Lücken schließen. Hans Hagedorn und die Endlagerung
Beteiligung begleitet den Berufsweg von Hans Hagedorn schon seit vielen Jahren. Er hat unterschiedliche Beteiligungsverfahren organisiert und seine Expertise beim Thema Online-Beteiligung in zwei Unternehmen eingebracht, die er aufgebaut hat. Als Partizipationsbeauftragter kümmert er sich nun auch im Standortauswahlprozess ebenso darum, dass die Beteiligung weiterentwickelt wird.
[caption id="attachment_6067" align="alignright" width="276"] Hans Hagedorn Quelle: Aygül Cizmecioglu[/caption]
Viele unterschiedliche Menschen begleiten das Verfahren zur Suche nach einem Endlagerstandort. Manche hauptberuflich und regelmäßig, manche nur punktuellund ehrenamtlich. Wir haben mit drei von ihnen gesprochen. Einer langjährigen Atomkraftgegnerin, die sich im Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung engagiert hat. Einem Studenten, der sich als Vertreter der jungen Generation in das Nationale Begleitgremium (NBG) einbringt. Und dem Partizipationsbeauftragten.
Im Mittelpunkt standen dabei das persönliche Engagement und die Aufgaben, Verbesserungsvorschläge für das Verfahren, aber auch der Blick auf die nächsten Schritte. Und natürlich: Ihre Sicht auf den Endlagerprozess.
Das Thema Endlagerung: von der Kommission zur Partizipation
Schon vor der Arbeit als Partizipationsbeauftragter hat sich Hans Hagedorn mit der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle befasst: Er koordinierte 2015 und 2016 Beteiligungsformate für die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfälle (Endlagerkommission) und verfasste Gutachten für sie. „Auch danach habe ich den Prozess weiterverfolgt. Schon in der Endlagerkommission kam der Gedanke auf, dass es neben den formellen Institutionen eine Instanz braucht, die das Verfahren kontinuierlich begleitet, aber nicht im operativen Verfahren steckt. Als die Aufgabe ausgeschrieben wurde, habe ich mich natürlich darauf beworben.“
Die Sicht auf das Verfahren: Betroffenheit steigern
Derzeit seien die Betroffenheit und das Interesse für das Endlagerverfahren in der Bevölkerung noch relativ gering, sagt Hans Hagedorn. „Kein Wunder, im Moment kommt ja auch noch ungefähr die Hälfte der Bundesfläche für ein Endlager in Frage.“ Doch mit dem nächsten Eingrenzungsschritt werde sich die regionale Betroffenheit schnell und deutlich erhöhen. Daher sei jetzt der richtige Zeitpunkt, die Menschen für das Verfahren zu interessieren, einen Dialog zu führen und Verständnis zu schaffen. „Jetzt werden die ersten Weichen gestellt. Je eher die Debatte auch in der interessierten Öffentlichkeit geführt wird, desto besser für das Verfahren. Denn ‚betroffen‘ und verantwortlich sind wir und unsere Enkel letztendlich alle, egal ob wir jetzt in 5 oder 500 km Entfernung vom Bergwerksschacht wohnen.“
Das Engagement im Prozess: Partizipationsbeauftragter
Seit August 2019 ist Hans Hagedorn Partizipationsbeauftragter am Nationalen Begleitgremium (NBG). In dieser Funktion unterstützt er die staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen – also etwa das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), aber auch Bürgerinitiativen sowie kommunale Akteurinnen und Akteure dabei, im Verfahren der Standortauswahl gut zusammenzuarbeiten. „Ich schaue kontinuierlich, ob die Öffentlichkeitsbeteiligung funktioniert und ob sie ausreichend ist“, sagt er, „meine Aufgabe ist es insbesondere, Konflikte rechtzeitig zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen.“ So sollten aus seiner Sicht Konflikte konstruktiv und öffentlich ausgetragen werden, nur dann könne indirekt auch das Vertrauen in den Standortauswahl-Prozess wachsen. „Es ist zudem sehr wichtig, dass im Nationalen Begleitgremium Bürgerinnen und Bürger involviert sind, die per Zufallsauswahl angefragt wurden. Wenn sie zu einer positiven Einschätzung des Verfahrens kommen, hat das ein extrem hohes Gewicht.“
Seine Aufgaben, sagt Hagedorn, verändern sich kontinuierlich. So wie sich auch das Verfahren ständig weiterentwickelt. Er selbst vergleicht sich immer wieder mit einem Hofnarren. Jemandem, der zwar keine institutionelle Macht, aber sehr viele Freiheiten hat. Der Kontakt zu allen relevanten Akteurinnen und Akteuren hat und auch Dinge aussprechen kann, vor denen sich andere vielleicht scheuen. „Meine Autorität steht und fällt mit der Kraft meiner Argumente.“
Verbesserungsvorschläge für die Zukunft: fokussierte, konzentrierte Runden
Bislang sei die Materie sehr komplex, sagt der Partizipationsbeauftragte. Der im September 2019 vorgestellte Zwischenbericht Teilgebiete, der mögliche Standortregionen vorstellt, sei für Laien kaum verständlich. „Es ist ein Spagat, hier den Mittelweg zwischen der ausreichenden Wissenschaftlichkeit und der Verständlichkeit zu finden – denn wer nicht versteht, worum es geht, wird natürlich misstrauisch.“
Derzeit widmet sich Hans Hagedorn vor allem der Frage, wie die Öffentlichkeitsbeteiligung nach den Fachkonferenzen weiter gestaltet werden kann. „Ursprünglich hatte der Gesetzgeber gedacht, dass es nach den Fachkonferenzen relativ schnell einen Vorschlag für mögliche Standortregionen geben wird, deren Eignung für ein Endlager weiter erkundet und über die dann in den Regionalkonferenzen beraten wird. Nun aber zeigt sich, dass da einige Jahre dazwischen liegen werden – und hierfür keine Beteiligung vorgesehen ist.“ Hier braucht es aus seiner Sicht weitere Formate, um eine kontinuierliche Partizipation zu ermöglichen. Jedoch weniger die großen, repräsentativen Veranstaltungen, auf denen Ergebnisse präsentiert und verteidigt werden, sondern kleinere und fokussierte Foren mit wissenschaftlicher Begleitung. „Hier können offene Fragen deutlich besser besprochen und abgewogen werden, das kann auch öffentlich geschehen.“ Derzeit würde über verschiedene Formate beraten und diskutiert, mit der die Beteiligungslücke geschlossen werden kann.
Er plädiert für einen offenen Prozess, der sich nicht zu sehr einschränkt, offene und ehrliche Diskussionen wagt und es zum Beispiel auch zulässt, selbst ungestützte Hypothesen öffentlich zu besprechen. „Das ist natürlich angesichts des Konfliktpotenzials nicht ganz einfach, denn wenn es konkret um Regionen geht, können solche Dinge auch schnell skandalisiert werden – insbesondere, wenn es sowieso schon Vorbehalte gegenüber der Politik und ihren Entscheidungen gibt.“
So geht es jetzt weiter: ein langer Weg
Die Arbeit von Hans Hagedorn ist zeitlich nicht begrenzt und so wäre es grundsätzlich möglich, dass er den Endlagerprozess bis zu seiner Rente im Jahr 2037 begleitet. „Ich hätte durchaus Lust, den Weg noch bis zur Standortfestlegung zu begleiten, aber das muss natürlich auch Sinn machen“, sagt er, „es hängt viel davon ab, wie die Konflikte sich entwickeln und ob ich langfristig meine Neutralität bewahren kann.“
Er freut sich auf den weiteren Prozess, denn er ist davon überzeugt, dass die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft einen wertvollen Beitrag leistet. „Das ist eine große Bewährungsprobe für unsere liberale Demokratie, aber eine die zu einer besseren Lösung führen wird, auch fachlich gesehen“, sagt der Partizipationsbeauftragte. „Wenn man etwa nur die wissenschaftliche Perspektive hätte und dann eine autoritäre Entscheidung in einem kritiklosen Umfeld treffen würde, blieben viele wichtige Einsichten und Fragen ungehört, die den Prozess nur besser machen können.“
Der berufliche Weg von Hans Hagedorn ist geprägt von den Themen Öffentlichkeitsbeteiligung und Partizipation. Der Diplom-Ingenieur für Raumplanung hat mit Zebralog e.V. und DEMOS Ges. f. E-Partizipation zwei Beratungsagenturen für Online-Partizipation mit aufgebaut. Er war zudem als freiberuflicher Gutachter im Themengebiet Open Government tätig. Seit August 2019 begleitet Hans Hagedorn das Verfahren zur Suche nach einem Endlagerstandort für das Nationale Begleitgremium (NBG) als Partizipationsbeauftragter.
Weitere Informationen
Website des Nationalen Begleitgremiums (NBG)
Themenseite „Der Partizipationsbeauftragte“ auf der Website des NBG