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Grüne Stimuli in Konjunkturpaketen: Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009

Wie das Konjunkturpaket zur Coroanakrise gepackt sein muss, damit es wirtschaftlich und ökologisch wirkt - das haben sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysiert.

Klimaschutz und Konjunkturprogramme können verzahnt sein. Umgesetzt wurde dies in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 aber nicht. Insgesamt verpassten alle Länder die Chance, Konjunkturpakete so zu packen, dass sie wirtschaftlich, sozial und ökologisch wirken und zu Resilienz und Krisenfestigkeit beitragen. Welche Lehren sich daraus für das Corona-Konjunkturpaket ziehen lassen, haben sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysiert.

 

 A. Die Essenz

Erfolgreiche Konjunkturpakete sind mutig, denken groß und weit voraus: Sie setzen auf neue flexible Wertschöpfungsketten, statt alte Strukturen zu manifestieren. Damit können Länder verpasste Entwicklungen aufholen und sich in Zunftsbereichen wettbewerbsfähig machen.

Wo stünde Deutschland wohl heute, wenn wir in der Finanzkrise 2008/2009 zum Beispiel nicht mit Abwrackprämien mit schwachen Standards, sondern mit Investitionsförderung in neue Wertschöpfungsketten reagiert hätten? Möglicherweise wären Elektroautos weit verbreitet, erneuerbarer Strom könnte leichter quer durchs Land transportiert werden und klimafreundliche Technologien wären weiterentwickelt. Gibt uns die jetzige Krise noch eine neue Chance, die Transformation zu einer klimafreundlichen Gesellschaft zu beschleunigen?

 

Klare Kriterien helfen bei der Gestaltung wirksamer Konjunkturpakete!

Die Erfahrung aus den früheren Konjunkturpaketen zeigt, dass klare Kriterien nötig sind, um die drei Ws festzulegen:

  1. Was wird gefördert?
  2. Wer wird gefördert?
  3. Und wie wird es gefördert?

Nur robuste und anspruchsvolle Kriterien erlauben, Konjunkturpakete so zu schnüren, dass sie wirtschaftlich, sozial und ökologisch wirken und zu Resilienz und Krisenfestigkeit beitragen. Den vergangenen Programmen hat eine solche konsistente Betrachtung zumeist gefehlt.

 

Schnell, substanziell und nachhaltig!

So lauten aus unserer Sicht daher die wichtigsten Kriterien für ein gutes Konjunkturpaket.

  • Die Maßnahmen müssen schnell eingeführt werden und wirken.

  • Gleichzeitig sollen sie nur temporär sein.

  • Sie müssen ausreichend mit finanziellen Mitteln ausgestaltet sein.

  • Und sie benötigen die Reichweite, um Wirkungen zu entfalten.

  • Ihre Wirkungen sollen nachhaltig sein in mehrfacher Hinsicht: Sie sollen die Wirtschaft ankurbeln und nicht verpuffen. Sie sollen sozial gerecht sein und niemanden außen vorlassen. Sie sollen umwelt- bzw. klimafreundlich sein, um natürliche Ressourcen zu schonen.

  • Dabei sollen die Kriterien ambitionierte Standards setzen, um neuen zukunftsweisenden Strukturen Raum und Möglichkeiten zur Entwicklung zu geben. So hat beispielsweise das Konjunkturprogramm der USA viele neue und flexible Wertschöpfungsstrukturen ermöglicht und Impulse für ökologische technische Innovationen gegeben. Dies ließ sich in Deutschland und anderen Ländern nicht beobachten. Essentiell sind auch Kriterien für die Refinanzierung der Pakete. Die Unterstützung der Banken in der Finanzkrise wurden auf den Rücken der Steuerzahler ausgetragen. Wirtschaftsunternehmen wurden zu Lasten der Bevölkerung gestützt. Der Aufschwung nach der Krise dagegen kam in Deutschland nicht der Allgemeinheit zu Gute. In den USA wurden Unternehmen nach der Krise stärker zur Refinanzierung in die Pflicht genommen. Kriterien dafür wurden direkt in das Konjunkturprogramm integriert.

 

Soziale und ökologische Wirkungen in Konjunkturprogrammen mitdenken!

Soziale und ökologische Wirkungen müssen in Konjunkturpaketen mitgedacht werden, um unsere Gesellschaften für die Zukunft zu stärken. Staatliche Investitionen, Förderungen und Kredite eignen sich gut, um die Wirtschaft zu beleben und gleichzeitig sozialen und ökologischen Missständen zu begegnen. Eine Inanspruchnahme dieser Gelder kann an Bedingungen gekoppelt werden. Mit Blick auf vergangene Erfahrungen können wir ableiten: soziale und ökologische Bedingungen müssen von Anfang an als maßgebliche Kriterien in die Gestaltung der Konjunkturpakete einfließen, und sie müssen stark genug formuliert sein, um positive Wirkung zu entfalten.

 

B. Die Herleitung aus der Analyse der Konjunkturpakete in verschiedenen Ländern in den Jahren 2008 und 2009

Eine Krise ist eine schwierige Lage, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt, so beschreibt es der Duden. Während sie einerseits große Schwierigkeiten verursacht, bietet sie gleichzeitig die Chance für eine neue Orientierung politischen Handelns.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 war eine Krise wie aus dem Lehrbuch: Zunächst brachen die Banken zusammen, weil zu viele Menschen aufgenommene Kredite nicht zurückzahlen konnten. Daraufhin wurde die ganze Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen: Die Nachfrage litt, der Absatz brach ein – anschließend die Gewinne. Investitionen wurden zurückgestellt und die Produktion ging zurück. Mit Konjunkturpaketen reagierten Staaten in unterschiedlicher Weise auf die Finanzkrise. Die wirtschaftliche Tätigkeit in ihren Gesellschaften sollte wieder angekurbelt werden.

 

Krisen sind sich ähnlich und doch immer wieder anders

Die jetzige Covid-19 Pandemie ist keine wirtschaftlich verursachte Krise. Sie hat sehr ähnliche Konsequenzen auf die Wirtschaft wie die Finanzkrise 2008/2009. Allerdings stehen die Banken diesmal nicht im Vordergrund. Wie vorhergegangene Krisen kann auch sie die Möglichkeit für entscheidende politische Impulse bieten.

Vor dem Hintergrund der sich immer mehr verschärfenden Klimakrise fragen wir uns: Können wir aus den Erfahrungen mit den früheren Konjunkturpaketen der Finanzkrise etwas darüber lernen, wie wir Unterstützungsprogramme in der Corona-Krise ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig gestalten können? Wie kann es gelingen, die Gesellschaft zukunftsorientiert aus der Krise zu navigieren? Wie können wir die Krise als Chance nutzen, um durch Konjunkturhilfen gleichzeitig Maßnahmen gegen die Klimakrise voranzubringen?

Detaillierte Erkenntnisse dazu werden Kürze im DBU-geförderten Abschluss-Papier „Zukunftsfähige Konjunkturimpulse zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise (insbesondere für KMU)“ veröffentlicht. Eine komprimierte Version der Analyse gibt es bereits in der Pressemeldung „Coronakrise: Konjunkturmaßnahmen im Nachhaltigkeitscheck“ und in einem zusammenfassenden Papier.

Unsere Schlüsselerkenntnisse aus der Analyse einiger Konjunkturpakete der Finanzkrise möchten wir hier weiter ausführen.

 

Bewältigung der Finanzkrise: Einige Staaten dachten grün, andere nicht

Die Finanzkrise geschah 2008/2009 zu einer Zeit, in der die Klimakrise noch nicht so drängend empfunden wurde wie heute. Die Konjunkturpakete dienten vor allem der Stärkung der Wirtschaft. Trotzdem beinhalteten Konjunkturpakete einiger Staaten grüne Elemente. Einige dieser grünen Elemente waren wirksam und durchdacht, andere nicht.

  1. USA: Darlehensprogramm für die Elektromobilität

In den USA enthielt das Konjunkturprogramm zum Beispiel ein Bündel von Maßnahmen, das darauf abzielte, der Elektromobilität einen entscheidenden Schub zu geben. Die Förderung orientierte sich dabei an der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette:

  • Sie unterstützte zum einen die heimische Fertigung von Fahrzeugbatterien und den Ausbau einer Ladeinfrastruktur.

  • Zum anderen beinhaltete sie gleichzeitig Steuergutschriften als Kaufanreize für emissionsarme Fahrzeuge.

  • Außerdem flankierte ein Darlehensprogramm („Advanced Technology Vehicles Manufacturing (ATVM) Loan Program“) für den Bau von klimafreundlichen Fahrzeugen: Es vergab Kredite für die Entwicklung fortschrittlicher Antriebstechnologien. Mit Hilfe dieses Kreditprogramms wurde zum Beispiel die TESLA Fabrik in Kalifornien realisiert.

Das Programm entfaltete eine positive wirtschaftliche und ökologische Lenkungswirkung, indem es zukunftsfähige Technologien in ihrem Frühstadium förderte und die USA in diesem Bereich wettbewerbsfähig machte. Die damit verbundenen Risiken waren einkalkuliert, so dass trotz Zahlungsausfällen einiger Kreditempfänger unter dem ATVM das Darlehensprogramm ohne Verluste für den Steuerzahler blieb.

Die politische Agenda Obamas bot in den USA ein günstiges Gelegenheitsfenster: Als frisch gewählter Präsident konnte er neue Themen vorantreiben. Dennoch hat der Verkehr im letzten Jahrzehnt den Energiesektor als größter Emittent in den USA abgelöst. Das Programm zur Förderung von Elektroautos konnte zwar wichtige Impulse setzen, war aber erst der Anfang des Umbaus der amerikanischen Mobilität.

  1. Abwrackprämien in Deutschland, Frankreich, USA: eine Farce!

Abwrackprämien hingegen hatten zwar einen grünen Anstrich, entpuppten sich aber als Farce. Sie wurden zunächst in Deutschland und Frankreich, und anschließend auch in den USA und einigen anderen Ländern umgesetzt.

Die Gelder zur Förderung der Automobilindustrie sollten Investitionen in klimafreundlichere Fahrzeuge ermöglichen. Die Bedingungen, die die Hersteller erfüllen mussten waren allerdings viel zu schwach. Die Abwrackprämien stärkten zwar kurzfristig die betroffenen Branchen. Aber die erfolgreiche Lobbyarbeit der Automobilindustrie bewahrte alte Strukturen, statt mutig neue zu befördern. In der Konsequenz wurde viel Geld für wenige Autokäufe zur Stützung einer Branche ausgegeben. Somit widersprachen diese Maßnahmen auch den Grundsätzen der Verteilungsgerechtigkeit. Sie kamen nur Personen zugute, die genug Geld für den Kauf eines neuen Autos hatten.

  1. Kanada: Alternatives Prämienmodell im Verkehrsbereich- auch nicht wirklich erfolgreich

Wie eine Abwrackprämie alternativ gestaltet werden kann, zeigt ein Beispiel aus Kanada. Teilnehmer am National Vehicle Scrap Program konnten von 2009 bis 2011

  • neben einer Barzahlung von 300 kanadischen Dollar, das entspricht etwa 188 Euro,

  • auch andere Prämien wie beispielsweise ein Fahrrad,

  • einen Zuschuss für ein Jahresticket des ÖPNV oder

  • eine Mitgliedschaft in einem Car-Sharing-Programm für die Verschrottung eines Altautos erhalten.

Ausgestattet mit 92 Millionen kanadischen Dollar, das entspricht 58 Millionen Euro, wurde diese Maßnahme vom Umweltministerium betreut, allerdings nicht als Teil des kanadischen Konjunkturprogramms. Allerdings entfaltete auch dieses Programm keine transformative Wirkung: der Großteil der Konsumenten und Konsumentinnen entschied sich für eine Barprämie, um mithilfe von Rabatten der Autohersteller ein neues Auto zu kaufen, anstatt ihr Mobilitätsverhalten umzustellen.

  1. Deutschland und Frankreich: Chance verpasst

Das französische Konjunkturpaket sah zwar einige Gelder für grüne Maßnahmen wie die Förderung erneuerbarer Energien oder die energetische Gebäudesanierung vor. Insgesamt wurde in Frankreich jedoch die Chance verpasst, die umfangreich bereitgestellten Mittel für Infrastrukturmaßnahmen stärker nach ökologischen Kriterien auszurichten.

Auch in Deutschland wurde zu wenig auf den Ausbau des öffentlichen (Nah-)Verkehrs geachtet. Eine weitere Chance hätte darin bestanden, zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme zu fördern, um zu garantieren, dass für die sozial-ökologischen Umbau genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen.

  1. Südkoreas „Green New Deal“ konnte Emissionswachstum nicht stoppen

In Südkorea hingegen wurde das Konjunkturpaket als „Green New Deal“ mit einem sehr hohen Anteil an grünen Maßnahmen aufgelegt. Allerdings fehlten die politischen Rahmenbedingungen, um das Wachstum des Landes auch tatsächlich grün zu gestalten.

So gab es keine flankierenden politischen Maßnahmen wie eine CO2-Steuer oder ein Emissionshandelssystem, die klimaschädliche Emissionen mit einem Preis versah und technologische Innovation förderte. In der Folge wuchsen mit der Wirtschaft auch die Emissionen Südkoreas nach der Krise.

 

Diese Fehler dürfen nicht wiederholt werden!

Klima- und Umweltschutz und Konjunkturpakte können Hand in Hand gehen: Viele Klimaschutz- und Umweltschutzmaßnahmen sind konjunkturbelebend und viele Konjunkturmaßnahmen können sich an Umweltzielen ausrichten. Unter dieser Maßgabe kann die Krise zur Chance werden. Sie kann Investitionen anstoßen, die die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft vorantreiben, die ohne Konjunkturprogramm nicht oder erst später stattgefunden hätten.

Dr. Martin Cames, Felix Fallasch, Dr. Hannah Förster, Viktoria Noka, Dr. Katja Schumacher und Anne Siemons arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich Energie und Klimaschutz an den Standorten Berlin und Darmstadt.

Weitere Informationen

Abschlussbericht „Zukunftsfähige Konjunkturimpulse zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise“ (gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt)

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Diskussionspapier "Impulse für ein nachhaltiges Konjunkturpaket im Kontext der Covid-19 Pandemie"

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DBU und Öko-Institut haben in einem #DBUdigital Online-Salon das Konjunkturpaket der Bundesregierung einem ersten Nachhaltigkeitscheck unterzogen und eigene zukunftsfähige Konjunkturimpulse vorgestellt:

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Weitere Beiträge:

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Diskussionspapier „Neue Kaufanreize für Pkw“

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Podcast „Wie klimafreundlich ist das neue Konjunkturpaket?“

Interview mit Dr. Katja Schumacher bei detector.fm

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„Das Wechselspiel von Corona Krise, Recovery und Nachhaltigkeitstransformation“

Vortrag von Jan Peter Schemmel bei der Mitgliederversammlung 2020 des Öko-Instituts.

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