RED III-Methodik: In der Treibhausgasbilanz für Energieholz fehlt ein wichtiger Aspekt der IPCC-Regeln
Werden Bäume geerntet, verringert das die Senkenleistung auf der Waldfläche. Das heißt: Es wird weniger CO2 gebunden. Fließt das in die Bilanzierung von Treibhausgasen (THG) von Waldholz ein, das für die Energiegewinnung genutzt wird, dann erreicht Waldenergieholz keine THG-Minderung im Vergleich zu fossilen Energieträgern.
Eine der zentralen Herausforderungen jetzt und in der Zukunft ist es, THG-Emissionen zu reduzieren. In diesem Kontext spielen Wälder eine essenzielle Rolle, da sie einerseits Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden. Andererseits dient Holz als Material für z.B. Bauholz oder Brennholz, die wiederum fossile Produkte ersetzen können. Es ist aber bekannt, dass die Holzernte die Senkenleistung im Wald verringert. Damit wirken die beiden Klimaschutzoptionen gegenläufig zueinander. Am Beispiel der energetischen Nutzung von Waldholz stellen wir die Frage: Ist die Nutzung von Waldenergieholz klimaneutral, wenn man die verminderte Senkenfunktion des Waldes in die THG-Bilanz miteinbezieht?
Holzentnahme = CO2-Freisetzung nach der Methode des IPCC
Kohlenstoff wird auf der Waldfläche in unterschiedlichen Kohlenstoffpools gespeichert: in Bäumen, im Boden, im Totholz und in der Streu. Gerade die Speicherung in den Bäumen hängt stark von der Bewirtschaftungsintensität ab. In der Treibhausgasberichterstattung nach IPCC-Regeln wird die Veränderung der Kohlenstoffspeicher der Waldfläche für ein Land bilanziert und im LULUCF-Sektor (land use, landuse change and forestry) berichtet. Nimmt ein Speicherpool zu, spricht man von einer Senke oder einer positiven Senkenleistung. Nimmt er ab, liegt eine Quelle oder eine negative Senkenleistung vor.
Wird Holz aus dem Wald entnommen, gilt dies in der Methode des IPCC als CO2-Freisetzung im LULUCF-Sektor. Nachfolgende Nutzungen wie Feuerholz brauchen entsprechend das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 nicht berücksichtigen, um in der Gesamtbilanz für das Land keine Doppelzählungen zu erhalten.
In der THG-Bilanzierung haben sich aus diesem Umstand zwei Sichtweisen entwickelt:
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Ansatz 1: Die Verbrennung von Holz ist treibhausgasneutral. Effekte auf die Kohlenstoffpools der Waldfläche können aus der THG-Bilanz ausgeklammert werden, solange nicht mehr Holz entnommen wird als nachwächst und der Kohlenstoffpool der Bäume konstant bleibt. Dies ist die verbreitete Annahme in THG-Bilanzen von Holzprodukten. Auch die Methodik in der RED III folgt dieser Sichtweise.
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Ansatz 2: In der THG-Bilanz muss die im Holz gespeicherte Menge an CO2 berücksichtigt werden, da die Ernte von Holz auf der Waldfläche einen Verlust an Kohlenstoff bedeutet. Beispiel Deutschland: Im Holz von Buche, Eiche und langlebigen Laubbaumarten sind etwa 1 Tonne CO2 pro Kubikmeter und in Nadelbäumen und kurzlebigen Laubbaumarten etwa 0,7 t CO2/m³ gespeichert, die mit der Holzernte als THG-Emissionen zu werten sind. In den letzten Jahren wird diese Sichtweise von verschiedenen Seite vertreten (Norton et al. 2019, Letter from Scientists).
Gegen den ersten Ansatz spricht, dass Veränderungen der Kohlenstoffpools der Waldfläche, die mit der Bewirtschaftung zusammenhängen, vollständig ausgeklammert werden.
Der zweite Ansatz berücksichtigt zwar den direkten Effekt der Holzentnahme, es sind aber Dynamiken in der Waldentwicklung, die durch Unterschiede im Wachstum der Baumarten und deren Altersklassen entstehen können, außen vor.
Um besser einordnen zu können, welcher dieser beiden Ansätze gerechtfertigt ist, haben Soimakallio et al. (2022) in einer Review-Studie zahlreiche Waldmodellierungsstudien ausgewertet. Der Vorteil ist: Im Waldmodell wird die komplexe Walddynamik von unterschiedlichen Zuwachsraten unterschiedlicher Baumarten und -altersklassen bis hin zu Effekten der Waldbewirtschaftung abgebildet. Die Forschungsgruppe hat in der Review-Studie immer Szenarienpaare identifiziert: Eines mit einer intensiveren Waldbewirtschaftung und eines mit einer extensiveren Waldbewirtschaftung. Als Indikator wird die Differenz der CO₂-Speicherleistung im Wald mit der Differenz der Holzentnahme ins Verhältnis gesetzt (siehe Abbildung 1‑1). Der so errechnete CO2-Speichersaldo gibt an, wie stark sich die Senkenleistung im Wald je entnommener Holzmenge verändert. Er kann in unterschiedliche Einheiten umgerechnet werden, zum Beispiel:
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Tonnen CO2 pro Kubikmeter Holzentnahme (t CO2/m³),
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Gramm CO2-Äquivalente pro Megajoule (g CO2e/MJ) oder
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Tonne Kohlenstoff der Waldsenke pro Tonne Kohlenstoff im entnommenen Holz (t CWaldsenke / t CHolzentnahme).
Als Grundlage für die folgende Abbildung dient das WEHAM-Basisszenario, das die Waldentwicklung unter den bestehenden waldbaulichen Regeln fortschreibt, und das WEHAM-Holzpräferenzszenario, das die Waldbewirtschaftung gegenüber dem WEHAM-Basisszenario intensiviert und mehr Holz einschlägt.
Für boreale und temperierte Wälder konnte ein mittlerer CO2-Speichersaldo von 1,2 t CO2/m³ (Standardabweichung ±0,7 t CO2/m³; alle Betrachtungszeiträume) anhand von 154 Szenarienpaaren aus 45 internationalen Simulationsstudien ermittelt werden (Soimakallio et al. 2022, Abbildung 1‑2). Die Ergebnisse sind durch eine deutliche Spannbreite geprägt.
Fazit 1: Ansatz 2 eignet sich
In Summe kann mit der Szenarienanalyse ein deutlicher Effekt der Holzentnahme auf die Senkenleistung der Waldfläche festgestellt werden. Auch, wenn die Dynamik des Ökosystems Wald berücksichtigt wird. Da der Wert für den CO2-Speichersaldo in der Größenordnung der im Holz gespeicherten Menge an CO2 liegt, ist es gerechtfertigt, letztere als Schätzwert für die Emissionen aus der Waldbewirtschaftung in die THG-Bilanz von Holzprodukten aufzunehmen. Der erste Ansatz hingegen ist abzulehnen.
Treibhausgasbilanz: Beispiel
Eine umfassende THG-Bilanz sollte sich vom Grundsatz an der DIN EN ISO 14067:2018 (Carbon footprint von Produkten) orientieren und gleichzeitig die Prinzipien des IPCC beachten. Somit wären folgende Komponenten mit einzurechnen:
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Alle THG-Emissionen entlang der Prozesskette
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Effekte der Holzentnahme auf die Senkenleistung auf der Waldfläche (CO₂-Speichersaldo)
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Speicherung von CO₂ in Holzprodukten
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Als vierten Punkt sollte die THG-Bilanz des Holzprodukts mit anderen Produkten verglichen werden, die anstelle des Holzprodukts genutzt würden (Substitutionseffekte).
Wichtig: Die Substitution ist kein integraler Bestandteil der THG-Lebenswegbilanz eines Holzprodukts. Die alternativen Produkte müssen definiert und begründet sein und für sie sind eigenständige THG-Lebenswegbilanzen aufzustellen. Sie dienen ausschließlich dem Vergleich und müssen dementsprechend separat dargestellt werden.
Grundsätzlich sollten der Transparenz halber alle vier genannten Komponenten separat dargestellt werden. Auf dem Vergleich der Summe aus der Komponenten 1 bis 3 mit 4 (Substitution) beruht in der Regel die Aussage zur THG-Minderung: „Produkt x spart y % an THG ein“.
In Abbildung 3 wird dies am Beispiel einer THG-Bilanz für Holzhackschnitzel in Deutschland dargestellt. Selbst bei einem niedrigen CO2-Speichersaldo von 0,62 t CO2/m³ (vgl. Abbildung 1) wird mit Waldenergieholz keine THG-Minderung gegenüber fossilen Energieträgern erreicht (-13%). Wird ein höherer CO2-Speichersaldo angenommen, der im Bereich des Mittelwertes in Abbildung 2 liegt, sind die THG-Emissionen doppelt so hoch wie die der fossilen Referenz (-101%).
Zum Vergleich: Im Anhang der RED II wird bei der energetischen Nutzung von Stammholz als Hackschnitzel aus dem Wald als Standardwert eine THG-Minderung von über 80 Prozent angenommen (Transportdistanz bis zu 2.500 km; CO2-Speichersaldo bzw. C-Gehalt im Holz nicht berücksichtigt). Mit diesem Standardwert wird der Grenzwert für die THG-Minderung von 80 Prozent eingehalten. Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn die Auswirkung der Holzentnahme auf die Speicherleistung der Waldfläche berücksichtigt wird.
Empfehlungen für die Weiterentwicklung der RED III und die Waldbewirtschaftung
Die THG-Bilanz am Beispiel der Hackschnitzel aus Stammholz zeigt eindrücklich, dass mit Waldenergieholz kein Klimaschutz erreicht wird. Dies ist ebenfalls der Fall für Scheitholz und Pellets (Fehrenbach et al. 2022).
In der RED III sollte in jedem Fall die Menge an Kohlenstoff (C) im Waldenergieholz in der THG-Bilanz berücksichtigt werden. Optional kann auch eine direkte Stammholznutzung als Energieholz (Scheitholz, Hackschnitzel, Pellets) als nicht nachhaltig eingestuft werden. Hiermit wird erreicht, dass die Ziele zum Aufbau der Senkenleistung im LULUCF-Sektor in der LULUCF-Verordnung und die Ziele der RED III angeglichen werden.
Fazit 2: Für die Waldbewirtschaftung lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:
- In ökologisch stabilen, klimaresilienten Waldbeständen (in Deutschland vor allem Laub- und Mischwälder), für die vor allem eine minderwertige und kurzlebige Holznutzung zu erwarten ist, sollte der Holzeinschlag verringert werden, um den Vorrat aufzubauen.
- Ökologisch labile Waldbestände (in Deutschland fehlbestockter Fichtenforst) sollten weiter genutzt und zu ökologisch stabilen, klimaresiliente Wäldern umgebaut werden.
- In Wäldern, deren Holzsortimente vorrangig in langlebige Holznutzungen wie Bauholz und Möbel gehen, wird der Aufbau des Holzvorrats durch eine geringere Ernte voraussichtlich nicht zu einer Verringerung der gesamten Treibhausgasemissionen führen.
- Synergien und Zielkonflikte mit anderen Ökosystemleistungen wie Biodiversität, Boden und Wasser sollten in die Entscheidung der Waldbewirtschaftung einfließen.
Dr. Klaus Hennenberg arbeitet als Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz im Büro Darmstadt. Sein Schwerpunkt sind Modellierungstechniken und statistische Analyseverfahren von Biomasse. Ko-Autor*innen dieses Blog-Beitrags sind Dr. Hannes Böttcher und Judith Reise (Öko-Institut e.V.) sowie Silvana Bürck und Horst Fehrenbach (ifeu).
Weitere Informationen
Blogbeitrag von Dr. Klaus Hennenberg: Erosion of European sustainability requirements for bioenergy