Ein kleines Land mit viel Erfahrung: Kommunale Wärmeplanung in Dänemark
Schon in den 1980er Jahren begann Dänemark mit der kommunalen Wärmeplanung, einer langfristigen Strategie zum Umbau der Wärmeversorgung. Seine Erfahrungen damit gibt das Land etwa an Baden-Württemberg weiter. Patrizia Renoth, Energieplanerin in der dänischen Kommune Holbæk, erläutert die Geschichte der kommunalen Wärmeplanung in Dänemark und den Status quo, aber auch die notwendigen Veränderungen für eine nachhaltige Zukunft.
Dänemark ist in Sachen Energiewende ein Vorbild für viele andere Länder. Die Hauptstadt Kopenhagen gilt als Metropole nachhaltiger Mobilität. Das Land hat mit 61 Prozent den höchsten Anteil erneuerbarer Energien in der EU. Bis 2030 will Dänemark seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent reduzieren.
„Als kleines Land mir nur knapp sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern können wir mit Blick auf die weltweiten Klimaziele dennoch relativ wenig ausrichten“, sagt Patrizia Renoth, „daher wollen wir die Erfahrungen, die wir mit der Energiewende bereits gesammelt haben, mit anderen Ländern teilen. So können wir mehr ausrichten, als wenn wir nur alleine vor uns hinarbeiten.“ Renoth kennt sich aus, wenn es um den Austausch zwischen Dänemark und anderen Ländern geht. Sie hat viele Jahre im Bereich Internationale Zusammenarbeit der Dänischen Energieagentur gearbeitet und einen intensiven deutsch-dänischen Austausch begleitet.
Wichtigstes Thema dabei: die kommunale Wärmeplanung, eine langfristige Strategie zum Umbau der Wärmeversorgung. Sie begann in Dänemark schon in den 1980er Jahren, um das Land nach den Ölkrisen von 1973 und 1979 unabhängig vom Öl zumachen. „Fernwärme war damals die bevorzugte Alternative, weil man in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen den Brennstoff effizient nutzen kann – um die Energiewende ging es zu dieser Zeit noch nicht.“ Inzwischen sind zwei Drittel der Haushalte des Landes mit Fernwärme versorgt, 15 Prozent greifen noch auf Erdgas zurück und acht Prozent auf Öl. 85 Prozent der Wärmenetze sind genossenschaftlich organisiert und werden damit im Sinne der Kunden betrieben. Oft sind die Haushalte, die sich an das Fernwärmenetz anschließen, auch Mitglieder in den Genossenschaften. „Zusätzlich ist die Preisgestaltung der Fernwärme reguliert, sie muss genau die Produktionskosten abbilden und es ist klar geregelt, was hier mit eingerechnet wird – so etwa die Brennstoffkosten, der Betrieb und die Wartung. Es ist zum Beispiel nicht möglich, damit den Kindergarten oder den öffentlichen Nahverkehr mitzufinanzieren.“
Eine vielfältigere Zukunft
Der Fokus liegt etwa vierzig Jahre nach dem Beginn der kommunalen Wärmeplanung in Dänemark zudem nun klar auf den Klimazielen des Landes und wie sie erreicht werden können. „Derzeit stammt die Wärme zu etwa zwei Dritteln aus erneuerbaren Energien, überwiegend aus Biomasse.“ So importiert Dänemark Holz aus dem Baltikum. „Inzwischen gibt es hier Nachhaltigkeitskriterien, etwa mit Blick darauf, dass das Holz nachwachsen muss“, sagt Patrizia Renoth, „generell ist aber auch klar, dass Biomasse nicht in unbegrenztem Umfang zur Verfügung steht, sondern eher eine Zwischenlösung ist.“ In Zukunft sollen daher der Anteil von Windenergie und die Zahl der Wärmepumpen steigen, die Möglichkeiten der Geothermie werden untersucht.
Grenzüberschreitender Austausch
Die kommunale Wärmeplanung hat nun auch das erste deutsche Bundesland erreicht: Sie ist in Baden-Württemberg für größere Städte verpflichtend, bis Ende 2023 müssen diese einen entsprechenden Plan erstellen. Bei der Vorbereitung hat auch Patrizia Renoth die dortige Klimaschutz- und Energieagentur (KEA-BW) unterstützt. „Es gab einen intensiven Austausch zwischen den beiden Ländern über mehrere Jahre“, sagt sie, „so haben wir zum Beispiel unsere Erfahrungen aus den dänischen Kommunen zusammengefasst und Input für die Erstellung eines Handlungsleitfadens für die Kommunen gegeben.“ Natürlich ist das dänische Modell nicht eins zu eins übertragbar, hierzulande gibt es nur etwa 14 Prozent Fernwärme, Erdgas ist mit fast fünfzig Prozent die dominierende Heizenergie. „Das lässt sich natürlich nicht einfach durch Fernwärme austauschen, aber es ist sehr sinnvoll, wenn die Kommunen gemeinsam mit den Energieversorgern einen langfristigen Plan machen, wie die zukünftige Wärmeversorgung gestaltet werden kann und welche nachhaltigen Alternativen es gibt. Sie können dann zum Beispiel in Neubaugebieten eingesetzt werden – und das kann mitunter auch Fernwärme sein.“
Neue Verknüpfungen, neue Technologien
Eine wichtige Herausforderung für die Zukunft der dänischen Wärmeversorgung ist für die Expertin zudem, wie unterschiedliche Sektoren verbunden und neue Technologien in die dänische Wärmeversorgung integriert werden können. „Da geht es etwa um die Fragen, wie diese in Genehmigungsverfahren eingebunden und wie sie besteuert werden.“ Eine spannende Frage sei auch, wie sich die Abwärme aus industriellen Prozessen oder Rechenzentren sinnvoll nutzen lässt – immerhin haben große Unternehmen wie Facebook, Apple oder Google große Rechenzentren in Dänemark errichtet. Deren Abwärme wird oft ungenutzt an die Umgebung abgegeben. „Diese sollten wir in Zukunft nutzen.“
Und auch die Zukunft von Patrizia Renoth selbst hat 2021 mit einer spannenden Herausforderung begonnen: Sie arbeitet nun als Energieplanerin in der dänischen Kommune Holbæk, eine der letzten dänischen Kommunen ohne etabliertes Fernwärmenetz im Stadtgebiet – „um ins konkrete Handeln zu gehen“. Und damit die Energie- und Wärmewende im Vorbildland Dänemark weiter voranzutreiben.
Patrizia Renoth hat in Dänemark Energieplanung studiert und war anschließend für die Dänische Energieagentur im Bereich Internationale Zusammenarbeit tätig. Hier hat sie sich vor allem mit der deutsch-dänischen Zusammenarbeit befasst, aber auch die Energiezusammenarbeit mit der Ukraine war Teil ihres Aufgabengebietes. Im Januar 2021 hat Patrizia Renoth begonnen, als Energieplanerin in der dänischen Kommune Holbæk zu arbeiten, um die Energiewende von kommunaler Seite zu gestalten. Holbæk liegt im Osten Dänemarks, etwa eine Stunde vor Kopenhagen. Es ist eine der letzten dänischen Städte, die noch kein etabliertes Fernwärmenetz hat.
Weitere Informationen
Porträt Patrizia Renoth im Magazin eco@work