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Innovationen in der Anreizregulierung der Stromnetze

Stromnetze stehen vor Herausforderungen durch erneuerbare Energien, Wärmepumpen und E-Autos. Dafür müssen Netzbetreiber flexible Lösungen für einen sicheren Betrieb finden. Deswegen muss die Anreizregulierung angepasst werden. Moritz Vogel und Prof. Dr. Dierk Bauknecht erläutern, wie das gehen könnte.

Erneuerbare Energien und Verbraucher*innen als Herausforderung

Stromnetze sehen sich großen Herausforderungen gegenüber. Für den Klimaschutz werden erneuerbare Energien an das Stromnetz angeschlossen. In der Vergangenheit orientierte sich Stromerzeugung am Verbrauch. Kraftwerke wurden dann angeschaltet, wenn Strom benötigt wurde. Erneuerbare Energien können dies aufgrund der variierenden Verfügbarkeit von Wind und Sonne nicht mehr. Sie müssen erzeugen, wenn sie können. Auch neue Verbraucher wie Wärmepumpen und E-Autos werden an das Stromnetz angeschlossen. Dadurch werden Emissionen im Wärme- und Mobilitätssektor gespart. Für diesen neuen Stromverbrauch sind die Netze jedoch bisher nicht ausgelegt gewesen. Sie habe nicht immer genug Kapazität, um Strom zu übertragen.

Netzbetreiber müssen trotz dieses großen Wandels einen sicheren Netzbetrieb gewährleisten. Dies kann zukünftig durch einen aktiven Betrieb der Netze gelingen. Dabei greift der Netzbetreiber auf die Flexibilität von Kraftwerken, Verbraucher*innen und Speichern zu. Erzeugung oder Verbrauch werden dann erhöht oder reduziert, um zu gewährleisten, dass Erzeugung und Verbrauch übereinstimmen und die Netzkapazität nicht überschritten wird.

Zukünftig werden also Flexibilität von Verbraucher*innen und Erzeugern und die Digitalisierung der Netze den Werkzeugkasten der Netzbetreiber erweitern. Damit Netzbetreiber diese neuen Werkzeuge einsetzen können, muss sich jedoch die Anreizregulierung, das Regelwerk in dem Netzbetreiber in Deutschland wirtschaften, weiterentwickeln.

Kosten des Netzbetriebs als Hindernis

Die Anreizregulierung definiert, welche Kosten Netzbetreiber in Rechnung stellen dürfen. Diese Kosten zahlen die Stromverbraucher*innen über die Netzentgelte. Zuständig dafür ist die Bundesnetzagentur als deutsche Regulierungsbehörde und die Landesregulierungsbehörden der Bundesländer.

Kosten entstehen im Netzbetrieb durch den Ausbau und den Betrieb der Netze. Bisher begünstigt die Anreizregulierung jedoch besonders Investitionen in neue Leitungen, um erneuerbare Kraftwerke und Verbraucher*innen anzuschließen. Innovative Lösungen, wie der Zugriff auf Flexibilität von Verbraucher*innen oder der Einsatz intelligenter digitaler Lösungen sind für sie durch ihren Kostentyp unattraktiv: Sie können sie nur schwierig über die Netzentgelte geltend machen. Auch, wenn sie dabei möglicherweise Kosten gegenüber einem Netzausbau sparen würden, greifen sie eher nicht zu dieser Option, sondern nutzen Investitionen in kapitalkostenintensive Netzinfrastruktur.

Eine Überarbeitung der Kostenregulierung

Damit Netzbetreiber diese neuen Lösungen erwägen, können die Regulierungsbehörden Anreize für die Netzbetreiber schaffen. Ein Ansatz dafür ist die Gleichbehandlung von kapital- und betriebskostenintensiven Lösungen. Diese so genannten „Totalkostenansätze“ kommen heute bereits in Großbritannien zum Einsatz. Dabei werden bei der Festlegung der Netzentgelte zunächst die Gesamtkosten der Netzbetreiber betrachtet und nicht nach Betriebs- und Kapitalkosten getrennt.

Dies Kosten werden in zwei Teile aufgeteilt: Ein Teil wird wie bisher als Kapitalkosten behandelt. Netzbetreibern wird für diese Kosten erlaubt, bei der Festlegung der Netzentgelte Zinsen anzurechnen. Dies bildet die finanziellen Kosten der Netzbetreiber ab, die sie durch die Verwendung des in der Investition gebundenen Kapitals haben. Der andere Teil wird wie Betriebskosten behandelt und die Zinsanrechnung wird nicht erlaubt. Unabhängig davon, welche Lösungen Netzbetreiber einsetzen, können sie also sicher sein, dass ein Teil ihrer Kosten begünstigend als Kapitalkosten behandelt wird. Wie die eingesetzte Lösung aussieht, ist somit unerheblich und Netzbetreiber nutzen jene Lösungen, die insgesamt zu den niedrigsten Kosten führen.

Experimentieren in einer Regulatory Sandbox

Innovationen können Netzbetreibern auch ermöglicht werden, ohne die Kosten des Netzbetriebs zu ändern. Ein Instrument dafür sind Regulatory Sandboxes. In diesen zeitlich und räumlich begrenzten Experimentierräumen werden Regularien verändert oder ausgesetzt. Neue Lösungen, die im heutigen System der Anreizregulierung nicht möglich sind, sollen dadurch umgesetzt und erprobt werden.

Regulatory Sandboxes dienen dabei dem Lernen von Netzbetreibern und Regulierenden gleichermaßen. Netzbetreiber können neue Technologien einsetzen, und so mehr über mögliche Kosten und Nutzen dieser Anwendungen erfahren. Die Regulierungsbehörde lernt, wie eine neue Regel wirkt, ob sie angepasst oder aufgehoben werden sollte. Regulatory Sandboxes wurden bereits in Deutschland im Rahmen der SINTEG-Projekte realisiert, die ermöglichte, dass Märkte für Flexibilität im Netzbetrieb erprobt wurden. Dies war nur durch die gewährte regulatorische Ausnahme möglich. Dabei stellte sich heraus, dass sich Flexibilität eher schwer durch diese Märkte erschließen lässt und dass die gewährte regulatorische Ausnahme umständlich in der Anwendung war.

Innovationen sollten eine größere Rolle in der deutschen Anreizregulierung spielen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Anreizregulierung weiterzuentwickeln, um Netzbetreibern den Zugriff auf innovative Technologien zu ermöglichen. Diese könnten so die Herausforderungen der Energiewende besser bewältigen. Die Bundesnetzagentur sollte diese Möglichkeiten abwägen und bei einer Überarbeitung der Anreizregulierung berücksichtigen. Besonders vor dem Hintergrund eines zügigen Ausbaus erneuerbarer Energien und zeitintensiven Netzausbaus spielt dies eine immer größer werdende Rolle.

Moritz Vogel & Prof. Dr. Dierk Bauknecht  sind Experten für Anreizregulierung und arbeiten im Bereich Energie und Klimaschutz am Freiburger Standort des Öko-Instituts.

Weitere Informationen

Impulspapier „Innovationen in der Anreizregulierung“ des Öko-Instituts im Rahmen der Kopernikusprojekte

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