#ecotranslator_1: ecologists, environmentalists oder green thinkers?
Christopher Hay
So manches harmlos daherkommende Wort erweist sich als unerwartet widerborstig bei der Übersetzung in eine andere Sprache. Diese Blogreihe will versuchen, eine Reise durch die sprachliche Landschaft der Arbeit des Öko-Instituts
– zwischen Deutsch und Englisch–
zu unternehmen. Dabei werde ich stets bemüht sein, begriffliche Sümpfe nicht etwa durch Standardisierung trockenzulegen. Vielmehr will ich versuchen, diese schützenswerten Feuchtgebiete im Reiz ihrer Eigenart und Vielfalt wahrzunehmen. Für das Über-Setzen gilt es, das Moor so zu durchqueren, dass die am deutschsprachigen Rand eingepackten Inhalte am englischsprachigen Rand mit äquivalenter Bedeutung aus dem Rucksack gepackt werden können. Viele Leserinnen und Leser dieser Blog-Reihe werden ihre Texte direkt im Englischen verfassen. Auch für sie mag es wertvoll sein zu bedenken, welchen Wandel ihre Wörter beim Ein- und Auspacken erfahren können.
Zum Auftakt dieser Reise durchschreite ich flink das Wortfeld der Ökologie und Umwelt. Hier tummeln sich Begriffsverständnisse der letzten Jahrhunderte neben solchen der letzten Jahrzehnte.
Den Begriff der Ökologie (und in der Folge im Englischen: ecology) prägte der deutsche Zoologe Ernst Haeckel im Jahre 1868: „Unter Oecologie verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle Existenz-Bedingungen rechnen können.“ Der Begriff wurde somit für die Biowissenschaften geprägt.
Der Begriff der Umwelt ist im Deutschen seit Anfang des 19. Jahrhunderts verbreitet. Die Gebrüder Grimm definierten ihn Mitte des Jahrhunderts so: „die den Menschen umgebende Welt“. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann Umwelt zunehmend Bedeutung als Wiedergabe des französischen milieu in den Sozialwissenschaften.
Environment ist im Englischen seit dem frühen 17. Jahrhundert belegt. Das Wort rutschte ganz natürlich in die englische Sprache über das französische environs. Zentrale Bedeutung erlangte es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Evolutionstheorie. Darwin redete zunächst in seinem „On the Origin of Species“ 1859 noch von circumstances oder conditions. Andere Biologinnen und Biologen führten bald darauf environment als den zentralen Begriff ein.
Halten wir kurz inne und betrachten den Stand Anfang des 20. Jahrhunderts:
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Ökologie und ecology sind in beiden Sprachen biowissenschaftliche Neuprägungen der 1860er.
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Umwelt ist relativ neu im Deutschen und bezieht sich auf den Menschen als soziales Subjekt, nicht auf Tiere und Pflanzen.
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Environment ist ein älteres, durch die Evolutionstheorie neu aufgeladenes Wort mit breit gefächerter Anwendung.
Dies bleibt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend so. In der Ökologie dauert es lange, bis die weitere Terminologie überhaupt ausentwickelt ist, so führt erst 1935 der britische Botaniker Arthur Tansley den Begriff des ecosystem ein. Doch dann nimmt in den 1960er Jahren die Umweltbewegung – synonym Ökologiebewegung – Fahrt auf, und mit ihr gewinnen alle Begriffe in beiden Sprachräumen eine neue Wucht. In der Alltagssprache werden sie oft austauschbar. Die Sozialwissenschaften prägen munter neue Begriffe mit ganz eigenen Bedeutungen, etwa im Feld der Sozialökologie oder Humanökologie (social ecology, human ecology). Die Begriffsevolution ist im vollen Gange.
Biowissenschaftliche Ökologinnen und Ökologen sind ecologists. Umweltschützerinnen und Umweltschützer sind environmentalists, deren Weltanschauung environmentalism. Environmental ist ein etwas technisches Wort, green normativer und tendenziell positiv belegt. Environmentalists sind also green thinkers oder einfach greens. Und schon ist der Bogen geschlagen zu den Parteigründungen in den 1980er: Die Green Party in England, Die Grünen in Deutschland. Eine nützliche Eigenschaft des Wortes green ist, dass es auch als Verb benutzt werden kann: to green, greening, das heißt an Umweltbelangen ausrichten.
Deep ecology bezeichnet die fundamentalistische Seite des Spektrums der grünen Bewegung, und versteht sich als Gegenpol zu environmentalism (aus dieser Sicht auch shallow ecology oder reform environmentalism genannt). Im Deutschen wurden diese Strömungen der grünen Bewegung eher an ihren Verfechterinnen und Verfechtern festgemacht, die Fundis oder Fundamentalisten (dark greens, fundamentalists, deep ecologists) und die Realos (light greens, reform environmentalists).
Ende der 1960er trat im Englischen eine Tendenz zum Ersetzen der Wortbildungen mit environment durch solche mit ecology ein. Aus dieser Zeit stammen mannigfaltige „eco“-Wortbildungen. Dies ist im Deutschen nicht in derselben Form geschehen, so dass manche Ausdrücke im Deutschen weiter mit „Umwelt-“ gebildet werden. In Freiburg entschied man sich 1977 für Öko-Institut.
Ausblick
Im nächsten Beitrag werde ich einen Blick in den Tümpel werfen, in dem die wandelbaren Tierchen Bio und Öko existieren. Besonderen Augenmerk werde ich dabei auf den Ökolandbau richten – aber halt, ist das nicht der Biolandbau? Ist alles organisch?
Christopher Hay übersetzt seit 35 Jahren für das Öko-Institut und andere Auftraggeber Texte zu klimapolitischen Themen vom Deutschen ins Englische oder andersherum. Über die Jahre hinweg hat Hay sein Wissen über die Herkunft und Bedeutung von Vokabeln der Umwelt- und Entwicklungspolitik auf etwa 10.000 Seiten festgehalten. In seiner Blogreihe teilt er sein Wissen, um Bedeutungsunterschiede zu verdeutlichen.
Lesen Sie hier das Porträt von Christopher Hay im Online-Magazin eco@work