Elektromobilität: „Wir wollen einen echten Kreislauf“
Die Elektromobilität hat sich auf den Weg gemacht, die deutschen Straßen zu erobern. Im Jahr 2021 lag der Anteil rein elektrischer Pkw an den Neuzulassungen laut Kraftfahrtbundesamt bei 13,6 Prozent – im Vorjahreszeitraum lag dieser Wert noch bei 6,7 Prozent. Laut dem Willen der Bundesregierung soll es bis 2030 hierzulande mindestens 15 Millionen reine Elektroautos geben. In unserer Elektromobilitäts-Reihe haben wir mit Martin Kyburz von der Kyburz Switzerland AG über die Vorteile elektrischer Antriebe, das Recycling von Batterien und neue Ideen für die Elektromobilität gesprochen.
Es war die Faszination für die Technik, die Martin Kyburz zum Elektrofahrzeug brachte. Er hatte eine Ausbildung zum Maschinenmechaniker und ein Studium als Elektroingenieur abgeschlossen und einen klaren Wunsch: ein Fahrzeug nach seinen eigenen Vorstellungen zu bauen. „Es war dann relativ schnell klar, dass ich mich entscheiden musste – für meine damalige Festanstellung oder dafür, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt Kyburz.
Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer: 1991 baute er den Cheetah, ein dreirädriges, reines Elektrofahrzeug, das auch auf dem Autosalon in Genf ausgestellt wurde. Der erste Schritt in die Selbständigkeit. Und von Anfang an eine klare Entscheidung für die Elektromobilität. „Elektromotoren sind den Verbrennern etwa mit Blick auf den Wirkungsgrad weit überlegen.“
Fahrzeuge für Senior*innen und für die Post
„Aus reiner Vernunft“ habe er im frisch gegründeten, nach ihm benannten Unternehmen angefangen, Fahrzeuge für Seniorinnen und Senioren zu bauen. „Viele von ihnen dürfen oder wollen nicht mehr Auto fahren und haben damit ein großes Stück Selbständigkeit verloren.“ Mit dem elektrischen Seniorenfahrzeug können sie ihre Mobilität zurückgewinnen. Darüber hinaus gelingt dem Unternehmen 2002 ein Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde: mit dem schnellsten Elektrorollstuhl der Welt: „116 km/h hat er geschafft.“
Inzwischen sind auch und vor allem viele Postzusteller*innen mit den Fahrzeugen von Kyburz unterwegs: Elektrische Zustellfahrzeuge exportiert das Unternehmen in viele Länder, darunter Finnland und Australien, aber auch in der Schweiz bringen sie Briefe und Pakete zu den Empfänger*innen.
Ein echter Kreislauf
Die Herstellung von Fahrzeugen war dem Gründer Kyburz aber nicht genug. Er denkt viele Schritte weiter. So etwa in Richtung der Wiederverwertung von genutzten Fahrzeugen. Daher wurde am Sitz des Unternehmens in Freienstein nahe Zürich 2019 eine Recyclinganlage für gebrauchte Fahrzeuge aufgebaut. „Wir nehmen alte Fahrzeuge zurück, tauschen Verschleißteile aus und verkaufen sie weiter, etwa an die österreichische Post. Sie halten dann mindestens noch mal zehn Jahre.“
Einen klaren Fokus legt er zudem auf das Recycling von Batterien. „Wir wollen einen echten Kreislauf, in dem Rohstoffe wiederverwendet werden können.“ Daher machte sich das Unternehmen an ein eigenes Verfahren. „Der Gedanke am Anfang war: Lasst uns die Batterien genauso wieder auseinandernehmen, wie sie zusammengesetzt wurden.“ Hierfür entwickelte Olivier Groux, der als Student bei der Kyburz AG seine Diplomarbeit schrieb und auch heute noch für das Unternehmen arbeitet, einen besonderen Ansatz: Behält die Batterie eine Spannung von zwei Volt vor dem Recycling, lassen sich Rohstoffe voneinander lösen, die sich bei einer vollkommen entladenen Batterie nicht so einfach trennen lassen. „Bei dieser Art des Recyclings müssen keine Chemikalien eingesetzt werden und trotzdem gewinnen wir 91 Prozent der Rohstoffe zurück“, sagt der Unternehmer.
Patentiert wurde dieses Verfahren nicht. „Denn wir wollen dazu beitragen, die Umweltproblematik zu lösen.“ Heißt: Gute Verfahren bringen den gesamten Recyclingprozess voran, nicht nur den im schweizerischen Freienstein. Und an guten Verfahren arbeitet das Unternehmen weiter – „wir wollen es weiter verfeinern.“ Dabei geht es unter anderem auch um die Frage, wie Batterien von Anfang an so konstruiert werden, dass sie möglichst einfach recycelt werden können. Oder auch darum, wie das bei der Kyburz AG entwickelte Verfahren automatisiert werden kann.
Weniger Energie, weniger Salz
Die Faszination für die Technik hält bei Martin Kyburz damit auch über 30 Jahre nach der Unternehmensgründung noch an: Er tüftelt an Recyclingverfahren ebenso wie an Projekten zum autonomen Fahren oder zum Fleet Management beziehungsweise Fleet Monitoring. „Hier geht es zum Beispiel darum, den Fahrer*innen vor Augen zu führen, wie viel Energie sie verbrauchen und ihnen so dabei zu helfen, ökologischer zu fahren.“ Auch Streufahrzeuge in schneereichen Gebieten hat der Unternehmer dabei im Blick. „Solche Systeme sind intelligent und lernen von den Besten – sie können damit dabei helfen, in Zukunft so wenig Salz wie möglich zu streuen.“ Dass das Streufahrzeug möglichst elektrisch unterwegs sein sollte, versteht sich wahrscheinlich von selbst.
Martin Kyburz ist Maschinenmechaniker sowie Elektroingenieur. Die Geschichte seiner Firma, der Kyburz Switzerland AG, begann 1991 mit der Idee, ein eigenes Fahrzeug zu bauen. Der Cheetah, eine Mischung aus Auto und Motorrad mit Elektroantrieb, wurde 1992 auf dem Autosalon in Genf vorgestellt. 1994 entwickelte Kyburz ein elektrisches Fahrzeug für Senior*innen. 2002 begann er, an Zustellfahrzeugen für die Post zu arbeiten. Diese werden heute unter anderem in der Schweiz, in Finnland und Australien eingesetzt. Seine Firma mit Sitz im schweizerischen Freienstein bei Zürich hat mehr als 160 Mitarbeiter*innen und stellt Elektrofahrzeuge für Unternehmen sowie Privatleute her. 2002 stand Kyburz für den schnellsten Elektrorollstuhl der Welt im Guinnessbuch der Rekorde.