Hier mal nach grün

ein Online-Assistent für nachhaltigeren Konsum
© freepik.com
Lässt sich unser Konsum steuern?
Sie will uns verführen. Zu noch einem T-Shirt. Einem neuen Smartphone. Einer Reise in den Süden. Und künstliche Intelligenz ist sehr geschickt in dieser Kunst. Könnte man dieses Geschick nicht nutzen, um den Konsum in eine umwelt- und klimafreundliche Richtung zu lenken? „KI bringt zahlreiche Risiken für die sozial-ökologische Transformation mit sich. Das liegt vor allem an den Rahmenbedingungen und den Geschäftsmodellen hinter den großen Plattformen, die uns zu immer mehr Konsum motivieren sollen und hierfür inzwischen zahlreiche Methoden kennen“, sagt Dr. Maike Gossen, Expertin für nachhaltigen Konsum an der Technischen Universität (TU) Berlin. Das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein, das bei den Verbraucher*innen durchaus vorhanden und verankert ist, wird dabei viel zu selten in konkretes Handeln umgesetzt. „Das liegt aber auch daran, dass in der konkreten Kaufentscheidung oft das Wissen fehlt, was die nachhaltigere Option ist.“ Hier setzte ein Einkaufsbegleiter an, den die TU gemeinsam mit der Berliner Hochschule für Technik und der grünen Suchmaschine Ecosia entwickelt hat.
Der Assistent fürs Grüne
„Der Green Consumption Assistant, kurz GCA, war nicht allein auf Konsumentscheidungen ausgerichtet, sondern diente der Information und Orientierung von Verbraucher*innen“, so Gossen. Im Rahmen des inzwischen abgeschlossenen Projektes wurden unterschiedliche Funktionen entwickelt, einige sind nach wie vor bei Ecosia verfügbar. So etwa der KI Chat, ein grüner Chatbot, der auf ChatGPT basiert, aber neben den Standardantworten umwelt- und klimabewusste Antworten gibt. Ihn kann man nach vegetarischen Ideen fürs Abendessen fragen – und wird dann auch erfahren, dass es für die Umwelt von Vorteil ist, sich saisonal und regional zu ernähren. Er macht Vorschläge für eine klimabewusste Urlaubsreise – und betont dabei, dass man sich auch vor Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad fortbewegen kann.
Nach wie vor verfügbar ist ebenso ein Ranking, das zeigt, ob Unternehmen ihre Klimaversprechen einhalten. „Auf Ecosia kann ich über eine Einordnung von A bis F sehen, wie ambitioniert die Klimaziele der zehn meistgesuchten Unternehmen und Organisationen sind. Eine schlechte Einstufung könnte die Unternehmen dazu motivieren, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.“ Inzwischen eingestellt sind ein Reiseplanungs-Tool, das klimafreundliche Alternativen zum Fliegen zeigte, sowie die Vorschlagsfunktion des Shoppingportals von Ecosia für nachhaltigere Produktalternativen in den Bereichen Elektronik und Kleidung, die auf verlässlichen Nachhaltigkeitslabeln wie dem Blauen Engel, dem Grünen Kopf oder dem GOTS (Global Organic Textile Standard) beruhte. Im Jahr 2022 wurden so insgesamt 1,4 Millionen Produktempfehlungen in 16 Produktkategorien gegeben. „Für ein Projektteam wie das unsere wäre es unmöglich, jedes im Internet verfügbare Produkte mit einer Ökobilanz zu bewerten, und leider stellen die meisten Unternehmen kaum oder wenig verlässliche Daten zur Verfügung.“
Erfolg für die Nachhaltigkeit?
Eine Suchmaschine sei zwar genau der richtige Knotenpunkt, um den Konsum in eine nachhaltigere Richtung zu steuern. Doch für einen breiten Einsatz eines grünen Konsumassistenten brauche es mehr Geld, mehr Zeit, mehr Marketing, so Gossen. „Die großen Digitalunternehmen haben massive finanzielle Ressourcen, da ist es schwierig mitzuhalten. Ecosia ist zwar die größte europäische Suchmaschine, hat aber in Deutschland trotzdem nur einen Marktanteil von einem Prozent. So lange die großen Anbieter wie Google auf diesem Weg nicht mitziehen, wird es eine Nische bleiben.“ Ob solche Einkaufsbegleiter ein Erfolg sein könnten, hängt natürlich auch von den Konsument*innen selbst ab. In einer Auswertung des Green Consumption Assistant mit Fokusgruppen stieß das Projektteam durchaus auf Interesse für die erdachten Funktionen. „Wir sehen aber auch, dass sich die Menschen nicht gerne etwas vorschreiben lassen. Wenn es eine freiwillige Entscheidung ist, gehen sie gerne den nachhaltigeren Weg. Wenn die Vorschläge und Empfehlungen moralisierend erscheinen, weichen die Menschen eher zurück.“
Gleichzeitig betont die Wissenschaftlerin, dass solche Anwendungen nur einen Teil des Problems lösen können.

Wir müssen uns grundsätzlich mit dem Klimawandel und knapper werdenden Ressourcen auseinandersetzen. Und der Kern des Problems ist ja, dass wir schon jetzt viel zu viel konsumieren. Es ist wichtig, dass wir weniger konsumieren und uns auf Dinge wie Teilen, die Zweitnutzung und Reparatur verlagern – auch hierfür hat der Green Consumption Assistant übrigens Vorschläge gemacht.
Dr. Maike Gossen forschte mehrere Jahre am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), ihre Dissertation hat sie zum Thema „Suffizienzförderndes Marketing von Unternehmen“ geschrieben. An der Technischen Universität (TU) Berlin koordinierte sie das Forschungsprojekt Green Consumption Assistant , welches das Ziel hatte, Verbraucher*innen online bei nachhaltigeren Konsumentscheidungen zu unterstützen – etwa über die Anzeige von grünen Produktalternativen, ein Nachhaltigkeitsranking großer Unternehmen sowie einen grünen Chatbot.
Weitere Informationen
Porträt von Dr. Maike Gossen im Magazin eco@work, Ausgabe 01/2025
Bild Dr. Maike Gossen © Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum der TU Berlin