EU-Emissionshandel für den Seeverkehr: Wie gestalten?
Die neue Studie des Öko-Instituts und Transport&Environment im Auftrag des Bundesumweltministeriums zeigt, wie eine Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Seeverkehr im „Fit for 55“-Paket gestaltet werden kann. Wie sich eine solche Regulierung zu potenziellen Maßnahmen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) verhalten würde, schreibt Wissenschaftlerin Nora Wissner.
Die Ausweitung des EU-Emissionshandels ist Teil eines Maßnahmenbündels, um den bisher unregulierten Seeverkehr auf den Pfad der Dekarbonisierung zu lenken. Dasselbe Ziel verfolgt die „FuelEU Maritime“-Initiative, die mittels Grenzen für die Emissionsintensität des Energieverbrauchs von Schiffen deren Reduktion anreizen soll.
Beide gehören zum „Fit for 55“-Paket. Die EU wird Mitte Juli darin eine Reihe von Legislativvorschlägen veröffentlichen, um das neue EU-Klimaziel zu realisieren. Dieses sieht eine Treibhausgasminderung um mindestens 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 vor. Die Anpassung bestehender Richtlinien und Verordnungen sowie der Vorschlag neuer Gesetzesinitiativen durch die EU-Kommissionen werden mit Spannung erwartet.
Auch der Seeverkehr bleibt diesmal nicht außen vor. Als Haupttreiber des globalen Handels trägt der Seeverkehr etwa zwei bis drei Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Der Anteil des Schiffsverkehrs an den CO2-Emissionen der EU beträgt drei Prozent mit über 140 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Die EU plant mit einer Reihe von Maßnahmen den Klimaschutz in diesem Sektor voranzubringen. Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz wird hierbei die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Seeverkehr spielen. Aktuell umfasst der EU-Emissionshandel den stationären Sektor sowie den innereuropäischen Luftverkehr.
Größte Wirkung: Einbezug aller Routen, die einen EU-Hafen involvieren
Mit der Ausgestaltung des Emissionshandels für den Seeverkehr hat sich eine aktuelle Studie des Öko-Instituts befasst. Eine hohe Wirksamkeit für den Klimaschutz sowie die Frage, inwieweit dies mit zukünftigen Maßnahmen auf globaler Ebene zusammenspielt, stehen in der Studie im Mittelpunkt. Die Wirksamkeit wird unter anderem beeinflusst durch die einbezogenen Emissionen, beispielsweise nur CO2 aber auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas, sowie den geographischen Anwendungsbereich.
Hierbei geht es beispielsweise darum, welche Schiffstypen und Routen von der Regulierung betroffen sind. Der Emissionshandel kann auf der bestehenden Monitoring-Regulierung der EU („EU MRV“) aufbauen, welche Schiffsbetreiber seit 2018 dazu verpflichtet, ihre CO2 Emissionen auf Routen innerhalb der EU, auf dem Weg zu einem EU-Hafen oder von einem EU-Hafen zu einem Hafen eines Drittstaates zu berichten.
Wenn nur Routen zwischen EU-Staaten in den Emissionshandel einbezogen würden, würde nur ein kleiner Teil der Emissionen abgedeckt. Die größte Wirkung würde der Einbezug aller Routen, die einen EU-Hafen involvieren, entfalten – welches sich mit dem Anwendungsbereich des EU MRV deckt. Darüber hinaus werden in der Studie noch weitere Fragestellungen diskutiert, wie die Veräußerung von Emissionszertifikaten (kostenlose Zuteilung vs. Auktionierung) und die Verwendung potenzieller Auktionseinnahmen. Da die Gefahr von sogenannter „carbon leakage“, also der Verlagerung von (CO2-intensiver) Produktion ins Ausland, beim Schiffsverkehr im Vergleich zu anderen Sektoren gering ist, wäre die volle Auktionierung von Emissionszertifikaten im Schiffsverkehr angebracht. Nachhaltige, alternative Kraftstoffe sind für den Seeverkehrssektor der größte Hebel, um Emissionen zu mindern. Diese Kraftstoffe sind heutzutage noch sehr teuer. Um die Preislücke zu fossilen Kraftstoffen zu verringern und Investitionen zu ermöglichen, sollten Teile der Auktionseinnahmen in den Sektor zurückfließen.
Regionale versus globale Regulierung
Bepreist die EU die Emissionen im Seeverkehr, würde sie international vorangehen. Denn die Internationale Schifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen, die IMO, hat noch keine vergleichbaren Instrumente eingeführt. Mitgliedsstaaten der IMO haben gerade erst begonnen potenzielle CO2‑Bepreisungsmechanismen auf globaler Ebene zu diskutieren. Prinzipiell ließen sich eine EU-Regulierung und eine globale CO2-Bepreisung miteinander vereinbaren und an einander anpassen, solange grundlegende Bausteine, wie etwa Ziel und Datengrundlage kompatibel sind. Welche Art von CO2-Bepreisung auf globaler Ebene beschlossen werden könnte – also ob Emissionshandel, Abgabe oder etwas anderes – ist Stand heute aber noch unklar.
Studie "Integration of maritime transport in the EU Emissions Trading System" des Öko-Instituts
Nora Wissner ist Expertin für Klimaschutz in der Schifffahrt und arbeitet im Bereich „Energie & Klimaschutz“ am Standort Berlin.