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Nachhaltige Elektro- und Elektronikgeräte als Standard: Bestehende Kostenstruktur verändern

Im dritten Brennglas widmen sich die Forscher*innen der Frage, wie die Lebensdauer von Elektro- und Elektronikgeräten verlängert werden kann. Siddharth Prakash beschreibt in diesem Beitrag wie Elektronikgeräte langfristig nachhaltiger werden können.

Im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“  des Öko-Instituts will die Forschungsgruppe herausfinden, wo derzeit die größten Hemmnisse für eine echte Kreislaufwirtschaft liegen. Im dritten Brennglas widmen sich die Forscher*innen der Frage, wie die Lebensdauer von Elektro- und Elektronikgeräten verlängert werden kann. Siddharth Prakash beschreibt in diesem Beitrag wie Elektronikgeräte langfristig nachhaltiger werden können.

Die Anzahl der in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte ist in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gestiegen und in der Konsequenz nahm auch die Menge an Altgeräten zu (UBA 2022). Dies ist nicht nur wegen der darin enthaltenen Schadstoffe problematisch. Vor dem Hintergrund von Knappheiten bei Ressourcen und hohen Umweltschäden bei deren Primärgewinnung können wir es uns einfach nicht mehr leisten, die enthaltenen Rohstoffe einfach zu verlieren. Daher müssen Ansätze gefunden werden, wie Elektro- und Elektronikgeräte länger im Kreislauf gehalten werden können. Ein Ansatz dafür ist es, die Nutzungsdauer zu verlängern. Denn wenn Geräte weniger schnell durch einen Neukauf ersetzt werden, spart dies Ressourcen und Abfälle ein.

Dass Elektro- und Elektronikgeräte heute kürzer genutzt werden als es möglich wäre, hat mehrere Gründe: Einerseits werden oft günstige, aber qualitativ minderwertigere Geräte gekauft. Andererseits werden Geräte, die kaputt gehen, oft nicht repariert, sondern lieber ersetzt (Stiftung Warentest 2020). Denn Reparaturen sind oft teuer oder gar nicht erst möglich. Hinzu kommt die sogenannte psychologische Obsoleszenz (Prakash et al. 2016): Oft entsorgen Menschen ihre Geräte, weil diese nicht mehr modern genug sind, weil mehr Leistung gewünscht wird oder einfach, weil neue und vermeintlich bessere Produkte auf den Markt kommen. Unternehmen profitieren von diesem Phänomen und befeuern den Konsum und damit den Absatz ihrer Produkte durch Marketingstrategien und ständige Produktinnovationen.

Gründe für die geringe Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten

 

Ökologische Mindeststandards

Schon heute gibt es hochwertige Elektrogeräte, die wenig Energie verbrauchen, eine hohe Lebensdauer aufweisen und leicht reparierbar sind. Solche nachhaltigen Geräte sind allerdings in der Regel teuer, was sie aktuell zu einem Nischenprodukt macht. Aus Umwelt- und Klimasicht ist es nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, dass solche Produkte zum Standard werden und kurzlebige Produkte vom Markt verschwinden. Deutschland könnte jährlich bis zu 4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und 3,7 Milliarden Euro einsparen, wenn Geräte wie Waschmaschinen, Laptops, Smartphones und Fernsehgeräte länger verwendet werden (Rüdenauer und Prakash 2020).

Die Politik kann mit Verboten oder anspruchsvollen ökologischen Mindeststandards dafür sorgen, dass dies passiert. Doch ist das sozial zu rechtfertigen? Insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen kann der Kauf eines neuen Haushaltsgerätes selbst bei günstigen Preisen zur Herausforderung werden und teure Reparaturen sind oft nicht bezahlbar. Diesen Menschen teure Produkte aufzuzwingen und sie mit den Kosten allein zu lassen, kann daher keine sozial gerechte Lösung sein. Doch was ist die Alternative? Ist Nachhaltigkeit nur etwas für diejenigen, die es sich leisten können? Auch das darf keine Option sein, zumal einkommensschwächere Haushalte im Durchschnitt weniger CO2 verursachen als einkommensstarke (UBA 2021).

Sozial und nachhaltig?

Sind soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit also unvereinbar? Wir denken nicht. Eine längere Nutzungsdauer von Elektro- und Elektronikgeräten kann auch erreicht werden, ohne dass Verbraucher*innen dabei finanziell stark belastet werden. Dies ist durch eine geschickte Kombination verschiedener Maßnahmen möglich. Zunächst sind technische Maßnahmen erforderlich: Ambitionierte Ökodesign-Standards müssen umgesetzt und ein verpflichtender Index für Haltbarkeit und Reparierbarkeit eingeführt werden. Dies hat viele ökologische Vorteile, führt aber möglicherweise zunächst zu einem Anstieg der Kosten für Verbraucher*innen. Daneben sind rechtliche Instrumente wie erweiterte Gewährleistungspflichten und verpflichtende Garantieangaben durch Hersteller wichtig. Hiervon profitieren die Verbraucher*innen. Weiterhin sind ökonomische Instrumente wie eine Mehrwertsteuerreduktion für Second-Hand- und Reparaturbetriebe, ein bundesweiter Reparaturbonus, Steuergutschriften für Verbraucher*innen bei Reparaturen sowie Vorgaben für die öffentliche Beschaffung sinnvoll. Diese ökonomischen Instrumente stellen finanzielle Vorteile für Verbraucher*innen dar, allerdings müssen sie auch finanziert werden (Prakash et al 2023).

Die Verantwortung der Hersteller

Ein weiteres ökonomisches Instrument ist aus unserer Sicht daher, die erweiterte Herstellerverantwortung auszudehnen und sie auf die Abfallvermeidung auszurichten (Prakash et al. 2023). Momentan profitieren diejenigen Unternehmen finanziell, die wenig nachhaltig wirtschaften, da sie ihre Produkte billig anbieten können und entstehende Umweltschäden von der Allgemeinheit getragen werden. Unternehmen, die besonders nachhaltige Produkte anbieten und dabei Wasser, Emissionen und Ressourcen einsparen, sind im Nachteil, da sie höhere Produktionskosten in Kauf nehmen. Es besteht ein ökonomischer Fehlanreiz, der dringend behoben werden muss. Eine Ausdehnung der erweiterten Herstellerverantwortung mithilfe von Ökomodulation kann hier Abhilfe schaffen (Prakash et al. 2023): Dabei werden den Herstellern und In-Verkehr-Bringern Gebühren auferlegt, deren Höhe sich nach der nachhaltigen Ausgestaltung ihrer Produkte richtet. Auf diese Weise wird es für Firmen finanziell attraktiv, umweltfreundliche Produkte herzustellen. Werden dennoch ökologisch nachteilige Produkte produziert, bezahlen die Unternehmen dafür höhere Gebühren („Polluter-pays-principle“). Dies ist gerechter, als die Kosten den Steuerzahler*innen zu überlassen. Bei der Ausgestaltung des Gebührensystems sind einige Punkte unerlässlich: Einerseits muss der Fokus auf den oberen Stufen der Abfallhierarchie liegen. Während bisher das Recycling von Geräten im Vordergrund steht, müssen in Zukunft auch Maßnahmen belohnt werden, die schon bei der Abfallvermeidung ansetzen – so zum Beispiel Langlebigkeit, Wiederverwendung oder Reparierbarkeit (Sachdeva et al 2021). Zudem müssen die Gebühren einen relevanten Anteil des Produktpreises ausmachen, damit eine Steuerungswirkung erzielt werden kann

Ein Teil der auf diese Weise eingenommenen Gebühren kann dann eingesetzt werden, um Verbraucher*innen beim Kauf langlebiger und nachhaltiger Produkte zu entlasten und Reparatur-Fördermaßnahmen wie Steuervorteile oder Subventionen zu finanzieren. Frankreich setzt dies schon um, dort ist die Ökomodulation für Elektro- und Elektronikgeräte ausdrücklich vorgesehen. Etwa 5 Prozent der erhobenen Gebühren sollen dabei in einen Reparatur- und Wiederverwendungsfonds fließen (Sachdeva et al 2021). Deutschland sollte sich daran orientieren und ein ähnliches System etablieren.

Rechtliche Anforderungen

Die Nutzungsdauer von Elektro- und Elektronikgeräten zu verlängern, hilft, die Rohstoffe im Kreislauf zu halten. Denn wenn Geräte weniger schnell durch einen Neukauf ersetzt werden, spart dies Ressourcen und Abfälle ein.

Sozial gerecht und ökologisch

Die beschriebene Kombination von technischen, rechtlichen und ökonomischen Maßnahmen führt nicht nur zu Vorteilen für die Umwelt, sie ist sogar in zweifacher Hinsicht sozial gerechter: Einerseits können sich auf diese Weise nicht nur Wohlhabende Nachhaltigkeit leisten. Andererseits werden Umweltschäden nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt, sondern von Unternehmen bezahlt, die sie auch verursachen. Langlebige Produkte können somit nachhaltig und gleichzeitig sozial gerecht sein. Die Rahmenbedingungen dafür müssen allerdings von der Politik entsprechend gestaltet werden.

Siddharth Prakash ist Gruppenleiter „Zirkuläres Wirtschaften & Globale Wertschöpfungsketten“ im Bereich Produkte & Stoffströme.

Weitere Informationen

Factsheet „Circular Economy – Rücknahme von Elektroaltgeräten“

Factsheet „Circular Economy – Reduktion des Verpackungsaufkommens“

Factsheet „Circular Economy – Lebens- und Nutzungsdauerverlängerung von Elektro- und Elektronikgeräten“

Factsheet „Circular -Economy - Ein neues Konsumverhalten etablieren“

Blogbeitrag „Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten: Sollten die Verbraucher*innen die Verantwortung tragen?“, erstes Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Blogbeitrag „Bringt die geplante EU-Verpackungsverordnung die Wende?“, zweites Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Blogbeitrag „Ein neues Wohlstandsverständnis: Mehr Lebensqualität statt mehr Konsum", viertes Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Literaturhinweise

Prakash, S.; Dehoust, G.; Gsell, M.; Schleicher, T. (2016): Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“, unter Mitarbeit von R. Stamminger. Umweltbundesamt (Hg.), 2016.

Prakash, S.; Löw, C.; Jacob, K.; Fiala, V.; Dehoust, G.; Gascón Castillero, L.; Hurst, K.; Helleckes, H.; Manhart, A. (2023): Modell Deutschland Circular Economy, Politik-Blueprint. Im Auftrag des WWF Deutschland. Öko-Institut (Hg.), 2023.

Rüdenauer, I.; Prakash, S. (2020): Ökonomische und ökologische Auswirkungen einer Verlängerung der Nutzungsdauer von elektrischen und elektronischen Geräten. Am Beispiel von Smartphones, Notebooks, Waschmaschinen, Fernsehgeräte und E-Bikes (Pedelecs). Öko-Institut. Verbraucherzentrale Bundesverband (Hg.), 2020.

Sachdeva, A.; Araujo, A.; Hirschnitz-Garbers, M. (2021): Extended Producer Responsibility and Ecomodulation of Fees. Opportunity: Ecomodulation of Fees as a Way Forward for Waste Prevention. Ecologic Institut (Hg.), 2021.

Stiftung Warentest (Hg.) (2020): Kaputt heißt oft: Das wars. Ergebnisse Reparatur-Umfrage. In: test (04/2020).

UBA - Umweltbundesamt (2021): Ist nachhaltiger Konsum nur etwas für Reiche?

UBA - Umweltbundesamt (2022): Elektro- und Elektronikaltgeräte.

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