Spenden

Nachhaltigkeit in die Nationale Wasserstoffstrategie

Die geplante Nationale Wasserstoffstrategie wird einen Fahrplan für die Markteinführung von Elektrolyseuren enthalten. Die aktuell diskutierte Befreiung von Umlagen und Entgelten ist jedoch der falsche Weg, schreibt Christoph Heinemann vom Öko-Institut.

Click for the english version: "Building sustainability into the national hydrogen strategy"

Die geplante Nationale Wasserstoffstrategie wird einen Fahrplan für die Markteinführung von Elektrolyseuren enthalten. Dies sind Anlagen, in denen mit Strom eine Stoffumwandlung (chemische Reaktion) stattfindet. Die aktuell diskutierte Befreiung von Umlagen und Entgelten ist jedoch der falsche Weg, schreibt Christoph Heinemann vom Öko-Institut. Sinnvoll sei vielmehr eine staatliche Förderung, die eine nachhaltige Entwicklung der Technologie anreizt.

Keine Frage, Wasserstoff und seine Folgeprodukte werden für die Klimaneutralität Deutschlands eine wichtige Rolle spielen. Das zeigen uns die aktuellen Klimaschutzszenarien.

Langfristig muss es dabei um „grünen“ Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien gehen. Aus Erdgas gewonnener „blauer“ Wasserstoff kann höchstens für eine Übergangsphase eine Rolle spielen.

Um einen Einstieg in die Wasserstoff-Technologie im industriellen Maßstab in den nächsten Jahren hinzubekommen, ist es notwendig, eine Einführungsstrategie zu entwickeln. Dabei geht es vor allem darum, Kosten bei der Elektrolyse zu senken und relevante Anwendungen und Infrastrukturen „Wasserstoff-ready“ zu machen. Natürlich wird zu dieser Strategie finanzielle Unterstützung gehören.

 

Bei der Ausgestaltung dieser Einführungsstrategie ist jedoch zu beachten, dass Wasserstoff auf Basis der Elektrolyse nicht per se klimaneutral ist.

Unter heutigen Rahmenbedingungen würden nämlich vor allem fossile Kraftwerke hochfahren, um die zusätzliche Stromnachfrage der Elektrolyse-Anlagen zu decken. Daher ist es zentral, dass künftig zusätzlicher erneuerbarer Strom für die Elektrolyseure erzeugt wird. Die Produktion von Wasserstoff muss sich zudem flexibel an die Einspeisung der erneuerbaren Energien anpassen können. Darüber hinaus ist die Klimaschutzwirkung von Wasserstoff maßgeblich davon abhängig, welches fossile Produkt verdrängt wird.

 

Zielgerichtete staatliche Förderung statt pauschaler Befreiungen

Die Bundesregierung diskutiert derzeit mögliche Förderinstrumente im Rahmen ihrer Einführungsstrategie. Die Liste der Vorschläge ist lang und reicht von Investitionsförderung über Teilerstattungen der Stromkosten bis hin zu Quotenmodellen. Auch die Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie könnte zur Einführung von Wasserstofftechnologien genutzt werden.

Die bedingungslose und selektive Befreiung von Umlagen und Entgelten für den Strombedarf der Elektrolyse-Anlagen ist jedoch aus drei Gründen ungeeignet:

  • Erstens, weil eine solche Befreiung nicht sachgerecht ist. Elektrolyse-Anlagen sollen erneuerbaren Strom nutzen. An der Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren sollten sich die Betreiber der Elektrolyseure über die EEG-Umlage beteiligen. Auch das Netz wird in Anspruch genommen und daher sollten Netzentgelte gezahlt werden.

  • Zweitens, weil eine Befreiung der Elektrolyseure die anderen Stromkunden, vor allem Haushalte und Gewerbebetriebe, die selbst nicht vom grünen Wasserstoff profitieren, mit den Kosten der Förderung dieser Anlagen belasten würde.

  • Drittens wäre die selektive Privilegierung der Elektrolyse als nur eine von vielen flexibel einsetzbaren Lasten im Stromsystem, die alle gleich behandelt werden sollten, nicht sinnvoll und zielführend.

 

Unabhängig davon, welches Fördermodell gewählt wird, sollte sich die Förderung von Wasserstofftechnologien an den folgenden Anforderungen orientieren:

  1. Der Strom für den Betrieb der Elektrolyse-Anlagen sollte aus zusätzlichen erneuerbaren Energieanlagen stammen. Diese müssen zugebaut und die Ausbauziele für Erneuerbare entsprechend erhöht werden. Und: Wasserstoff wird nicht dadurch grün, dass man für den benötigten Strom Herkunftsnachweise kauft.

  2. Die Elektrolyse-Anlagen sollten flexibel auf die Einspeisung von erneuerbaren Energien reagieren. Technisch ist das für die meisten Anlagentypen möglich; die Rahmenbedingungen müssen aber dafür sorgen, dass die Elektrolyseure auch entsprechend der Wind- und PV-Einspeisung betrieben werden.

  3. Durch den Betrieb der Elektrolyse-Anlagen sollten keine Netzengpässe verstärkt werden. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass die Gesamtsystemkosten unnötig ansteigen. Elektrolyse-Anlagen sollten also vorzugsweise vor Netzengpässen errichtet werden.

  4. Der Wasserstoff sollte in Anwendungen gelenkt werden, in denen auch langfristig keine oder nur begrenzte Alternativenzur Erreichung von Klimaneutralität erwartet werden. Eine Förderung sollte also nicht nur die Herstellung von Wasserstoff, sondern auch die „Wasserstoff-Readiness“ in den Anwendungsbereichen und Infrastrukturen frühzeitig anreizen. Effizienzmaßnahmen, die Elektrifizierung und weitere Klimaschutzlösungen in den anderen Anwendungsbereichen dürfen durch die Einführungsstrategie der Wasserstofftechnologien nicht verzögert werden.

Mit diesen Anforderungen an eine Förderstrategie kann erstens der Klimavorteil von Wasserstoff sichergestellt, zweitens Investitionssicherheit gewährleistet und drittens Wasserstoff als robuste Klimaschutzoption auf dem Weg zur Klimaneutralität glaubwürdig entwickelt werden. Die kommenden zehn Jahre sollten genutzt werden, um die hierfür langfristig notwendigen Entwicklungen vorzubereiten.

 

Importierter Wasserstoff

Diese Anforderungen müssen im Übrigen auch für importierten Wasserstoff gelten. Denn eine Strategie der Klimaneutralität für Deutschland und Europas wird mittelfristig relevante Importe von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten erfordern. Hinzu kommen weitere Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf die Wasser- oder Flächennutzung und die Balance mit den Klimaschutzstrategien der Exportländer. Die Definition von umfassenden Nachhaltigkeitskriterien für heimischen und importierten Wasserstoff muss daher ein zentraler Teil der nationalen Wasserstoffstrategie sein. 

Der Artikel ist zuerst am 16. Dezember 2019 im Newsletter „Tagesspiegel BACKGROUND Energie & Klima“ erschienen.

Christoph Heinemann ist Wissenschaftler im Institutsbereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen unter anderem die Energiesystemmodellierung und strombasierte Stoffe als Klimaschutzinstrument.

 

English version

 

Building sustainability into the national hydrogen strategy

Germany’s planned national hydrogen strategy will provide a roadmap for the market deployment of electrolysers. An electrolyser is an installation which uses electricity to initiate a substance conversion process (chemical reaction). But waiving renewable energy (RES) surcharges and fees for electrolysers – one option currently under discussion – is the wrong approach, says Christoph Heinemann from the Oeko-Institut. A more sensible way forward is to provide government support that incentivises the sustainable development of this technology.

There is no doubt that hydrogen and its derivatives will play a key role in achieving climate neutrality for Germany. This is quite clear from the current climate scenarios. In the long term, green hydrogen must be used, based on renewable energies. Blue hydrogen obtained from natural gas can serve as a transitional solution for a limited period at best.

In order to achieve an industrial-scale rollout of hydrogen technology in the next decades, a strategy to support its introduction must be developed. Two main challenges arise here: reducing the costs of electrolysis and ensuring that relevant applications and infrastructures are “hydrogen-ready”. Needless to say, financial support will be an integral part of the strategy.

It is important to bear in mind when developing this strategy, however, that hydrogen based on electrolysis is not necessarily climate-neutral.

The reason is this: under present conditions, most of the additional electricity needed to power electrolysers would be generated by ramping up fossil fuel-burning power plants. In future, this extra power must come from additional renewable sources. Hydrogen production must also be able to adapt flexibly to fluctuations in the feed-in of RES electricity. And another point to consider: the climate protection effects of hydrogen will largely depend on which fossil fuel it replaces.

 

Targeted government support, not blanket exemptions

The German Government is currently discussing possible funding mechanisms for inclusion in its strategy to support the introduction of hydrogen technologies. There is a long list of proposed options, ranging from investment promotion and partial reimbursement of electricity costs to quota models. The transposition of the EU’s Renewable Energy Directive could also be utilised to support the adoption of hydrogen technology.

Unconditional and selective waiving of renewable energy surcharges and fees for electricity consumption by electrolysers is the wrong approach, however, for three reasons:

  1. Firstly, an exemption would not achieve the desired outcome. Electrolysers should use renewables-generated electricity, and their operators should help to fund the renewables expansion via the RES surcharge. They also make use of power networks and should therefore pay the appropriate grid access charges.

  2. Secondly, an exemption for electrolysers would be implemented at the expense of other electricity users, mainly households and businesses. They do not benefit from green hydrogen but would still have to pay towards the financial support schemes for these installations.

  3. Thirdly, selective privileging of electrolysis is neither appropriate nor expedient, given the many options of flexible loads available within an electricity system that should be treating everyone equally.

Regardless of which funding model is selected, a support scheme for hydrogen technologies should meet the following criteria:

  • The power required to operate electrolysers should come from additional renewable energy installations, which must be constructed and the targets for renewables have to be increased accordingly. It should be borne in mind that purchasing certificates of origin for the required electricity will not make the hydrogen produced “green”.

  • The electrolysers should respond flexibly to the feed-in of renewable energies. This is technically feasible for most types of installation. However, appropriate regulation must be in place to align electrolyser operations to wind and solar feed-in.

  • The operation of electrolysers should not worsen electricity grid congestion. Otherwise, unnecessary increases in overall system costs can be expected. Electrolysers should therefore preferably be constructed at points in the system that give due regard to potential bottlenecks.

  • The hydrogen produced should be steered into applications where no other or only limited options for achieving climate neutrality are expected. Financial support should therefore incentivise not only hydrogen production but also hydrogen readiness in these applications and infrastructures early on. The strategy supporting the introduction of hydrogen technologies should not delay efficiency measures, electrification and other climate solutions in other sectors.

With these criteria forming part of a funding strategy, it is possible to 1) safeguard the climate benefits of hydrogen; 2) guarantee stability for investors; and 3) facilitate the credible development of hydrogen as a viable option on the pathway towards climate neutrality. The next 10 years should be spent preparing the way for the long-term developments that are needed here.

 

Imported hydrogen

A climate neutrality strategy for German and Europe will require relevant scales of imports of hydrogen and its derivatives in the medium term. The criteria outlined above must therefore apply to imported hydrogen as well. Other criteria – e.g. on water resources and land use – will also have a role to play, along with achieving a balance of interests with the exporting countries’ climate strategies. A catalogue of comprehensive sustainability criteria for locally produced and imported hydrogen should therefore be a key element of the national hydrogen strategy.

This article was first published in Tagesspiegel BACKGROUND Energie & Klima on 16 December 2019.

Christoph Heinemann is a Senior Researcher in the Oeko-Institut’s Energy & Climate Division. His research topics include power system modelling and electricity-based fuels.

Sign up for Oeko-Insitut's Newsletter!

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder