Energiespar-Verordnungen: Von kühlen Büros zu leuchtender Werbung
Um die momentane Gasknappheit gut auszugleichen, gilt es, möglichst viel Gas zu sparen – bis zu 20 Prozent. Mit den beiden hier vorgestellten Verordnungen hat die Bundesregierung zwei Instrumente geschaffen, um für den anstehenden Winter Energie zu sparen. Dabei beziehen sie sich auf kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen. Die EnSiKuMAV gilt vom 1. September 2022 bis 28. Februar 2023 für Handelsimmobilien, öffentliche Gebäude und Arbeitsstätten. Die EnSiMiMaV gilt vom 1. Oktober 2022 bis 30. September 2024 und richtet sich an Gebäudeeigentümer*innen und Unternehmen.
EnSiKuMaV - Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen
§ 3 Fakultative Temperaturabsenkung durch Mieter
Kurz erklärt: Mieter*innen müssen sich nun nicht mehr an eine bestimmte Mindesttemperatur halten, das heißt, wenn kein Heizbedarf besteht, können sie die Heizungen auslassen.
Einsparpotenzial: Je nachdem inwieweit die Mieter*innen vorher geheizt haben und nun heizen. Dadurch, dass keine Mindesttemperatur gehalten werden muss, kann die Temperatur gesenkt oder ungenutzte Flächen gar nicht geheizt werden. Pro Grad weniger Raumtemperatur ist dabei eine Ersparnis von 6 Prozent möglich
§ 4 Verbot der Nutzung bestimmter Heizungsarten für Schwimm- und Badebecken
Kurz erklärt: Private Schwimm- und Badebecken dürfen nicht mit Gas oder Strom aus dem Stromnetz beheizt werden.
Einsparpotenzial: Gering. Die Anzahl privater Schwimmbecken hält sich in Grenzen, so dass der quantitative Nutzen zu vernachlässigen ist. Diese Maßnahme hat vor allem eine symbolische Wirkung: Sie ist sozial gerecht, da auch die reicheren Menschen etwas tun müssen. Gezeigt wird: Luxuskonsum und Luxusgüter müssen in Krisen eingeschränkt werden.
§ 5 Verbot der Beheizung von Gemeinschaftsflächen
Kurz erklärt: In öffentlichen Gebäuden und Räumen, die nicht regelmäßig genutzt werden wie Flure und Treppen, ist Heizen verboten. Ausnahmen gibt es für Schulen, Kindergärten und den Gesundheitsbereich.
Einsparpotenzial: Derzeit noch wenig, aber mit Ausbaupotenzial. Die erfassten öffentlichen Gebäude machen zwar circa 19 Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland aus, jedoch betrifft die Verordnung und einen kleinen Teil von deren Flächen. Wenn private Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen generell weniger heizen, wird eine deutlich höhere Wirkung erzielt: Eine generelle Senkung der Temperatur um ein Grad würde knapp 1,7 Prozent des deutschen Strom- und Gasverbrauches sparen
§ 6 Höchstwerte für die Lufttemperatur in Arbeitsräumen in öffentlichen Nichtwohngebäuden
„In einem Arbeitsraum in einem öffentlichen Nichtwohngebäude darf die Lufttemperatur höchstens auf die folgenden Höchstwerte geheizt werden:
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für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit 19 Grad Celsius,
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für körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 18 Grad Celsius,
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für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit 18 Grad Celsius,
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für mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 16 Grad Celsius oder
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für körperlich schwere Tätigkeit 12 Grad Celsius.“
Kurz erklärt: Dieser Paragraf legt fest, wie warm es in den genutzten Arbeitsräumen sein darf. Dafür werden für bestimmte Tätigkeiten jeweils Temperaturen festgelegt. Für überwiegend sitzende Bürotätigkeit gilt demnach eine Temperatur von 19 Grad und für körperlich schwere Tätigkeiten reicht eine Beheizung auf 12 Grad. Ausnahmen sind Schulen und Kindergärten sowie Einrichtungen mit medizinischem oder Gesundheitshintergrund.
Einsparpotenzial: Wenn die Temperatur in allen Räumen im Gewerbe-, Handel- und Dienstleistungssektor um ein Grad gesenkt würde, würde etwa ein halbes Prozent des deutschen Strom- und Gasverbrauchs eingespart. Wenn private Haushalte mitziehen, steigt die Einsparung auf circa 1,7 Prozent
§ 7 Trinkwassererwärmungsanlagen in öffentlichen Nichtwohngebäuden
Kurz erklärt: Die Warmwasserversorgung in öffentlichen Gebäuden soll ausgeschaltet werden, wenn das Wasser überwiegend zum Händewaschen genutzt wird. Auch hier gibt es Ausnahmen für Schulen und Kindergärten sowie Einrichtungen mit medizinischem oder Gesundheitshintergrund.
Einsparpotenzial: Derzeit noch gering, aber mit Ausbaupotenzial. Öffentlich Gebäude machen nur einen kleinen Teil des Warmwasserverbrauchs aus. Würden hingegen alle privaten Haushalte und Unternehmen 50 Prozent weniger Warmwasser verbrauchen, würde das etwa 3,9 Prozent des deutschen Strom- und Gasverbrauches sparen
§ 8 Beleuchtung von öffentlichen Nichtwohngebäuden und Baudenkmälern
Kurz erklärt: Öffentliche Gebäude und Baudenkmäler werden nicht mehr beleuchtet. Das ist eine gut umzusetzende, kosteneffiziente Maßnahme, die eine hohe Symbolkraft hat. Eine höhere Wirkung hätte es, auch alle Werbung abzuschalten und die Schaufenster nicht zu beleuchten. Insbesondere die Beleuchtung von leeren Büros und Läden abzuschalten, würde eine Wirkung erzielen. Hier könnten Bewegungsmelder verwendet werden.
Einsparpotenzial: Schwer einzuschätzen, da die Datenlage unzureichend ist. Würden alle Haushalte und Unternehmen die Beleuchtungszeiten um 20 Prozent reduzieren, würden circa 3,4 Prozent des deutschen Stromverbrauchs (beziehungsweise 1,1 Prozent des Strom- und Gasverbrauchs) eingespart
§ 9 Informationspflicht über Preissteigerungen für Versorger und für Eigentümer von Wohngebäuden
Kurz erklärt: Alle Verbraucher*innen müssen über die Preissteigerungen bis zum 30. September 2022 informiert werden. Dabei sollen Informationen über den momentanen Energieverbrauch, die Energiekosten und über die voraussichtlichen Kosten übermittelt werden.
Einsparpotenzial: Wenn Verbraucher*innen tägliche Rückmeldungen über ihren aktuellen Verbrauch bekommen und dazu auch den Preis sehen, hat das die größten Einsparpotenziale: Sie werden dadurch animiert, fünf bis zehn Prozent zu sparen. Das hat eine Auswertung von mehr als dreißig Studien ergeben. Das ist ein guter Verbraucher- und Mieterschutz und regt zum Sparen an. Deswegen ist es wichtig, dass Preissteigerungen nicht erst durch die jährliche Nebenkostenabrechnung ins Bewusstsein rücken
§ 10 Ladentüren und Eingangssysteme im Einzelhandel
„In beheizten Geschäftsräumen des Einzelhandels ist das dauerhafte Offenhalten von Ladentüren und Eingangssystemen, bei deren Öffnung ein Verlust von Heizwärme auftritt, untersagt, sofern das Offenhalten nicht für die Funktion des Ein- oder Ausganges als Fluchtweg erforderlich ist.“
Kurz erklärt: Die Ladentüren im Einzelhandel müssen geschlossen bleiben.
Einsparpotenzial: Gering, aber die Maßnahme ist günstig und schnell umzusetzen. Außerdem zeigt die Maßnahme, dass auch der Einzelhandel sparen muss und soll. Lehrreich: Geschlossene Türen sind für die Wärme in Gebäuden, ebenso in privaten Wohnungen, ein wichtiges Mittel zum Energie sparen
EnSiMiMaV (Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen
§ 2 Heizungsprüfung und Heizungsoptimierung
Kurz erklärt: Alle Eigentümer*innen, die Gebäude mit Erdgasheizung besitzen, müssen diese überprüfen und bestimmte Einstellungen optimieren lassen. Je nach Größe des Gebäudes können auch größere Maßnahmen verpflichtend sein, beispielsweise ein hydraulischer Abgleich.
Einsparpotenzial: Groß. Heizungen gut einzustellen und auf ihre Funktionen zu überprüfen, ist lohnenswert und gut, dass es für Eigentümer*innen verpflichtend wird. Am meisten sparen größere Maßnahmen, die zwar nicht für alle verpflichtend sind, aber im Zuge der Überprüfung „entdeckt“ werden können. Der Einbau einer Umwälzpumpe kann in einem Zwei-Personenhaushalt bis zu 400 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr sparen. Ein hydraulischer Abgleich ist besonders sinnvoll, er kann 800 kWh Gas pro Jahr sparen
§ 4 Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen
Kurz erklärt: Die Verordnung verpflichtet Unternehmen, alle möglichen Energieeffizienzmaßnahmen zu analysieren und die wirtschaftlichen Maßnahmen innerhalb von 18 Monaten umzusetzen. Dazu müssen sie durch Zertifizierer*innen, Umweltgutachter*innen oder Energieauditor*innen bestätigen lassen, welche Maßnahmen umgesetzt und welche nicht umgesetzt wurden.
Einsparpotenzial: Groß, da die Möglichkeiten meistens nicht bekannt sind und daher nicht ausgeschöpft werden
Was noch zu tun wäre: Privathaushalte einbeziehen!
Alle Maßnahmen, die nun gelten, können etwa eine Energieersparnis von zwei Prozent des deutschen Strom- und Gasverbrauches erreichen.
Wenn die privaten Haushalte in ähnlichem Maß einbezogen würden, ließe sich noch einmal mehr als das Doppelte sparen. Würden zum Beispiel alle Haushalte die Temperatur um ein Grad senken, den Warmwasserverbrauch um 50 Prozent reduzieren und 20 Prozent weniger beleuchten, würden noch einmal fast fünf Prozent eingespart.
Über diese Maßnahmen hinaus, gibt es viele Möglichkeiten, im Tagesablauf Energie zu sparen. Dazu gehören zum Beispiel
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die Fenster abzudichten, Rohre zu dämmen und regulierbare Heizungsventile zu verwenden;
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effiziente Geräte zu verwenden und Geräte nicht zu groß zu dimensionieren
Verordnungen sind sinnvoll
Auch wenn die Verordnungen nur ein erster Schritt sind und für sich noch nicht sehr viel Energie sparen: Sie stoßen konkrete Maßnahmen an und sorgen für Gerechtigkeit: Anders als hohe Preise, die vor allem ärmere Menschen treffen, gelten sie für alle. So wie auch alle betroffen sein werden, wenn Strom und Gas nicht fließen. Außerdem zeigen die Verordnungen, was möglich ist und können gute Beispiele geben.
Dr. Corinna Fischer ist stellvertretende Leiterin des Bereichs Produkte & Stoffströme und arbeitet zu nachhaltigem Konsum am Standort Darmstadt. Den Text hat Clara Wisotzky verfasst. Sie arbeitet in der Öffentlichkeit & Kommunikation und setzt sich viel mit einem nachhaltigeren Leben auseinander
Weitere Informationen
Dr. Corinna Fischer in den Medien:
Auf tagesschau.de: Was spart wie viel Gas? am 14. Oktober 2022
Im BR: Einsparziele in der Energiekrise: Reichen die Maßnahmen? am 7. Oktober 2022
Im BR-Podcast IQ: Einsparziele in der Energiekrise - Reichen die aktuellen Maßnahmen? am 28.09.2022