#Nachgefragt… bei Prof. Rehbinder, Ehrenmitglied des Öko-Instituts
Was ist der größte Unterschied am Öko-Institut früher und heute?
[caption id="attachment_6267" align="alignright" width="257"] Prof. Rehbinder, Ehrenmitglied des Öko-Instituts Quelle: Privat[/caption]
Das Öko-Institut hat bereits in den frühen Jahren deutscher Umweltpolitik erfolgreich den Versuch unternommen, der vorherrschenden konventionellen Wissenschaft – die sich als wertfrei gab, aber dabei allzu oft die Positionen der Unternehmen und Politiker stützte – angewandte Wissenschaft im Dienst aktiven Umweltschutzes entgegen zu setzen. Exemplarisch sind die verschiedenen „Wende“-Projekte. Dabei hat das Institut schrittweise den Horizont zunächst auf Europa und später auch auf die globale Ebene ausgedehnt und dabei eine neue internationale Sichtbarkeit gewonnen.
Was möchten Sie der heutigen Generation der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitgeben aus Ihren Erfahrungen?
Eine zukunftsoffene Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie vor dem Hintergrund der gängigen Pfadabhängigkeit nach Alternativen sucht. Das gilt auch für die Klima- und Biodiversitätsforschung und die Entwicklung von Politiken, Konzepten und Maßnahmen der globalen Umweltpolitik.
Daher sollte die neuere Generation der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aktiv und ohne Vorurteile an alternativen technischen Lösungen und gesellschaftlichen Entwicklungsmodellen arbeiten. Das Elektroauto beispielsweise sollte nicht als Endpunkt, sondern nur als ein Zwischenstadium klimafreundlicher Technologie gesehen werden.
Worauf kommt es in der künftigen Klimafolgen- und Klimaanpassungsforschung an?
Der wohl wichtigste Beitrag der Forschung liegt darin, Konzepte zu entwickeln, die auf internationaler Ebene das Missverhältnis der Verantwortung und Lastentragung zwischen Verursacherstaaten und Opferstaaten zumindest erheblich abmildern.
Zum anderen sollte die sozialwissenschaftliche Forschung mehr Gewicht auf den Beitrag nichtstaatlicher Akteure wie insbesondere der Unternehmen und Banken, aber auch der Konsumenten und Konsumentinnen legen. Allerdings ist der Versuch problematisch, mit Hilfe der Gerichte unter Umgehung der Staatenverantwortlichkeit direkt auf die Unternehmen durchzugreifen, da die Justiz als „Dritte Gewalt“ schon von Verfassung wegen nicht zur „Ersten Gewalt“ werden kann.
Was ist aus Ihrer Sicht der größte Mythos beim Klimaschutz?
Wenn man den Begriff umgangssprachlich versteht, so ist der größte Mythos des Klimaschutzes die Annahme, dass eine Problemlösung allein mit technischen Mitteln möglich ist. Dies dürfte aber schon an dem enormen Bedarf für erneuerbare Energie und Rohstoffe für das Wachstum von Produktion, für die wachsende Mobilität und die angestrebte totale Digitalisierung des sozialen Lebens scheitern.
Deshalb gilt es, eine Änderung der Lebensstile als zweites Standbein der Klimapolitik zu etablieren. Dies ist aber, wie die Covid-Pandemie zeigt, aufgrund der vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen und erworbener Vertrauenspositionen und Erwartungen nur in längeren Zeiträumen möglich.
Wenn Sie Bundeskanzler wären, welche Entscheidung würden Sie morgen zum Klimaschutz treffen?
Statt einer pathetischen Ausrufung des Klima-Notstands, die eher zu sozialen Aversionen oder gar zur schlichten Leugnung des Problems führen kann, würde ich zunächst darauf hinwirken, dass die bereits beschlossenen nationalen Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden und ein angemessener sozialer Ausgleich erfolgt. Für weitere Maßnahmen auf der Grundlage des Pariser Abkommens und der Beschlüsse der Klimakonferenz von Glasgow ist es entscheidend, die Abstimmung in der Europäischen Union aktiv voranzutreiben.
Schließlich würde ich verstärkt in Maßnahmen der Klimaanpassung investieren, insbesondere im Bereich des Hochwasserschutzes, etwa über eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Klimaanpassung“.
Was können wir von der Covid-19-Pandemie für den Klimaschutz lernen?
Der Umgang mit der Covid-Pandemie zeigt exemplarisch, welche Verwerfungen mit einem radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in Interesse der Bewältigung der globalen Klimaprobleme verbunden sein können. So wichtig es ist, die Probleme entschlossen und auch mit Vorbildwirkung für andere Staaten und zusammen mit ihnen in Angriff zu nehmen, müssen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen stärker berücksichtigt werden.
Im Übrigen zeigt der Umgang mit der Covid-Pandemie, dass es in der Gesellschaft ein Missverhältnis gibt zwischen Rechten, die als selbstverständlich in Anspruch genommen werden, und damit verbundenen Pflichten und Beschränkungen zum Schutz Anderer, die man nicht anerkennen möchte. Es gilt daher, das „Prinzip Verantwortung“ als Kehrseite von Freiheit gesellschaftlich stärker bewusst zu machen.
Prof. Dr. Eckard Rehbinder ist emeritierter Professor für Umweltrecht und Wirtschaftsrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Mitglied der dortigen Forschungsstelle für Umweltrecht. Er war von 1987 bis 2000 Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen in Wiesbaden. In den Jahren 1996 bis 2000 hatte er dort den Vorsitz. Von 1988 bis 1993 war er Mitglied zweier wissenschaftlicher Kommissionen zur Vorbereitung eines Umweltgesetzbuchs. Er war Mitglied der früheren Akademie zur Erforschung von Folgen technisch-wissenschaftlicher Entwicklungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Mitglied des Board of Governors des International Council of Environmental Law (ICEL) und langjähriges Mitglied des früheren Arbeitskreises für Umweltrecht.
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Profil von Eckard Rehbinder bei der Goethe-Universität Frankfurt am Main