Forschen für Ressourcenschonung und Abfallvermeidung: Drei Jahrzehnte, die den Blick auf Müll revolutionierten
Wie kann die klassische Kreislaufwirtschaft dazu beitragen, mit unserem Müll bestmöglich umzugehen? Diese Frage zieht sich durch das gesamte Forscherdasein von Günter Dehoust. In über 200 Projekten, Vorträgen und Veröffentlichungen hat Dehoust in seinen über drei Jahrzehnten am Öko-Institut dieses Thema bearbeitet.
Anfänge und immer bereit
Nach seiner Lehre als Landwirt und einer Ausbildung zum Techniker studiert er Umweltschutz in Bad Kreuznach und Bingen. Anfang der 1980er Jahre noch ein eher selten gewähltes Fach. „Das Studium war für mich naheliegend, nachdem ich bereits in der Landwirtschaft gesehen habe, wie wichtig der Umweltschutz ist“, sagt Dehoust im Rückblick.
Nach dem Studium war seine erste Anstellung bei der Stadt Düsseldorf. Bereits dort arbeitete er zu Altlasten und Grundwasserschutz. „Ich hatte auch Öl- und Giftalarmbereitschaft, das war für mich als Berufsanfänger eine prägende Zeit. Ich hatte die Verantwortung und musste innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen.“ Diese Verantwortung zu übernehmen, hat ihn in seinem weiteren Berufsleben gute Dienste erwiesen.
Nach der Station in Düsseldorf wechselte der Umweltschützer ins Regierungspräsidium in Darmstadt. Dort war er zuständig für kommunale Abfälle, Deponien und unterschiedlichste Abfallbehandlungsanlagen der Industrie. Über diese Arbeit kam er in Kontakt mit dem Öko-Institut. Auch wenn der Name für ihn schon da nicht unbekannt war: „Bereits im Studium habe ich Publikationen von beispielsweise Rainer Grießhammer zum Waldsterben für meine Arbeiten verwendet.“ Doch nun begegnet er bei einem Erörterungstermin für eine Sonderabfallverbrennungsanlage der Hoechst AG Christoph Ewen, damaliger Bereichsleiter Chemie am Standort Darmstadt. Obwohl sie auf dem Termin unterschiedliche Parteien vertraten, merkten sie schnell, dass sie in der Sache gleicher Meinung waren und der Kontakt blieb bestehen. 1990 wechselt Dehoust zunächst als Projektmitarbeiter zum Öko-Institut: Sein erster Vertrag war auf neun Monate begrenzt. Doch aus neun Monaten wurden insgesamt 34 Jahre.
Anfang am Öko-Institut – erfolgreich gegen Abfallverbrennnung
„Als ich beim Öko-Institut anfing, waren wir in Darmstadt im Chemiebereich nur zu fünft und arbeiteten in einer Villa nähe Mathildenhöhe im Keller und im oberen Stockwerk“, erinnert sich der Wissenschaftler. Sein Bereich wurde später umbenannt in Industrie & Unternehmen und heißt nun Ressourcen & Mobilität – eine lange Geschichte, hinter der sich auch die Wandlung des Instituts verbirgt.
Eines seiner ersten großen Projekte war in der Gemeinde Schwabach. Dort wurde ein Sonderabfallzentrum, unter anderem mit Deponie und Verbrennungsanlage, in direkter Nachbarschaft zu einem Wohngebiet betrieben und die Gemeinde beauftragte das Institut die Grundwasserbelastung und die weiteren möglichen Auswirkungen der Deponie zu bewerten. „Dort gab es auch eine sehr engagierte Bürgerinitiative, die vor allem aus Frauen aus der dortigen Wohnsiedlung bestand. Dieser Kontakt führte zu Einsätzen für den Umweltschutz in Katalonien und Navarra.“ Doch dazu später mehr. Es war ein konfliktreiches Projekt bei dem letzten Endes akzeptiert werden musste, dass Umweltschäden aus Altanlagen oft nicht komplett saniert werden können. Umso wichtiger, dass sie von vornherein vermieden werden!
Dieser Auftrag zog viele weitere zum Thema Müllverbrennung und Sondermüllanlagen nach sich. Das Thema bestimmte seine Forschung in den 1990er Jahren. Die Aufträge waren begleitet durch viele Erörterungstermine und Widerstand. „Wir waren oft besser vorbereitet und hatten die bessere Strategie. Wir setzten uns sehr detailliert mit den Gutachten der anderen auseinander.“ Die Aufträge in der Zeit kamen überwiegend von kleinen Städten und Bürgerinitiativen. Aber auch aus Luxemburg. Über mehrere Jahre analysierte Dehoust dort für verschiedene Gemeinden die Auswirkungen möglicher Deponien. „Auch Jean-Claude Juncker moderierte manche Runden und versuchte zu vermitteln. Aber letzten Endes zeigte sich, dass Luxemburg keine eigene Sondermülldeponie braucht.“
Von Müllverbrennung zu Müllvermeidung
Die Projekttypen von damals kommen heute kaum noch vor. Nach Müllverbrennung und deren Ersatztechniken stand Müllvermeidung an erster Stelle. Wie kann Müll reduziert und somit die erste Stufe der Abfallhierarchie erfüllt werden? In einigen Projekten für das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium oder auch für Landesministerien, erforschte er mit Kolleg*innen aus dem Öko-Institut und weiteren Instituten die Möglichkeiten der Abfallvermeidung: Reparatur und Wiederverwendung statt Entsorgung und Neukauf sowie das gemeinsame Nutzen von Produkten. Mit diesen Projekten wurde unter anderem die Grundlagen für das nationale Abfallvermeidungsprogramm in Deutschland gelegt.
„Ich war unter den ersten vier mit Betriebshandy“, erinnert sich Dehoust. „In einem Projekt wurde das als erforderlich angesehen, um im Notfall schneller für die Auftraggeber erreichbar zu sein.“ Auch Laptops und andere digitale Arbeitsmöglichkeiten bestimmten früh den Berufsalltag. Wichtig war ihm beim gemeinsamen Arbeiten auch, anderen Kolleg*innen immer zu ermöglichen mitzuwirken, sie zu fördern und zu fordern. So war er die vielen Jahre als engagierter und sozialer Kollege sehr geschätzt.
Seit Anfang der 2000er forscht Dehoust viel im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA). Zuvor waren die Meinungen des Öko-Instituts und des UBA zu Abfallverbrennung zu unterschiedlich und konfliktreich: das Umweltbundesamt hat damals den weiteren Ausbau der Müllverbrennung unterstützt.
Die erste Klimabilanz der Abfallwirtschaft wurde 2005 für das UBA, das Bundesministerium für Umwelt, den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) und den NABU veröffentlicht. Damit wurden zum ersten Mal die Leistungen der Kreislaufwirtschaft zum Klimaschutz umfassend bewertet. Inzwischen wurden Neuauflagen für Deutschland und Europa, aber auch für die OECD-Staaten bilanziert. Anschließend waren auch viele Kommunen und kommunale Abfallverbände an Bilanzen ihrer Abfallwirtschaft und den Auswirkungen aktueller Planungen interessiert.
Von Müllvermeidung zu Verpackungen und Recycling
Nach Müllverbrennung und Müllvermeidung wurden schließlich Verpackungsverordnung und Recycling die Schwerpunkte von Dehousts Forschung. „Wie kann gutes Recycling gelingen und wie können die Stoffe so möglichst wertvoll wieder aufbereitet werden?“ – ist die prägende Frage seiner letzten Berufsjahre. So beruht das heutige Verpackungsgesetz zum Teil auf einem Planspiel und daraus folgenden Veröffentlichungen von 2010, in dem erörtert wurde, wie eine Wertstofftonne aussehen könnte. Das Gesetz wurde damals im Bundesrat gekippt, aber die wertvollen Erfahrungen blieben.
Schwerpunkte waren unter anderem auch Konzepte, wie die Ressourcenverschwendung im Bereich von Verpackungen und Einwegprodukten reduziert werden kann. Hierzu hat Dehoust bereits 2009 für den NABU ein Konzept zu einer Verpackungssteuer erarbeitet, deren Einführung sowohl Unverpackt- und Mehrwegsysteme als auch das Recycling und den Einsatz von Rezyklaten anstelle von Primärressourcen fördern könnte. Heute wird die Verpackungssteuer, im Rahmen der sogenannten EU-Plastic-Tax auf nicht recycelte Kunststoffverpackungen, in verschiedenen Ausgestaltungen intensiv diskutiert.
Inzwischen hatte der langjährige Mitarbeiter auch seinen Bürostandort gewechselt, von Darmstadt kam er nach mehreren Jahren überwiegend im Homeoffice 2011 ins Berliner Büro.
Von anderen lernen
Immer wieder reiste der Wissenschaftler auch für seine Forschung in andere Länder. Seine ersten Auslandsaufträge erhielt Dehoust durch die oben erwähnte Bürgerinitiative in Schwabach, die ihn nach Barcelona vermittelte. „In Katalonien wurde Anfang der 90er-Jahre viel über Sondermüllanlagen gestritten und Expertise zu Bewertungen war willkommen. Deswegen hielt ich einige Vorträge vor Ort. Auf deutsch – sie wurden parallel ins Katalanische übersetzt.“ Eine spannende Reise für den Wissenschaftler am Anfang seiner Forschungslaufbahn – es wurde viel und heiß diskuitert. Anschließend war er auch in Navarra und im Baskenland als Vortragsgast gefragt.
Doch nicht nur in Westeuropa war Dehoust unterwegs: Er fuhr auch mehrfach nach Russland und nach China, um die dortige Situation kennenzulernen und mit Expertise zu unterstützen. „Dort kam oft die Frage nach dem wirtschaftlichen Interesse des Öko-Instituts in diesen Ländern auf, dass wir unabhängig forschen könnten, kam ihnen nicht in den Sinn und war für sie eher suspekt.“ Diese Reisen erlebte Dehoust als sehr bereichernd, auch für seine Forschung in Deutschland. „Perspektiven zu erweitern ist immer wichtig.“
Diesen Satz nimmt er auch mit in seinen nächsten Lebensabschnitt: „Eine große Reise will ich dieses Jahr machen und auch so fallen mir genügend Projekte ein“, freut sich Günter Dehoust auf seine Rente. Seinen Kolleg*innen wird der allseits hilfsbereite Wissenschaftler fehlen.
Günter Dehoust war 34 Jahre lang Wissenschaftler beim Öko-Institut, zunächst in Darmstadt und seit 2011 im Berliner Büro im Bereich Ressourcen & Mobilität. Abfall- und Kreislaufwirtschaft war der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn.
Ich kenne Günter Dehoust aus Forschungsprojekten mit dem Umweltbundesamt. Aufgrund seiner tiefgehenden Expertise und seines freundlichen Wesens war es immer eine große Freude mit ihm zusammen zu arbeiten. Herzliche Grüße und alles Gute!!! Marlene Sieck
Lieber Günter,
eine beeindruckende Karriere - von den kommunalen Anfängen bis zu internationalen Gefilden!
Alles Gute
wünscht
Martin Führ