The Deadly Business – nun auch in Nigeria und mit deutschen Abnehmern
Der Spiegel berichtet heute über einen schrecklichen Fall von schweren Vergiftungen, ausgelöst durch das Recycling von Bleibatterien im Großraum Lagos in Nigeria. Betroffen sind nicht nur Arbeiter selbst, sondern auch Kinder, die in unmittelbare Nähe der Bleihütte eine Grundschule besuchen. Die gemessenen Blut-Blei-Werte legen nahe, dass viele dieser Kinder nie ein normales und gesundes Leben führen werden können. Ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit wurde ihnen bereits in den ersten Lebensjahren genommen.
Deutsche Firmen indirekt involviert
Die Recherchen des Teams um die Journalistin Petra Sorge zeigen auch, dass deutsche Firmen scheinbar indirekte Stammkunden der Hütte waren. Denn aufgrund der deutschen Exportüberschüsse ist die Fertigungswirtschaft in fast allen Bereichen auf Rohstoffimporte angewiesen – so auch im Fall von Batterien und Blei. Dass hier namhafte deutsche Firmen über Jahre und scheinbar ohne wirklich ernsthaft nachzufragen aus dubiosen Quellen Blei aus West-Afrika bezogen haben, wird in Deutschland zu Recht als Skandal empfunden. Denn die Probleme um Batterierecycling in Entwicklungs- und Schwellenländer sind nicht nur in Fachkreisen bekannt. Das in Starterbatterien verwendetet Blei gilt als „besonders besorgniserregender Stoff“, der, wenn man falsch mit ihm umgeht, unweigerlich schwere Umwelt- und Gesundheitsprobleme nach sich zieht.
Bleirecycling rückt in den Fokus der Weltgemeinschaft
Zusammen mit mehreren afrikanischen Umweltgruppen haben wir bereits 2016 mit der Broschüre „The Deadly Business“ auf die strukturellen Probleme beim Recyceln von Bleibatterien in Entwicklungsländer hingewiesen und auch darauf, dass das Blei aus vielen solchen Anlagen wieder in Batterien für die Autoindustrie eingesetzt wird. Auch auf UN Ebene rückt das Thema zunehmend in den Vordergrund: Vor etwa einem Jahr hat die Weltgemeinschaft eine Resolution verabschiedet, die hier dringende Verbesserungen und konzertiertes Handeln anmahnt. Über die Aufregung der nigerianisch-deutschen Industrieverflechtungen darf aber nicht übersehen werden, dass Anlagen wie Everest in Nigeria in der Regel immer mit Genehmigung der zuständigen Behörden operieren. Es drängt sich die Frage auf, ob die nigerianischen Behörden die Gefahren für Mensch und Umwelt falsch eingeschätzt haben oder ob einfach nicht der politische Wille besteht, dieses hochriskante Industriesegment stärker zu regulieren. Denn Umweltregulierungen werden fast überall auf der Welt von einschlägigen Lobbygruppen als „Wirtschafts- und Investitionsfeindlich“ dargestellt. Dabei zeigt gerade das Beispiel Batterierecycling, dass zukunftsweisende Investitionen von ambitionierten und sinnvoll ausgestalteten Regulierungen abhängen.
Positivbeispiele unterstützen!
Die im Spiegel-Artikel genannte Ibeto-Anlage ist uns selbst bekannt und kann zu Recht als Positivbeispiel im afrikanischen Kontext angeführt werden. Da aber der nigerianische Staat und viele industrielle Großabnehmer keinerlei Bemühungen unternehmen, gegen die verantwortungslose Billigkonkurrenz wie Everest vorzugehen, entwickeln sich die millionenschweren Investitionen in Umwelttechnik für Ibeto zu einem betriebswirtschaftlichen Fluch. Dabei haben wir zwischen 2012 und 2015 in einem Kooperationsprojekt mit einem lokalen Recycler und dem global agierenden Batteriehersteller Johnson Controls gezeigt, dass ein verantwortungsvoller Bezug aus Westafrika in der täglichen Praxis möglich ist. Leider fehlt offensichtlich immer noch der Wille, solche Ansätze auszubauen. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob sich die weit verbreitete „Laissez-faire“-Haltung in Industrie und Regulierungsbehörden endlich ändert. Vielleicht bietet sich nun die Chance, zusammen mit Zivilgesellschaft, Politik und Industrie wirksame Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Eine Schlüsselrolle könnte hier auch die Solarindustrie spielen. Denn gerade in den ländlichen Räumen Afrikas wird für die nächsten Jahre ein Boom für dezentrale Solaranlagen einschließlich Batteriespeicher erwartet. Sollte sich bis dahin das dortige Batterierecycling nicht verbessert haben, werden wir uns wohl der übel an weitere Schreckensmeldungen wie die aus dem Spiegel-Artikel gefasst machen müssen. Zum Spiegel Artikel "Blei aus Autobatterien vergiftet Dorfbewohner".
ist Senior Researcher im Institutsbereich Produkte & Stoffströme und
arbeitet zu Fragen der Sicherstellung sozialer und ökologischer Standards in globalisierten Produktionsketten.
Weitere Blogbeiträge von Andreas Manhart: Kommentar "Boom im Schatten von Lithium: Bleibatterien und deren Folgen für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern". Artikel „Ghana verabschiedet verbindliche Mindeststandards für E-Waste Recycling“.