Batterie als Energiequelle statt mit Benzin und Diesel fahren. 

Mit den Rohstoffen, die für die Elektromobilität notwendig sind, muss geplant, klimafreundlich und sozial gerecht umgegangen werden. Eine Kernkomponente des E-Autos ist die Lithium-Ionen-Batterie. Der Weltmarkt für diese Technologie wächst schnell, doch bisher ohne festen Rahmen. Die Produktion und das Ende der Lebensdauer der Batterien können mit großen ökologischen und sozialen Problemen einhergehen. Um die komplette Lieferkette weltweit gerecht zu gestalten, müssen Bedarf und Gewinnung der Rohstoffe einer nachhaltigen Transformation unterworfen werden

Rohstoffbedarf für die Mobilität muss sinken

Pläne dafür liegen auf dem Tisch. Jetzt ist es wichtig, dass Entscheidungen nicht vertagt werden. Zum einen muss der Rohstoffbedarf für die Mobilität reduziert werden. Dies gelingt über einen reduzierten Fahrzeugbestand und wenn die E-Fahrzeuge so gebaut werden, dass sie deutlich weniger Rohmaterialien und Energie benötigen.

Dafür bedarf es zum Beispiel einer Reduktion der Größe und der Motorisierung. Recycling für Fahrzeugbatterien ist in der EU schon verpflichtend. Die Anforderungen daran müssen allerdings erhöht werden, was zum Beispiel die Rückgewinnungsraten einzelner Materialien angeht. Auch sollten die Akteure dafür eintreten, dass die Vorgaben auch für exportierte Batterien weltweit gelten. Zum anderen müssen die Rohstoffe, die noch gebraucht und abgebaut werden, nachhaltig gewonnen werden.

Eine grundlegende Voraussetzung für die Einführung dieser Rahmenbedingungen ist es, dass unter allen Beteiligten der Austausch dazu auf Augenhöhe stattfindet: Das sind die Hersteller genauso wie die Minenbetreiber und die Bevölkerung vor Ort. Wirtschaft, Zivilgesellschaft und die politischen Entscheider*innen entlang der gesamten Lieferkette müssen die Regeln miteinander abstimmen, um die Rechte der betroffenen Bevölkerungsgruppen zu wahren und die Vorteile der Wertschöpfung über die gesamte Lieferkette zu verteilen.

Drei Leitplanken für die Realisierung nachhaltiger Wertschöpfungsketten für Lithium-Ionen-Batterien

Erstens: Zirkuläres Wirtschaften etablieren

Bis zum Jahr 2040 ist es essenziell, dass die zirkuläre Wirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien in der EU durchgesetzt wird. Die politischen Entscheidungsträger*innen sollten die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Recyclings sicherstellen und die Schaffung eines Marktes für Sekundärrohstoffe unterstützen.

Um eine echte Kreislaufwirtschaft zu erreichen, muss im Design der Batterie bereits das Recycling mitgeplant werden. Ein Batteriepass mit Informationen über deren Lebenszyklus muss eingeführt, verbindliche Recycling-Ziele festgesetzt, die Möglichkeiten der Wiederverwendung erweitert sowie die Ressourceneffizienz in der Batterieherstellung deutlich gesteigert werden.

Konkret: Bis 2040 sollte angestrebt werden, den primären Rohstoffeinsatz für eine Batterie zu halbieren (im Vergleich zu 2021). Bis 2050 sollte der Einsatz von Primärrohstoffen für diesen Bereich um mehr als 80 Prozent gesenkt werden (gegenüber 2035). Nach 2035 sollte der Markt für Antriebsbatterien in der EU schrumpfen und eine größere Anzahl von Batterien für das Recycling gesammelt werden.

Die zurückgewonnenen Rohstoffe können dann im größeren Maße in neuen Batterien eingesetzt werden. Darüber hinaus müssen Effizienz der Batterien und der Fahrzeuge gesteigert werden. Nur wenn alle Faktoren zusammenspielen, können diese ambitionierten Ziele erreicht werden (Studie des Öko-Instituts dazu hier)

Zweitens: Verantwortungsvolle Beschaffung

Unternehmen und die öffentliche Hand sollen bei der Beschaffung die gesamte Lieferkette betrachten. Transparenz ist dabei die Grundvoraussetzung für eine umfassende Sorgfaltspflicht in der Lieferkette. Darüber hinaus muss über ambitionierte freiwillige und verpflichtende Standards die Entwicklung eines nachhaltigen Bergbaus und einer verantwortungsvollen Produktion gewährleistet werden.

Nutzen und Lasten müssen gerecht verteilt werden. Die lokale Entwicklung sowie die Einhaltung umfassender Sozial- und Umweltstandards im Bergbau vor Ort muss gewährleistet sein, indem Interessengruppen in Entscheidungen einbezogen werden. Basis dafür ist ein gemeinsames europäisches und weltweites Verständnis einer nachhaltigen Lithium-Ionen-Batterie.

Konkret: Bis 2025 sollte die Definition eines „nachhaltigen Produkts“ mit allen Akteuren diskutiert und vereinbart werden. Eine verpflichtende „Social-license-to-operate“ für neue Bergbauprojekte sowie Produktions- und Recyclingstätten sollte bis 2030 global implementiert sein. Dies beinhaltet auch, dass Ziele gesetzt werden für die lokale und regionale Wertschöpfung an den Produktionsstandorten. Ebenso bis 2030 sollte in allen EU-Handelsabkommen die Sorgfaltspflicht in der gesamten Lieferkette für alle Rohstoffe enthalten sein

Drittens: International gleiche Wettbewerbsbedingungen

Die Anforderungen an Unternehmen, die entlang der Wertschöpfungskette in und mit der EU tätig sind und Handel treiben, müssen harmonisiert werden. Rohstoffe oder Produkte, die mit niedrigeren Standards hergestellt werden, sollen in Zukunft benachteiligt oder nicht mehr zugelassen werden. Die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen bedeutet auch, dass Unternehmen, Regionen und Länder dabei unterstützt werden, ihre Praktiken zu verbessern und die erforderlichen Standards zu erreichen.

Konkret: Bis 2030 soll die Zivilgesellschaft in den Genehmigungsprozess von Bergbauprojekten verpflichtend einbezogen werden. Ebenfalls sollte der artisanale Kleinbergbau mit der Unterstützung von Vor-Ort-Projekten formalisiert werden. Weiterhin sollte in der EU die Sorgfaltspflicht auf alle Rohstoffe erweitert werden. Transparenz in der Produktion und der Lieferkette sollte ebenso bis 2030 etabliert sein.

Allein diese ausgewählten Leitplanken zeigen deutlich, dass es keine Zeit mehr zu verlieren gibt. Alle Akteure müssen jetzt handeln und ambitionierte Regeln setzen, damit die Weichen für eine nachhaltige Wertschöpfungskette der Lithium-Ionen-Batterie gestellt werden.

Dieser Text erschien zuerst als Standpunkt im Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility.

Dr. Johannes Betz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt und arbeitet zum Rohstoffbedarf der Elektromobilität. Stefanie Degreif ist stellvertretende Leiterin des Bereichs Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt. Ihr Schwerpunkt liegt auf nachhaltiger Rohstoffwirtschaft.

Weitere Informationen

Blogbeitrag „#VerkehrswendeMythen4: Die Elektromobilität wird an knappen Batterie-Rohstoffen wie Kobalt oder Lithium scheitern“

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder