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Ist der Wärmesektor „Fit for 55“?

Without putting the heating sector on track, the EU cannot reach net zero. The Green Deal provides the opportunity to set the course towards making heating fit for 55. Dr. Sibylle Braungardt explains why and how this can succeed.

Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch ihr „Fit for 55“-Paket und schlägt damit den gesetzlichen Rahmen vor, um das verschärfte Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen von 55 Prozent im Jahr 2030 zu erreichen und den Übergang zu „Netto-Null“-Emissionen bis 2050 sicherzustellen. Der Wärmesektor der EU wird in mehreren europäischen Richtlinien adressiert, zentrale Bestimmungen zu seiner Dekarbonisierung sind in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie enthalten. Die Richtlinie gibt das Ziel vor, den Anteil erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältebereich um 1,1 Prozent pro Jahr zu erhöhen. In dem von der EU-Kommission vorgestellten Vorschlag für die Novellierung der Richtlinie bleibt das 1,1-Prozent-Ziel bestehen und wird verbindlicher formuliert, während das Ziel für Mitgliedsstaaten mit Abwärmenutzung von 1,3 Prozent auf 1,5 Prozent erhöht wird. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Ist dieses Ziel ausreichend, um den Sektor in Richtung einer vollständigen Dekarbonisierung zu lenken? Sind die Mitgliedstaaten der EU auf dem richtigen Weg, um dieses Ziel zu erreichen? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um den Wärmesektor "fit for 55" zu machen?

Status quo: Nur 22 Prozent der Wärme- und Kälteerzeugung in der EU stammen aus erneuerbaren Energiequellen

Die Wärme- und Kälteerzeugung der EU-27 basiert größtenteils auf fossilen Brennstoffen: Im Jahr 2019 stammten nur 22 Prozent der Wärme- und Kälteerzeugung in der EU aus erneuerbaren Energiequellen. Die Anteile unterscheiden sich stark zwischen den Mitgliedstaaten. Schweden, Finnland, Lettland und Estland nehmen mit Anteilen von mehr als 50 Prozent eine führende Rolle ein. Am unteren Ende liegen die Niederlande, Belgien, Irland und Luxemburg mit Anteilen von weniger als 10 Prozent.

Die Größe der Kreisdiagramme spiegelt den Anteil der erneuerbaren Wärme- und Kälteerzeugung wider Biomasse ist in den meisten EU-Mitgliedstaaten die mit Abstand wichtigste erneuerbare Energiequelle für die Wärmeerzeugung und macht etwa 80 Prozent der erneuerbaren Wärme in der EU-27 aus. Wärmepumpen liefern 12 Prozent des gesamten erneuerbaren Wärmebedarfs in der EU-27, mit größeren Anteilen in den südlichen Ländern sowie in Frankreich und Schweden. Die Solarthermie hat in südlichen Ländern wie Zypern, Griechenland und Malta einen bedeutenden Anteil, auf EU-Ebene liegt ihr Anteil an der erneuerbaren Wärme jedoch nur bei 2 Prozent. 

Ambition des 1,1 Prozent -Ziels - auf dem Weg zur Dekarbonisierung?

Um das EU-Ziel von „Netto-Null“ im Jahr 2050 zu erreichen, muss der Wärmesektor vollständig dekarbonisiert werden.

Mit dem Ziel von 1,1 Prozent wird der Anteil der erneuerbaren Wärme- und Kälteerzeugung im Jahr 2030 rund 34 Prozent betragen. Das bedeutet, dass sich die erforderliche jährliche Rate nach 2030 verdreifachen muss, um 100 Prozent im Jahr 2050 zu erreichen.

Auf dem Weg zur Erreichung des 1,1 Prozent-Ziels: mehr Maßnahmen erforderlich

Die meisten Mitgliedstaaten erreichen das 1,1 Prozent -Ziel derzeit nicht, sondern liegen noch weit darunter.

Bei einigen von ihnen verringert sich der Anteil sogar. Insbesondere die Mitgliedstaaten mit hohem Wärmebedarf wie Deutschland, Frankreich oder Italien verfehlen derzeit das 1,1 Prozent -Ziel.

Wie kann der Wärmesektor dekarbonisiert werden?

Die zentralen Treiber für eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Wärme sind die Senkung der Energienachfrage und der Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Technologien.

Blicken wir zunächst auf die Energienachfrage: in den letzten 15 Jahren ist der Energiebedarf für Wärme und Kälte in der EU weitgehend konstant geblieben (siehe Grafik unten). Wie kann der Energiebedarf aber signifikant gesenkt werden? Darauf mag es unterschiedliche Antworten geben, aber wir legen den Fokus hier zunächst auf der Sanierung von Gebäuden. Die Sanierungsrate von Gebäuden muss sich verdoppeln und dabei müssen tiefgreifende Renovierungen sichergestellt werden. Die Neufassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, für die noch in diesem Jahr ein Vorschlag von der EU-Kommission vorgelegt werden soll, ist ein passender Anlass, dies in den kommenden Jahren auf den Weg zu bringen.

Gleichzeitig muss der Einsatz von erneuerbaren Technologien im Bereich der Wärme- und Kälteerzeugung beschleunigt werden. Ein schneller Ausstieg aus fossilen Brennstoffen für Heizzwecke ist notwendig in Kombination mit einer massiven Verbreitung von Wärmepumpen und erneuerbarer Fernwärme. Im Bereich der Prozesswärme muss die Energieeffizienz weiterhin deutlich erhöht und der Umstieg auf kohlenstoffarme und -freie Prozesse forciert werden. Außerdem müssen Ansätze der Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz stärker gefördert werden. Da Biomasse – anders als andere erneuerbare Energiequellen – eine begrenzte Ressource ist, sollte ihre Nutzung für diese Zwecke jedoch eingeschränkt werden, um eine nachhaltige Ressourcennutzung zu gewährleisten.

Fazit

Erneuerbare Energiequellen machten im Jahr 2019 nur 22 Prozent der Wärme- und Kälteerzeugung in der EU aus und ein jährlicher Anstieg um 1,1 Prozent reicht nicht aus, um 2050 „Netto-Null“-Emissionen zu erreichen. Darüber hinaus liegen die Fortschritte in den meisten Mitgliedstaaten weit unter dem Ziel.

Wenn wir die Ziele für 2030 und Netto-Null im Jahr 2050 erreichen wollen, müssen wir Lösungen angehen, die den Energiebedarf senken und fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetzen.

Die Sanierungsrate von Gebäuden muss verdoppelt und dabei tiefgreifende Renovierungen sichergestellt werden. Die Revision der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, für die noch in diesem Jahr ein Vorschlag vorgelegt werden soll, ist eine günstige Gelegenheit, dies in den kommenden Jahren auf den Weg zu bringen. 

Ohne den Wärmesektor muss auf Kurs zu bringen, kann die EU ihr Netto-Null Ziel für 2050 nicht erreichen. Der Green Deal bietet die Chance, die Weichen zu stellen, um den Wärmesektor „fit für 55“ zu machen.

Dr. Sibylle Braungardt ist Senior Researcher in der Abteilung Energie & Klima des Öko-Instituts in Freiburg und beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit der Wärmewende. Dieser Artikel wurde mit der Unterstützung von Clara Schlomann geschrieben.

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