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Landwende - Nachhaltige Agrarsysteme

Wie stellen wir die Landwirtschaft naturverträglich und klimaresilient auf? Wie ernähren wir uns, dass es unserer Gesundheit und dem Planeten bekommt? Wie bringen wir Waldschutz und nachhaltige Holznutzung in Einklang? Und wie nutzen wir die verfügbaren Flächen vor dem Hintergrund konkurrierender Ansprüche? Kurz: Wie gelingt die Landwende zum Schutz von Klima und Biodiversität? Diese und weitere Fragen beantwortet das Policy Brief des Öko-Instituts.

Wo steht die Landwirtschaft?

Rund die Hälfte der Landesfläche in Deutschland sind Äcker und Weiden oder Wiesen. Die Landwirtschaft hat damit einen großen Einfluss auf Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt. Er ergibt sich auch aus der Intensität der Nutzung. Der hohe Kostendruck in der Lebensmittelwirtschaft und im -einzelhandel wirkt zudem weit in die Landwirtschaft hinein. In der Folge vergrößern sich die Betriebe und die Spezialisierung steigt. Seit Jahren werden zudem die Ackerschläge größer, Strukturelemente wie Hecken oder Feldraine nehmen ab, die Fruchtfolgen werden enger. In Kombination mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln liegt darin eine wichtige Ursache des Artensterbens.

Das Ausmaß der Tierhaltung ist nicht nachhaltig

Die Haltung von Nutztieren ist in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mittlerweile konzentriert sie sich vor allem im Nordwesten und im Alpenvorland. Gewirtschaftet wird in immer größeren Einheiten, die Tierhaltung benötigt viel Fläche: Auf fünf Millionen Hektar Ackerland wird Tierfutter angebaut – für die pflanzliche Ernährung sind es 4,2 Millionen Hektar. Hinzu kommen etwa vier Millionen Hektar Grünland, das überwiegend zur Tierfütterung eingesetzt wird, sowie zusätzlich importierte Futtermittel.

Neben dem hohen Flächenbedarf für das Futter verursacht die Tierhaltung Luftschadstoffe und Nährstoffemissionen in Wasser und Böden. Auch die meisten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft und Landnutzung – insgesamt 83 Prozent – gehen auf die Tierhaltung zurück. Sie entstehen beim Futteranbau sowie bei der Verdauung der Wiederkäuer und durch Tierexkremente. Eine weitere große Treibhausgasquelle sind trockengelegte Moorstandorte, die heute größtenteils als Grünland für die Milchkuh- und Rinderfütterung genutzt werden.

Eine gefährdete Arbeitsgrundlage

Intakte Ökosysteme sind die Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion. Der Schutz von Klima, Ressourcen und Arten ist für die Landwirtschaft daher unverzichtbar. Doch die Grenzen der Belastbarkeit des Erdökosystems gelten in Hinsicht auf die Stoffkreisläufe für Stickstoff und Phosphor ebenso wie mit Blick auf die Biodiversität und das Klima als bereits überschritten. Dieser Situation tragen verschiedene umweltpolitische Ziele bereits Rechnung. So soll die ökologische Landwirtschaft auf 25 bis 30 Prozent ausgebaut, der Anteil von Biodiversitätsflächen in der Agrarlandschaft auf zehn Prozent erhöht werden. Hinzu kommen Reduktionsziele für den Pestizideinsatz und die Stickstoffemissionen.

Die langfristigen Klimaschutzziele der Landwirtschaft über das Jahr 2030 hinaus sind hingegen noch weitgehend unklar: Energiebedingte Emissionen lassen sich durch die Nutzung erneuerbarer Quellen und eine höhere Energieeffizienz reduzieren. Die Emissionen aus Bodennutzung und Tierhaltung lassen sich nicht so einfach senken. Es gibt nur begrenzte technische Möglichkeiten und eine hohe Unsicherheit zu deren langfristigem Wirkungspotenzial.

So oder so werden immer Restemissionen bestehen bleiben, eine erhöhte Kohlenstoffspeicherung in Wäldern, Mooren oder Böden ist daher zum Ausgleich notwendig. Klar ist jedoch: Ohne weitere Minderungen werden die verbleibenden Emissionen zu hoch sein, um im Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen.

Lösungen für eine naturverträgliche und klimaresiliente Landwirtschaft

Schon heute kämpfen Landwirt*innen mit den Folgen des Klimawandels und müssen sich an ihn anpassen. Dürreperioden nehmen zu, Unwetter gefährden und zerstören Ernten. Die Lösung liegt aus unserer Sicht in dauerhaft naturverträglichen und klimaresilienten Anbausystemen. Die Diversifizierung macht die Landwirtschaft resilienter gegenüber den Risiken des Klimawandels: Durch Humusaufbau und das Anlegen von Gehölzstrukturen kann Kohlenstoff auf den Flächen gebunden werden. Sinnvoll ist es zudem, vielfältige Ackerkulturen zu etablieren, Flächen durch Agroforstsysteme temporär zu verschatten, sparsam mit Wasser umzugehen und so die Klimaresilienz zu steigern sowie die Grundwasserneubildung auf landwirtschaftlichen Flächen zu verbessern. Auch ein effizienter Umgang mit Stickstoff und seine optimale Ausnutzung sollten im Fokus stehen. Damit steht aber auch weniger Fläche und oft ein geringerer Ertrag für die heutigen Nutzungen zur Verfügung – unsere Konsumgewohnheiten stehen auf dem Prüfstand. Ineffiziente Bioenergiekulturen mit einjähriger Ackerpflanzen sollten weitestgehend aufgeben werden.

Zusätzlich braucht die Tierhaltung eine neue Struktur, die auch auf das Tierwohl achtet: In Moorregionen und in Gebieten mit hohen Tierbestandsdichten ist eine Verringerung des Tierbestands sinnvoll, insgesamt ist mehr Tierwohl gefragt. Die Tiere brauchen mehr Platz, mehr Auslauf, mehr Licht und mehr Spielmaterial. Zusätzlich sollten sie verstärkt von Grünland und aus Reststoffen gefüttert werden. Wertvoll sind auch geschlossene Nährstoffkreisläufe, die etwa durch Flächenbindung der Tierhaltung entstehen.

Und was heißt das konkret? Die Instrumente

Es besteht also ein großer Transformationsbedarf in der Landwirtschaft. Die Politik muss hierfür einen verlässlichen Rahmen setzen, etwa indem sie eine stringente und langfristige Förderpolitik umsetzt und konkrete, langfristige Ziele setzt, die eine verlässliche Orientierung für die Investitionen der Landwirte bieten. Dies betrifft die Entwicklung der Tierbestände und klimafreundliche Ernährungsempfehlungen ebenso wie mögliche Restemissionen der Landwirtschaft in einem klimaneutralen Deutschland.

Verhaltensänderung im Fokus

Der Schlüssel bei alldem ist das Verhalten der Konsument*innen. Denn produziert wird nur, was auch nachgefragt wird. Wird weiterhin nachgefragt, was hierzulande nicht mehr produziert wird, so wird es zudem importiert, Umwelteffekte verlagern sich ins Ausland.

Subventionen und Förderung

Ein zentraler Schritt ist eine Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), des zentralen europäischen agrarpolitischen Steuerungsinstruments, das über enorme Mittel verfügt und daher eine kreislauforientierte Landwirtschaft wirkungsvoll fördern kann. Aus Umweltsicht steht die GAP etwa wegen pauschaler, flächenbezogener Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe und zu geringe ökologische Ambitionen in der Kritik. Klimaschädliche Subventionen müssen abgebaut und Gemeinwohlleistungen umfangreich vergütet werden. Dazu gehört auch, die Leistungen von Landwirt*innen direkter zu honorieren.

Gleichzeitig sollten zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Umbau der Landwirtschaft zu finanzieren. Möglich wäre dies etwa durch nationale Fördermittel oder auch ein Umlagesystem nach dem Vorbild des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Ein wichtiges Instrument ist zudem eine Flächenbindung für die Tierhaltung und eine Grünlandbindung für Wiederkäuer sowie eine Anpassung der Düngegesetzgebung. So sollte die Stoffstrombilanzverordnung mit Blick auf Obergrenzen für Stickstoffüberschüsse verschärft werden.

Für eine verbesserte Nutztierhaltung haben bereits das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung im Jahr 2020 und die Zukunftskommission Landwirtschaft im Jahr 2021 konkrete Maßnahmenempfehlungen vorgelegt. Eine am Tierwohl orientierte Tierhaltung kostet Geld, einerseits eine Investitionsförderung für den Stallumbau, andererseits sind auch Prämien zur Kompensation höherer Betriebskosten für die Landwirt*innen wichtig, da sie dauerhaft höhere Kosten durch eine tiergerechte Haltung haben.

Finanzierung sicherstellen

Für diese Kosten sind neue Finanzierungsinstrument notwendig. Eine Option für die Finanzierung ist etwa eine Anhebung der Mehrwertsteuer für Fleischprodukte von heute 7 auf 19 Prozent. Dies könnte auch den Fleischkonsum um rund 11 Prozent reduzieren. Diese Anhebung muss im Rahmen einer konsequenten ökologischen Steuer- und Finanzreform erfolgen. Denn es sollte vermieden werden, dass die Preise für tierische Lebensmittel aus kontrolliert biologischer Tierhaltung unverhältnismäßig steigen. Ziele einer solchen Reform müssen der Abbau von umweltschädlichen Subventionen sowie die Honorierung von Gemeinwohlleistungen sein – so etwa von bodenerhaltenden Bodenbewirtschaftungsmaßnahmen oder biodiversitätsfördernden Anbausystemen. Erhöht sich die Mehrwertsteuer auch bei anderen tierischen Produkten, könnte etwa der Milchkonsum um 9,4 Prozent sinken. Eine Abschaffung beziehungsweise Absenkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel würde die höheren Kosten für die Verbraucher*innen auffangen – unterm Strich würden sie sogar entlastet.

Eine andere Option für die Finanzierung einer besseren Nutztierhaltung ist eine Tierwohlabgabe. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung hat hier einen Satz von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Fleischverarbeitungsprodukte, zwei Cent pro Kilogramm Milch, Frischmilchprodukte und Eier sowie 15 Cent pro Kilogramm Käse, Butter und Milchpulver vorgeschlagen. Dies würde zu zusätzlichen Einnahmen von 3,6 Milliarden Euro führen. Genauso wie eine höhere Mehrwertsteuer müsste diese Abgabe sozialpolitisch flankiert werden. Bei der Abgabe muss das Aufkommen direkt für den erhobenen Zweck verwendet werden und würde nicht in das allgemeine Steueraufkommen fließen, was viele als verlässlicher ansehen. Besonders wichtig ist bei beiden Optionen eine langfristige verlässliche Förderung der höheren Kosten der Landwirte für eine tierwohlgerechte Produktion.

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