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Factsheets: Umbau des europäischen Emissionshandels unter der Lupe

Die Europäische Kommission hat Legislativvorschläge vorgelegt, um das energie- und klimapolitische Instrumentarium auf das neue Klimaziel auszurichten. Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts haben sich die Vorschläge für den europäischen Emissionshandel in vier Factsheets sortiert und kommentiert.

Im Fit for 55-Paket hat die Europäische Kommission Legislativvorschläge vorgelegt, um das energie- und klimapolitische Instrumentarium auf das neue Klimaziel auszurichten: die Emissionsminderung um mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990. Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts haben die Vorschläge für den europäischen Emissionshandel in vier Factsheets sortiert und kommentiert.

Eine Reform des Emissionshandels ist notwendig und mit dem Fit-fo-55-Paket der Europäischen Kommission angestoßen. Wie wirken sich die Vorschläge auf die europäischen Klimaschutzziele aus? In welche Richtung wird sich der europäische Emissionshandel (EU-ETS) entwickeln? Welche Auswirkungen hat eine Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr und die Anpassungen für den Luftverkehr? Was bedeutet der Grenzausgleichsmechanismus für CO2?

 

Factsheet 1 "Ausrichtung des EU-ETS und der Marktstabilitätsreserve auf das neue EU-Klimaschutzziel für 2030"

In diesem Faktenblatt werden zentrale Aspekte des Vorschlags für den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) und die Marktstabilitätsreserve (MSR) skizziert. Die wichtigsten Elemente auf einen Blick:

  1. Die Klimaschutzambition des EU-ETS soll erhöht werden. Bis 2030 sollen die Emissionen (inkl. See- und Luftverkehr) um 61 Prozent gegenüber 2005 sinken. Dieses Ziel soll durch einen linearen Reduktionsfaktor (LRF) von 4,2 Prozent und eine Reduktion des Caps im Jahr nach Inkrafttreten der Änderung erreicht werden (117 Millionen Zertifikate im Jahr 2024 bei Inkrafttreten im Jahr 2023).

  2. Der Anwendungsbereich des EU-ETS soll auf den Seeverkehr erweitert werden. Das Cap erhöht sich dadurch um 79 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Erst nach Ablauf einer Einführungsphase gilt ab 2026 auch im Seeverkehr eine Abgabepflicht für 100 Prozent der Emissionen.

  3. Das System der kostenlosen Zuteilung für die Industrie soll grundsätzlich bestehen bleiben. Für Sektoren, die von dem neuen Grenzausgleichsmechanismus erfasst werden, soll die kostenlose Zuteilung ab 2026 schrittweise bis auf 0 im Jahr 2035 reduziert werden.

  4. Im Seeverkehr soll keine kostenlose Zuteilung gewährt, sondern voll auktioniert werden. Die kostenlose Zuteilung für Luftverkehrsbetreiber soll Ende 2026 auslaufen.

  5. Die Architektur der Marktstabilitätsreserve (MSR) soll generell bestehen bleiben. Die verdoppelte Aufnahmerate von 24 Prozent soll über 2023 hinaus bis 2030 verlängert werden. Eine Sonderregelung soll Schwelleneffekte bei der Aufnahme von Zertifikaten vermeiden. Die Zertifikatemenge in der MSR soll auf 400 Millionen begrenzt und Luft- und Seeverkehr sollen in die Berechnung der Umlaufmenge aufgenommen werden.

  6. Innovations- und Modernisierungsfonds sollen aufgestockt, für weitere Projekte und Länder geöffnet und die Vergaberegeln angepasst werden. Außerdem sollen die Auktionserlöse seitens der Mitgliedstaaten zu 100 Prozent in Klimaschutzmaßnahmen und zur Unterstützung von Haushalten mit geringem Einkommen investiert werden (bisher 50 Prozent).

  7. Die Kommission zielt auf eine schnelle Umsetzung der Vorschläge schon ab dem Jahr 2024 ab.

Weitere Informationen zu den Punkten 1 bis 7 im Factsheet “Ausrichtung des EU-ETS und der Marktstabilitätsreserve auf das neue EU-Klimaschutzziel für 2030”

 

Factsheet 2 "Einführung eines CO2 -Grenzausgleichsmechanismus in der EU"

Die EU-Kommission hat einen Grenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) für bestimmte Sektoren vorgeschlagen, um dem Risiko der Verlagerung von Treibhausgasemissionen („Carbon Leakage“) entgegenzuwirken. Dieses besteht, wenn "weltweit unterschiedliche Ambitionsniveaus bestehen bleiben", während die EU ihre Reduktionsziele beschleunigt. Gemäß dem am 14. Juli 2021 von der Kommission (als Teil des „Fit-for-55-Pakets“) veröffentlichten CBAM-Vorschlag wird für die mit bestimmten importierten Gütern verbundenen Treibhausgasemissionen derselbe Kohlenstoffpreis gezahlt wie im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS). Dieses Faktenblatt gibt einen Überblick über die vorgeschlagene Ausgestaltung und Funktionsweise des CBAM. Die wichtigsten Elemente auf einen Blick:

  1. Das Hauptziel der EU-Kommission beim CBAM ist es, durch Regulierung der herstellungsbedingten Treibhausgas-(THG)-Emissionen von Waren bei ihrer Einfuhr in das Zollgebiet der Union das Carbon-Leakage-Risiko zu verhindern. Darüber hinaus soll der CBAM den EU-ETS stärken und die Industrie außerhalb der EU und ihre internationalen Partner dazu anregen, ihre Emissionen zu reduzieren.

  2. Der CBAM soll die derzeitigen Carbon-Leakage-Maßnahmen ersetzen: kostenlose Zuteilung von EU-Zertifikaten (EUAs) und finanzieller Ausgleich für die in den Strompreisen enthaltenen indirekten Emissionskosten.

  3. Der CBAM gilt für die direkten herstellungsbedingten (grauen) Emissionen bestimmter Importgüter (Grundstoffe und Grunderzeugnisse) aus den Sektoren Zement, Strom, Düngemittel, Eisen und Stahl sowie Aluminium. Nach einer Überprüfung kann der Anwendungsbereich nach 2025 auf andere Sektoren und/ oder auf indirekte THG-Emissionen ausgeweitet werden.

  4. Der CBAM soll mit einer Übergangszeit ohne finanzielle Verpflichtungen zwischen 2023 und 2025 beginnen. Ab 2026 müssen die Importeure CBAM-Zertifikate abgeben, die den gesamten in den importierten Waren enthaltenen Emissionen entsprechen. Und sie werden diese von einer zuständigen nationalen Behörde erwerben. Der CBAM-Preis basiert auf den durchschnittlichen Auktionspreisen der EUA der vorangegangenen Woche.

  5. Der Grenzausgleichsmechanismus soll für die betroffenen Erzeugnisse schrittweise die Funktion des Carbon-Leakage-Schutzes übernehmen und die derzeitigen Maßnahmen ersetzen. Ab 2026 soll die kostenlose Zuteilung jedes Jahr um 10 Prozent sinken und bis 2035 vollständig ersetzt werden. Während dieser Übergangsphase wird die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate um die kostenlose Zuteilung für diese Waren reduziert.

  6. Ausgenommen sind Länder, die am EU-ETS teilnehmen oder mit ihm verknüpft sind. Weitere Länder könnten vom CBAM ausgenommen werden, wenn die Abkommen „ein höheres Maß an Wirksamkeit und Ehrgeiz bei der Dekarbonisierung eines Sektors gewährleisten“.

  7. Einige wichtige Gestaltungsaspekte werden in späteren Durchführungsrechtsakten geklärt. Beispielsweise die detaillierten Methoden für die Meldung und Berechnung der Abgabeverpflichtung.

Weitere Informationen zu den Punkten 1 bis 7 im Factsheet “Einführung eines CO2 -Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) in der EU”

Factsheet 3 "Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr"

Der Legislativvorschlag für die Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr sieht nicht nur eine Änderung der Emissionshandelsrichtlinie (EHRL -2003/87/EC) vor, sondern auch eine Anpassung der EU „Monitoring, Reporting and Verification“ (EU MRV) Verordnung (2015/757). Die Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr ist Teil eines Maßnahmenpakets der EU, um die Emissionen in diesem Sektor zu senken und einen Beitrag zu den EU-Klimazielen zu leisten. Die wichtigsten Elemente auf einen Blick:

  1. Der Seeverkehrssektor soll ab 2023 in den existierenden EU-ETS integriert Die Anzahl der Zertifikate im EU-ETS wird daher im Jahr 2023 um 79 Millionen erhöht. Die Allokation erfolgt vollständig über die regulären Auktionen.

  2. Vom EU-ETS sollen CO2-Emissionen von Schiffen mit einer Bruttoraumzahl über 5.000 wie folgt erfasst werden: 100 Prozent im Hafen eines Mitgliedsstaates, 100 Prozent zwischen EU-Staaten, 50 Prozent auf Strecken zu/ von EU-Häfen.

  3. Der Vorschlag baut stark auf der EU MRV Verordnung auf (welche durch den Vorschlag zum ETS angepasst werden soll, wobei der seit 2019 laufende Revisionsprozess bislang nicht abgeschlossen wurde) vor allem bezüglich Regulierungspunkt, Schiffstyp, -größe und Verifizierungsprozess.

  4. Von 2023 bis 2026 ist eine Übergangsphase mit einem schrittweisen Anstieg des Anteils der Emissionen geplant, für die Emissionszertifikate eingereicht werden müssen.

Weitere Informationen zu den Punkten 1 bis 4 im Factsheet “Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr”

Factsheet 4 "Luftverkehr im EU-ETS und CORSIA im Fit for 55-Paket"

Zentrale Aspekte des Vorschlags für den Luftverkehr im Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) und im Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) sowie die Vorschläge zum Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen im Luftverkehr, die Energiesteuer- und die Erneuerbaren-Richtlinie skizziert.

  1. Die Regeln des EU-Emissionshandels und CORSIA gelten je nach Route: Für innereuropäische Flüge wird der EU-ETS angewendet, für Flüge von und zu Drittländern gelten die CORSIA-Regeln.

  2. Der EU-Emissionshandel erfasst Flüge in und zwischen Ländern des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie nach Großbritannien und in die Schweiz. Hinzu kommen von 2024 an Flüge von und zu EU-Regionen in äußerster Randlage. Das Cap soll ab 2024 jährlich um 4,2 Prozent sinken. Das ist der gleiche lineare Reduktionsfaktor wie für den stationären Sektor. Die kostenlose Zuteilung soll auslaufen und durch Auktionierung aller für den Luftverkehr vorgesehenen Emissionsberechtigungen ersetzt werden.

  3. Bei CORSIA unterliegen die Luftfahrzeugbetreiber jeweils in ihren Heimatländern der Berichts- und Löschungspflicht. Die Berichtspflicht gilt seit 2019. Von 2021 an löschen Luftfahrzeugbetreiber Zertifikate für einen Teil ihrer Emissionen auf Routen zwischen an der CORSIA-Löschungsverpflichtung teilnehmenden Ländern, um das Emissionswachstum im Sektor auszugleichen. Für EWR-Luftfahrzeugbetreiber weicht die Liste der zulässigen Zertifikate von der der ICAO ab, um unter anderem die Doppelzählung von Emissionsminderungen weiter zu vermeiden. Ab 2027 ist die Teilnahme an CORSIA für fast alle Länder bis auf bestimmte Entwicklungsländer verpflichtend. Für Routen von und zu Ländern, die nicht von CORSIA erfasst sind und die nicht als Entwicklungsländer von CORSIA ausgenommen sind, gelten ab 2027 die Emissionshandelsregeln.

  4. Der Verordnungsentwurf „ReFuelEU Aviation“, die Energiesteuerrichtlinie und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie geben wichtige Impulse für den Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen. Über eine Mindestquote für nachhaltige Treibstoffe und Mindeststeuern für fossile Kraftstoffe soll ein sicherer Absatzmarkt geschaffen werden, der zur Reduktion von Treibhausgasen im Luftverkehrssektor selbst beiträgt.

Weitere Informationen zu den Punkten 1 bis 4 in dem Factsheet "Luftverkehr im EU-ETS und CORSIA im Fit for 55-Paket"

Nora Wissner ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Energie & Klimaschutz in Berlin. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist der Klimaschutz und die Klimapolitik im Luft- und Seeverkehr.

Weitere Informationen

Alle Factsheets des Umweltbundesamtes zum Umbau des europäischen Emissionshandels

Podcast „Wie viel Klimaschutz kann die EU?“ des Öko-Instituts (Die Gesprächspartnerin des Moderatorinnenteams ist, Sabine Gores, ist Senior Researcher im Öko-Instituts. Sie arbeitet zu nationaler und internationaler Klimaschutzpolitik und beschäftigt sich dabei insbesondere mit dem europäischen Emissionshandel und der Lastenteilung (Effort Sharing) sowie der Erstellung und Analyse von Treibhausgasprojektionen.) Pressemitteilung zum Podcast

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