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Nur mit einem starken politischen Willen sind die Klimaziele erreichbar

Ein Beitrag aus unserer Reihe zum Fit for 55-Paket der EU-Kommission: Wir haben mit Juliette de Grandpré vom WWF Deutschland über einen noch ambitionierteren und auch sozial gerechten Kli-maschutz gesprochen.

Im Juli 2021 hat die EU-Kommission das Fit for 55-Paket vorgelegt. Mit ihm soll es möglich werden, die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. In unserer Reihe zum Fit for 55-Paket beleuchten wir das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Juliette de Grandpré, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, widmet sich bereits seit vielen Jahren der Klimapolitik.

Juliette de Grandpré vom WWF, Quelle: Stefanie Loos

Juliette de Grandpré vom WWF, Quelle: Stefanie Loos

Sie will mehr. Auch dort, wo bereits von hohen Ambitionen gesprochen wird. „Das Fit for 55-Paket der EU-Kommission ist begrüßenswert, keine Frage. Denn es will das europäische Klimaziel verbindlich umsetzen. Mit Blick etwa auf den Emissionshandel oder das Effort Sharing ist das gut und wichtig. Doch aus unserer Sicht hätte bereits das Ziel ambitionierter sein müssen“, sagt Juliette de Grandpré. Der WWF Deutschland, wo sie als Senior Policy Advisor tätig ist, hatte statt einer Reduzierung um 55 Prozent gefordert, die Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.

„In einer gemeinsamen Studie mit dem Öko-Institut haben wir gezeigt, dass eine erhebliche Ambitionssteigerung im bestehenden Emissionshandel, kurz ETS 1, machbar ist. Man bräuchte hierfür aber noch einmal eine deutlich striktere Gestaltung des Systems und der Marktstabilitätsreserve.“ Diese dient dazu, den Handel mit Emissionszertifikaten zu stabilisieren, und entfernt Zertifikate aus dem System oder gibt welche hinzu, wenn eine definierte Menge unter- oder überschritten wurde. Wichtig sei zusätzlich ein starker politischer Wille. „Wenn er da ist, geht es schneller. Wir können als Umweltverband noch so lange Fakten auf den Tisch legen, zeigen, dass es machbar ist, und immer wieder für mehr Klimaschutz demonstrieren. Wenn die Politik nicht wirklich will, kommen wir nicht voran.“

Klimawirksam und sozial

Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder Klimaziele gesetzt, diese jedoch nicht mit ausreichenden Maßnahmen hinterlegt, sagt Juliette de Grandpré. „Wir hoffen, dass sich das nun ändert und eine Dynamik auf EU-Ebene auflöst. Denn wir sehen ja, dass Deutschland starke EU-Instrumente zur Erfüllung eigener Ziele braucht.“ Dennoch befürchtet die Klimaexpertin lange Diskussionen über den neuen, separaten Emissionshandel für Straßenverkehr und Gebäude (ETS 2). „Viele Länder, so zum Beispiel Frankreich und Spanien, aber auch viele osteuropäische Länder stehen dem Instrument sehr kritisch gegenüber. Der ETS 2 kann eine wertvolle Maßnahme sein, unter bestimmte Voraussetzungen: Dass es einen Höchstpreis gibt, damit die sozialen Auswirkungen nicht aus dem Ruder laufen; und dass der Klimasozialfonds kommt und zwar früher als der ETS 2, um die Transformation im Verkehr- und Gebäudesektor zu finanzieren.“

Pro Klimasozialfonds

Deshalb unterstützt der WWF Deutschland auch die Idee des Klimasozialfonds. In diesen sollen Gelder aus dem ETS 2 fließen, um in erster Linie EU-Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die ein geringeres Einkommensniveau aufweisen. „Wenn er richtig ausgestaltet wird, hat der Klimasozialfonds das Potenzial, etwa die Klimaneutralität von Gebäuden zu finanzieren.“ Es sei aber wichtig, dass das Geld bei den richtigen Menschen ankommt. „Die damit zusammenhängenden Mechanismen sollten sich auf vulnerable Verbraucher*innen konzentrieren. Doch wie das konkret aussehen kann, ist bislang unklar – es gibt in Europa ja noch nicht einmal eine einheitliche Definition von Energiearmut.“

Das Cap, das für den ETS 1 festlegt, wie viele Treibhausgasemissionen insgesamt ausgestoßen werden dürfen, hätte aus ihrer Sicht bis 2030 jedoch stärker reduziert werden sollen: um 70 Prozent im Vergleich zu 2005 statt wie von der EU-Kommission vorgesehen um 61 Prozent. „Das ist unzureichend und könnte dazu führen, dass es neue Überschüsse bei den Zertifikaten gibt und dass das Klimaziel der EU am Ende verfehlt wird.“

Die Expertin vom WWF kritisiert auch, dass es weiterhin kostenlose Emissionszertifikate für die Industrie geben soll. „Spätestens 2023 sollte dies enden. Denn mit der kostenlosen Zuteilung entsteht kein Anreiz zur Emissionsminderung. Es ist kein Wunder, dass sich in der Industrie die Emissionen nicht verringert haben.“ Gleichzeitig sei es mehr als unverständlich, dass große Industrieunternehmen noch länger kostenlos Zertifikate erhalten, während die Verbraucher*innen einen CO2-Preis bezahlen müssen“.

Der Blick nach Osteuropa

Positiv beurteilt der WWF hingegen die Entscheidung, die Effort Sharing Regulation beizubehalten und anzupassen. Also die Verordnung, die den Klimaschutz in jedem Land in jenen Sektoren voranbringen soll, die bisher nicht vom Emissionshandel erfasst werden – wie etwa im Verkehr und bei Gebäuden. „Wir hatten befürchtet, dass das Effort Sharing durch den neuen Emissionshandel ersetzt werden könnte. Dies hätte gravierende soziale Auswirkungen gehabt, denn ein einheitlicher CO2-Preis in allen Sektoren und für ganz Europa funktioniert nicht in einer Staatengemeinschaft, in der die Lebenshaltungskosten zum Teil sehr unterschiedlich sind.“

Wenn es um europäischen Klimaschutz geht, blickt Juliette de Grandpré gespannt auf Osteuropa. „Viele Länder haben hier den Schock aus den 1990er Jahren noch nicht richtig verdaut, sie haben sehr negative Erfahrungen mit einer großen Transformation gemacht und sehen diesen nächsten Wandel oftmals sehr skeptisch“, sagt sie.

„Es ist eine sehr große Aufgabe, sie trotzdem zu überzeugen, dass die Transformation hin zu Netto-Null-Emissionen der richtige Weg ist, und dass sie viele positive Effekte haben wird.“ Oftmals gebe es in Osteuropa aber auch große Unterschiede zwischen einer nationalen Ebene, die Klimaschutzanstrengungen blockiere, und der regionalen Ebene, die schon längst damit angefangen habe. „Es gibt hier viele begeisterte Menschen, die sehen, was dahintersteckt, und dass die Transformation auch für sie wichtig und notwendig ist. Die große Frage dabei ist immer die der Finanzierung.“ Juliette de Grandpré will mehr. Gerne auch von dieser Begeisterung und diesem Engagement.

Juliette de Grandpré hat am Institut d’Etudes Politiques (Sciences Po) Strasbourg Politikwissenschaften studiert, am Institut für Europäische Studien in Brüssel hat sie zudem einen Master in Public European Law erworben. Für den WWF Deutschland ist de Grandpré seit 2007 tätig, als Referentin im Fachbereich Klimaschutz- und Energiepolitik. Seit 2017 ist sie Senior Policy Advisor mit Fokus auf europäische Klimapolitik und Kohlenstoffmärkten, ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Emissionshandel.

Weitere Informationen

Themenseite „Das „Fit for 55“-Paket der EU“ auf der Website des WWF Deutschland

WWF-Empfehlungen „Reform des EU-Emissionshandels im Rahmen des EU Fit-fo-55-Pakets“

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