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„Ein Problem sind länger anhaltende Wetterlagen“

Dr. Mathias Herbst, Referatsleiter beim Deutschen Wetterdienst, befasst sich seit vielen Jahren it dem planzlichen Wasser- und Kohlenstoffhaushalt. Im Blogbeitrag erklärt er, wie sich Kohlenstoffsenken erhalten lassen und wie wichtig guter Bodenschutz ist.

Auf Regen folgt Sonnenschein. Eine echte Lebensweisheit oder in Zeiten des Klimawandels eher eine bedrohliche Nachricht? Denn wenn Sonne und Hitze im Anmarsch sind – gerade in extremer Form – ist das nicht zwingend eine gute Nachricht. „Länger anhaltende Wetterlagen, die mit dem Klimawandel einhergehen, sind ein Problem für Böden und Vegetation. Lange Trockenperioden erschweren zum Beispiel den Aufwuchs von neuen Wäldern und gleichmäßigen Ackerkulturen und damit auch die Speicherung von Kohlenstoff in natürlichen Senken“, erklärt Dr. Mathias Herbst.

Ein natürlicher Kreislauf.

Der studierte Biologe leitet beim Deutschen Wetterdienst (DWD) das Zentrum für Agrarmeteorologische Forschung. Dieses blickt auf Acker- und Grünflächen und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen dem Boden, der Vegetation und der Atmosphäre.

Wir befassen uns etwa mit den Auswirkungen von Wetter und Klima auf die Agrarökosysteme sowie der Frage, wie viel Kohlenstoff der Boden aufnehmen kann. Eine zentrale Frage ist auch, wie Pflanzen mit Klimaveränderungen und zunehmender Trockenheit klarkommen, wie viel Wasser sie brauchen, um zu wachsen und Erträge zu bringen.
Dr. Mathias Herbst
Leiter des Zentrums für Agrarmeteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst

 

Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Kohlenstoffspeicherung in Pflanzen und Böden. „Pflanzen nehmen durch die Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre auf. Wie gut das gelingt, hängt von Strahlung und Temperatur, insbesondere aber von der Wasserversorgung ab. Wenn nicht genug Wasser vorhanden ist, schließen die Pflanzen ihre Poren, um nicht zu viel Wasser zu verdunsten. Durch diese Poren wird aber auch CO2 aufgenommen.“ Die Aufnahmefähigkeit von natürlichen Senken wird zudem durch Extremwetterereignisse wie Stürme beeinflusst. „Wird ein ganzer Baumbestand durch Windwurf beschädigt, ist die Senke stark beeinträchtigt oder sogar vernichtet. Es kommt dann natürlich darauf an, was mit dem Holz gemacht, ob es trotzdem verwendet oder einfach nur verfeuert wird. Aber auch der Kohlenstoff im Boden wird bei einem Windwurf-Ereignis freigesetzt.“

Gleichmäßige und regulierte Feuchtigkeit.

Mit dem Klimawandel nehmen länger anhaltende Wetterperioden und Extremereignisse zu. Wie lassen sich dennoch die natürlichen Kohlenstoffsenken erhalten? „Für die Landwirtschaft gilt: Zwischenfrüchte anbauen, Brachezeiten vermeiden, Dauergrünland erhalten und organischen Dünger einsetzen. Und gleichzeitig auf eine regulierte Bewässerung setzen.“ Dies stärkt die Senkenfunktion, weil die Pflanzen dann besser wachsen und Nährstoffe besser nutzen. Gleichzeitig bringe eine kontinuierliche Bewässerung etwa in langen Trockenperioden weitere Herausforderungen mit sich. „Es gibt schon heute eine Konkurrenz ums Wasser, denn auch private Haushalte und die Industrie wollen natürlich versorgt sein.“

Auch Lachgas, das deutlich klimaschädlicher ist als CO2, muss aus Sicht des Referatsleiters vom DWD im Auge behalten werden. „Dieses wird vor allem dann freigesetzt, wenn Pflanzen den im Boden vorhandenen Mineraldünger nicht aufnehmen können – etwa, weil es zu lange zu trocken ist.“ Auch deswegen sei es wichtig, den Boden gleichmäßig zu durchfeuchten – und natürlich auch, weniger zu düngen.

Methan vs. CO2

Auch die Wiedervernässung von Mooren wird immer wieder angebracht, wenn es darum geht, Kohlenstoffsenken zu erhalten und wiederherzustellen. Doch Dr. Mathias Herbst betont: Wird ein Moor nur überflutet, nutzt dies dem Klima zunächst gar nicht. Denn dann entstehen hohe Emissionen des Klimagases Methan. „Bei einer Überflutung gehen viele Mikroorganismen ans Werk, die bei ihrem Stoffwechsel Methan ausscheiden.“ Eine Wiedervernässung sollte daher reguliert verlaufen. „Das Wasser sollte auf maximal 10 Zentimeter unter der Oberfläche stehen.“ Besonders heiße und trockene Sommer wie zum Beispiel 2018 können daher eine heilsame Wirkung entfalten: „Der Wasserstand geht dann zurück, es kann wieder Vegetation eindringen – auch, weil der Wellengang abnimmt.“ Dass solche Jahre für andere Kohlenstoffsenken wie etwa Wälder ein Problem sind, ist eine Unsicherheit, mit der Dr. Mathias Herbst leben und arbeiten muss.

Es geht um mehr als Regen.

Für stärkere natürliche Senken braucht es aber mehr als gleichmäßige und regulierte Feuchtigkeit. Wichtig sei es in der Landwirtschaft zudem, Böden nicht brachliegen zu lassen und Zwischenfrüchte anzupflanzen. „Das trägt zudem zum Humusaufbau bei und auch die nachfolgenden Anbaukulturen wachsen besser, weil der Boden gesünder ist.“ Auch die Agroforstwirtschaft, bei der neben Nutzpflanzen mehrjährige Bäume angepflanzt werden, kann natürliche Senken stärken. „Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft wird dabei sowohl unterirdisch als auch in oberirdischer Biomasse deutlich mehr Kohlenstoff aufgenommen – 1,5 bis 3,5 im Vergleich zu 0,2 Tonnen pro Hektar und Jahr.“

Es fehlt an Zusammenarbeit und Langfristigkeit.

Damit ein Wald oder ein Moor als langfristige Kohlenstoffsenke wirken kann, müssen sie langfristig beobachtet werden, sagt Dr. Mathias Herbst. „Man kann sich eben nicht darauf verlassen, dass Wetter und Klima immer so bleiben, ganz im Gegenteil, es sind weitere Veränderungen zu erwarten. Daher muss berücksichtigt werden, welche Arten auch in 50 Jahren mit diesen Veränderungen klarkommen.“ Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung, das sich natürlichen Kohlenstoffsenken widmet, sieht er daher in Teilen kritisch. „Es ist ohne Frage sinnvoll, aufzuforsten und zu vernässen, aber man muss auch schauen, ob die Theorie in der Praxis dann wirklich funktioniert. Ich hatte gehofft, dass ausreichend Mittel zur Erfolgskontrolle bereitgestellt werden, doch das ist leider nicht passiert.“

Zentral sei es außerdem, den Wassersektor zu integrieren. „Man muss man Lösungen finden, um das Wasser besser zu verteilen, wenn der Wasserverbrauch und die Konkurrenz um Wasser sich erhöhen.“ Eine wichtige Frage sei etwa, wie man Niederschlagswasser speichern und insgesamt mehr Wasser in der Landwirtschaft halten kann. „Um dies zu beantworten, brauchen wir auch die Phantasie und Kreativität von Menschen, die sich mit dem Wasserhaushalt und mit wasserbaulichen Techniken auskennen.“

Wir haben die Mittel, damit klar zu kommen.

Bei allen Potenzialen natürlicher Kohlenstoffsenken betont Dr. Mathias Herbst: Im Vergleich zu den Emissionen, die etwa in der Industrie oder im Verkehr eingespart werden können, leisten sie nur einen kleinen und unsicheren Beitrag. „Sie dürfen daher nicht als Begründung dienen, nicht mehr so viele Emissionen wie möglich einzusparen. Wir können uns durch natürliche Kohlenstoffsenken nicht freikaufen.“

Und trotz aller Unsicherheiten, die das Wetter und damit sein Beruf mit sich bringt, bleibt dieser für Herbst stets reizvoll. „Ich finde es spannend, herauszufinden, wie man sich noch besser daran anpassen und was man noch entwickeln kann. Ja, wir leben mit Unsicherheiten. Doch wir haben die Mittel, damit klar zu kommen und uns darauf einzustellen. Wir haben die Möglichkeiten, die Natur und ihre Diversität zu erhalten.“

 

Dr. Mathias Herbst hat sich viele Jahre mit dem pflanzlichen Wasser- und Kohlenstoffhaushalt befasst. Der studierte Biologe war unter anderem an der britischen Open University im Department of Environment, Earth and Ecosystems, am UK Centre for Ecology and Hydrology Wallingford, am Department of Geography and Geology der Universität Kopenhagen sowie für die Abteilung Bioklimatologie der Universität Göttingen tätig. Hier hat er unter anderem Wasser- und Kohlenstoffbilanzen von Wäldern erstellt. Inzwischen leitet Dr. Mathias Herbst das Zentrum für Agrarmeteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst. Hier untersucht er unter anderem die Wechselwirkungen zwischen Boden, Pflanzen und Atmosphäre sowie die Zusammenhänge zwischen dem Bestandsklima und dem Wasserhaushalt landwirtschaftlicher Kulturen. Dabei erforscht er unter anderem den Stand der Bodenfeuchte im Jahresverlauf. Darüber hinaus bewertet er agrarmeteorologische und klimatische Extremsituationen und führt Beregnungsberatungen für Landwirt*innen in Niedersachsen durch.

Weitere Informationen

Seite des Zentrums für Agrarmeteorologische Forschung Braunschweig (ZAMF) auf der Website des Deutschen Wetterdienstes

Vortrag „Wechselseitige Einflüsse von Landwirtschaft und Klima“ auf der Website der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG)

eco@work „Nicht ohne Baum. Natürliche Kohlenstoffsenken für den Klimaschutz“, Ausgabe März/2024

 

 

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