Steuerliche Vorzüge für den öffentlichen Fernverkehr
Liebe Mehrwertsteuer, aktuell belastest Du öffentlichen Personenverkehr unterschiedlich – abhängig von der Entfernung, die wir zurücklegen. Ob Bus oder Bahn (außer Bergbahn), wenn es weniger als 50 Kilometer sind, die wir überwinden, werden nur sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Bei einer Entfernung von über 50 Kilometern sind es 19 Prozent. Auch wenn der öffentliche Bus oder der Zug viel klimafreundlicher sind als eine Autofahrt oder eine Flugreise. Wir wünschen uns zu Deinem 50. Geburtstag, dass Du Strecken mit Bus und Bahn über 50 Kilometer steuerlich begünstigst, zum Beispiel mit sieben Prozent, oder sogar mit fünf Prozent - das wäre auch mit derzeitigem EU-Recht vereinbar. Das wäre gut, denn wenn wir öfter Bahn und Fernbus fahren, statt Auto und Flugzeug zu nutzen, täten wir nicht nur etwas fürs Klima, sondern auch etwas gegen Stau und Stress. Und mit Bahn und Bus kommen wir im Gegensatz zum Flugzeug auch meist direkt im Stadtzentrum an und müssen keine Extrawege zurücklegen. Was bringt das? Ein Beispiel hilft, zu verdeutlichen, was wir schon mit einer Fahrt bewirken können: Reisen wir beispielsweise mit der Bahn von Berlin nach München und zurück, verursachen wir rund 45 Kilogramm CO2-Emissionen pro Person. Mit einem Flug wären das rund sechs Mal so viel. Inzwischen dauert der Weg mit dem ICE Sprinter sogar nur noch knapp vier Stunden. Und wir kommen dann direkt im Zentrum an, können auf dem Weg ungestört lesen, arbeiten oder entspannen und die Landschaft genießen. Komfortabel, oder? Allerdings ist die Strecke mit 150 Euro (ohne Bahncard, in der 2. Klasse) derzeit leider noch vergleichsweise teuer. Bei einer sieben prozentigen Besteuerung würde das Ticket jedoch nur noch etwa 135 Euro kosten. Im Vergleich zu einem Billigflug ist das natürlich immer noch teuer, aber wer sich sonst einen regulären Linienflug leistet, könnte durchaus überlegen, dem Klima zuliebe auf die Bahn umzusteigen. Auch der Fernbus wäre gegenüber dem Flugzeug eine klimafreundlichere Alternative. Mitdenken sollten wir an dieser Stelle sicherlich auch den grenzüberschreitenden Verkehr – hier ist der Flugverkehr besonders gestellt. Auf internationale Flüge fällt gar keine Mehrwertsteuer an, während für internationale Bus- und Bahnreisen für den deutschen Streckenabschnitt 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden. Diese Bühne ist aus verschiedenen Gründen etwas komplizierter als der inländische Verkehr. Allerdings ist es gut zu wissen, wie es um Ungleichbehandlungen bestellt ist. Der Flugverkehr wird darüber hinaus noch an einer anderen Stelle subventioniert: Kerosin für gewerbliche Flüge ist energiesteuerbefreit. Das kann als umweltschädliche Subvention interpretiert werden, die das Umweltbundesamt sogar quantifiziert. Darüber könnte man auch mal an anderer Stelle nachdenken. Es grüßt Dich Hannah Förster
Die Volkswirtin Dr. Hannah Förster arbeitet seit 2011 im Öko-Institut. Im Bereich Energie & Klimaschutz befasst sie sich unter anderem mit Fortschrittsmessungen im Bereich Energie- und Klimaziele, mit Treibhausgasemissionsprojektionen, ökonomischen Fragen im Bereich Energie- und Klimapolitik sowie visueller Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte als Brückenbau zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.
Alle Blogbeiträge über die Mehrwertsteuer auf einen Blick: Einleitung: Happy Birthday, liebe Mehrwertsteuer! Erster Wunsch: Pflanzliche Produkte mit zweitem ermäßigten Steuersatz besteuern Zweiter Wunsch: Tierische Nahrungsmittel normal besteuern Dritter Wunsch: Pflanzlich oder tierisch? Nahrungsmittel unterschiedlich besteuern Vierter Wunsch: Besteuerung öffentlicher Fernverkehr begünstigen Zum Hintergrundpapier „50 Jahre Mehrwertsteuer – Ein Blick durch die Klimaschutzbrille“ des Öko-Instituts
Übrigens - nicht nur wir haben uns Gedanken über die Mehrwertsteuer gemacht, auch andere denken in ähnliche Richtungen: Deutscher Bundestag zur Senkung Mehrwertsteuer Fernverkehr Allianz Pro Schiene
Weitere Informationen: CO2-Online: Bahn oder Flugzeug? Bahnstrecke Berlin München Bahn und Bus belastet, Flugzeug befreit Studie zu den umweltschädlichen Subventionen des Umweltbundesamtes Kerosinsteuer: Notwendig und machbar