Vergütung von Photovoltaik-Dachanlagen im EEG 2023: Stellungnahme zum Referentenentwurf
Der Referentenentwurf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 will die Vergütung für Strom aus Photovoltaik (PV)-Dachanlagen grundlegend anpassen. David Ritter und Dr. Markus Haller vom Öko-Institut dazu Stellung genommen: Die vorgeschlagenen Vergütungen reichen noch nicht aus, um die angestrebten Zubau-Raten zu erreichen, so die beiden. Für einen klaren Impuls empfehlen sie die Vergütungssätze kurzfristig anzuheben.
Die Stellungnahme auf einen Blick:
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Wir begrüßen es, wenn ein Vergütungsmodell für Photovoltaik-Anlagen eingeführt wird, die ausschließlich Strom ins Netz einspeisen.
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Den Mechanismus zur Degression der Vergütungssätze vereinfachen und die Degression auf 1 Prozent pro Jahr begrenzen, sind Schritte in die richtige Richtung.
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Wir empfehlen einen Mechanismus, mit dem die Vergütungssätze automatisch angehoben werden, wenn die Zubau-Ziele unterschritten werden („atmende Hebebühne“).
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Insgesamt sind die Maßnahmen nicht ausreichend, mit denen der Neubau von PV-Anlagen attraktiver gemacht werden soll. Wir empfehlen eine einmalige Anhebung der PV-Vergütungssätze um mindestens 2 Cent pro Kilowattstunde (ct/KWh).
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Diese Anhebung der Vergütungssätze würde zu einem überschaubaren finanziellen Aufwand von 1,2 Milliarden Euro im Zeitraum zwischen 2023 und 2026 führen.
1. Volleinspeisemodell kann PV-Ausbau beschleunigen
Wir begrüßen die Einführung eines Volleinspeisemodells. Volleinspeisung bedeutet, dass der komplette Strom aus einer PV-Anlage ins Stromnetz fließt, ohne Eigenverbrauch. Wie wir bereits in unserer Studie für das Umweltbundesamt dargestellt haben, kann dies aus zwei Gründen den Zubau signifikant steigern:
Zum einen können so Dachflächen auf Gebäuden erreicht werden, auf denen Eigenverbrauch nur mit erheblichem Aufwand oder teils auch gar nicht realisiert werden kann und damit auch eine gute Ergänzung zum Mieterstrommodell dar.
Zum anderen setzt die wirtschaftliche Besserstellung der Volleinspeisung einen wichtigen Anreiz, um bei der Auslegung von Anlagen die zur Verfügung stehende Dachfläche maximal auszunutzen. In den letzten Jahren entwickelten sich die Eigenversorgung und Bestrebungen nach Autarkie zu den Hauptmotivationen, PV-Dachanlagen zu installieren. Hier bedarf es eines Umdenkens: Weg vom eigenen Haus als abgeschlossener Stromkosmos hin zur gemeinsamen Bemühung, das gesamte Stromsystem so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
2. Leistungskategorien von PV-Anlagen vereinheitlichen
In Abbildung 2‑1 sind die im Gesetzesentwurf definierten Festvergütungssätze für das Jahr 2022 dargestellt. Für Anlagen mit und ohne Eigenversorgung kommen unterschiedliche Leistungskategorien zur Anwendung. Dies führt zu unterschiedlich großen Aufschlägen für die Volleinspeise-Anlagen bei den Grenzwerten 10, 40 und 100 kW. Die Motivation für diese Differenzierung hat sich uns nicht erschlossen. Falls hierfür keine triftigen Gründe vorliegen, sollte hier eine Anpassung geprüft werden, um eine Vereinheitlichung zu erreichen und spätere Fallstricke zu vermeiden. Auf die Vergütungshöhen gehen wir in Kapitel 3 ein.
Abbildung 2‑1: Festvergütungen nach Referentenentwurf EEG 2023 §48
[caption id="attachment_6533" align="alignnone" width="927"] Quelle: eigene Darstellung basierend auf Referentenentwurf EEG 2023[/caption]
3. PV-Vergütungssätze einmalig anheben
Nach dem Preismonitor des Bundesverband Solarwirtschaft für das erste Quartal 2022 liegen die Systempreise für PV-Anlagen aktuell wieder auf dem Niveau von Anfang 2017 und damit etwa 15 Prozent über dem bisher niedrigsten Wert im ersten Quartal 2020. Gleichzeitig wurden die Vergütungssätze seit Anfang 2017 fast halbiert (siehe Abbildung 3‑1).
Der Referentenentwurf sieht vor, die Vergütungssätze für Eigenversorgungsanlagen für das Jahr 2022 auf dem Niveau vom April 2022 zu fixieren und ab dem nächsten Jahr halbjährlich um 1 Prozent abzusenken (Unsere Einschätzung zum Degressionsansatz finden Sie in Kapitel 5.). In Abbildung 3‑1 sind neben den Vergütungssätzen und den Zubau-Korridoren auch die aufs Jahr hochgerechneten Zubau-Werte für PV-Anlagen mit gesetzlich festgelegten Vergütungssätzen dargestellt. Während der hochgerechnete Zubau für April 2021 in etwa auf dem Zielwert für das nächste Jahr lag, gingen die Zubau-Werte seither deutlich zurück und liegen nun um 17 Prozent niedriger. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass selbst beim Einfrieren der Vergütungssätze auf dem Niveau von April 2022 kein deutliches Wachstum der Zubau-Raten zu erwarten ist, so dass die Ziele voraussichtlich nicht erreicht werden.
Abbildung 3‑1: Entwicklung der Vergütungssätze und des Zubaus
[caption id="attachment_6534" align="alignnone" width="929"] Quelle: eigene Darstellung basierend auf BNetzA[/caption]
In Abbildung 3‑2 ist die im Referentenentwurf geplante Vergütung den Stromgestehungskosten verschiedener PV-Anlagentypen gegenübergestellt (Die Annahmen sind im Anhang unserer Stellungnahme zu finden). Es ist zu erkennen, dass die geplanten Vergütungssätze die Wirtschaftlichkeit der Anlagen nur bei sehr günstigen Bedingungen gewährleisten können. Denn: Für alle Anlagentypen ist die Vergütung geringer als die mittleren Stromgestehungskosten.
Wir empfehlen daher eine einmalige Anhebung der Vergütungssätze für alle Vergütungskategorien um mindestens 2 ct/kWh. Dies würde dazu führen, dass die Vergütungssätze für alle Vergütungskategorien oberhalb der mittleren Stromgestehungskosten liegen. Diese einfache Maßnahme würde einen klaren Impuls setzen, der geeignet wäre, zusätzliche Investitionen schnell anzureizen.
Die Auswirkungen der pauschalen Anhebung der Vergütungssätze für alle Vergütungskategorien um 2 oder 3 ct/kWh sind ebenfalls in Abbildung 3‑2 dargestellt. Die Wirtschaftlichkeit stellt sich bei großen Anlagen am besten dar. Hier wäre es gut, den Aufschlag nach Vergütungskategorien zu differenzieren oder die Kategorien anzupassen. Zu beachten ist hier, dass größere Anlagen oft von gewerblichen Investoren mit tendenziell höheren Renditeerwartungen betrieben werden.
Abbildung 3‑2: Stromgestehungskosten für Volleinspeiseanlagen (links) und Eigenverbrauchsanlagen (rechts; exklusive Opportunitätserlöse durch Eigenverbrauch)
Quelle: eigene Berechnung basierend auf Referentenentwurf EEG2023
Eine Erhöhung der Vergütungssätze führt zu einem erhöhten Förderbedarf. Dieser ist angesichts der ohnehin niedrigen Vergütungssätze für Neuanlagen jedoch überschaubar (siehe Abbildung 4‑1). Eine Anhebung der Vergütungssätze für alle nicht ausschreibungspflichtigen PV-Anlagen um 2 bis 3 ct/kWh führt im Zeitraum von 2023 bis 2026 zu einem zusätzlichen Förderbedarf von 1,2 bis 1,8 Milliarden Euro (Im Zeitraum 2023 bis 2035 beträgt der zusätzliche Förderbedarf 14,4 bis 21,7 Milliarden Euro. Dies entspricht einer durchschnittlichen Belastung von 1,1 bis 1,7 Milliarden Euro pro Jah.). Dieser Wert ist zwar größer als der im Referentenentwurf genannte (sehr niedrige) Finanzierungsbedarf von 0,6 Milliarden Euro für PV-Neubau im selben Zeitraum. Gleichwohl ist er sehr überschaubar gegenüber den an derselben Stelle bezifferten Kosten von 59,9 Milliarden Euro für die Förderung von EEG-Bestandsanlagen und erscheint angemessen angesichts der enormen Bedeutung des schnellen Ausbaus erneuerbarer Stromerzeugung.
Abbildung 4‑1: Zusätzliche jährliche Kosten durch Anhebung der Vergütungssätze für nicht ausschreibungspflichtige PV-Anlagen
[caption id="attachment_6537" align="alignnone" width="1012"] Quelle: Eigene Berechnungen[/caption]
4. PV-Pflicht entfaltet größte Wirkung, wenn Dachsanierungen einbezogen werden
Das zweite wirksame Instrument, um den Ausbau der Photovoltaik auf Dachanlagen zu steigern, ist die Verpflichtung zum Bau einer Anlage, zum Beispiel beim Neubau oder einer Dachsanierung. Die PV-Pflicht ist kein Bestandteil des EEG 2023, sondern soll in der anstehenden Novellierung des GEG geregelt werden. Bei der Ausgestaltung der Vergütungssätze ist jedoch eine Einschätzung zur Wirkmächtigkeit einer PV-Pflicht und deren Wechselwirkungen mit den Vergütungssätzen hilfreich. In Abbildung 5‑1 ist eine Abschätzung für das Potenzial einer PV-Pflicht mit unterschiedlichen Ausprägungen den jährlichen Zielzubauten gegenübergestellt, wie sie im EEG 2023 festgelegt werden sollen. (Für die Potenzialabschätzung mussten Annahmen getroffen werden, die mit Unsicherheiten verbunden sind. Bei der Abschätzung wurde zum Beispiel angenommen, dass sich die aktuell typischen Anlagengrößen auch bei einer verpflichtenden Installation fortsetzen. (Die detaillierten Annahmen können dem Anhang unserer Stellungnahme entnommen werden.)
Abbildung 5‑1: Vergleich Zielzubau für Dachanlagen und Abschätzung für Potenzial einer PV-Pflicht
[caption id="attachment_6538" align="alignnone" width="1020"] Quelle: Referentenentwurf EEG2023 und eigene Berechnung[/caption]
Im Koalitionsvertrag wurde zunächst nur eine Pflicht für gewerbliche Neubauten vereinbart. Das hierfür berechnete Potenzial liegt bei 40 Prozent des Zielzubaus von 2023 und bei 18 Prozent ab 2028. Würde auch beim Neubau von Mehrfamilienhäusern die Pflicht bestehen, könnte das Potenzial um rund ein Drittel erhöht werden und bei einer Berücksichtigung aller Wohngebäude sogar um drei Viertel. Trotzdem zeigt ein Vergleich mit dem Zielzubau für das Jahr 2023 zeigt, dass auch, wenn alle Neubauten mit PV-Anlagen belegt würden, der angestrebte Zubau noch nicht erreicht würde.
Die mit Abstand größte Wirkung kann erzielt werden, wenn auch bei grundlegenden Dachsanierungen Photovoltaik installiert werden muss. Hierdurch würde das Potenzial bei Nichtwohngebäuden auf das Vierfache und bei Wohngebäude auf das Fünffache gesteigert werden. Es zeigt sich also, dass eine PV-Pflicht einen erheblichen Zubau generieren kann, aber nur, wenn sie auch auf Sanierungen zutrifft.
Es ist zu erwarten, dass eine PV-Pflicht auf Bundesebene erst ab Anfang 2023 wirksam wird. Dies bedeutet, dass die bereits für das aktuelle Jahr im Vergleich zum letzten Jahr der vorgesehene Zubau in erster Linie durch eine Attraktivitätssteigerung bei der Vergütung erreicht werden muss.
5. Vergütungssätze sollten bei Zielverfehlung automatisch angehoben werden
Wir empfehlen einen Mechanismus im EEG 2023 aufzunehmen, mit dem die Vergütungssätze automatisch angehoben werden, wenn die Zubau-Ziele unterschritten werden („atmende Hebebühne“).
Gegenüber der aktuellen EEG-Fassung wurde das Verfahren zur automatischen Absenkung der Vergütungssätze sehr stark vereinfacht und soll ausschließlich aus einer Basisdegression von 1 Prozent je Halbjahr bestehen. Es ist sinnvoll, dass die Basisdegression im Vergleich zum aktuellen EEG gemindert wurde und somit dem Kostenrückgang entspricht, wie er vor dem Anstieg der Anlagenpreise zu beobachten war. Auch begrüßen wir, dass die Degression für das aktuelle Jahr ausgesetzt wurde, um keinen weiteren Druck auf die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen auszuüben.
Jedoch stellt sich die Frage, wie bei einer Unterschreitung des Zielzubaus schnell und unkompliziert gegengesteuert werden kann. Im Referentenentwurf konnten wir dafür keinen Ansatz finden. In diesem Fall sollte zumindest die Degression zeitweise ausgesetzt werden. Darüber hinaus sollte ein Mechanismus eingeführt werden, der wenn die Zubau-Ziele unterschritten werden, automatisch die Vergütungssätze anhebt. In UBA 2021 haben wir für diesen Zweck das Konzept der atmenden Hebebühne entwickelt.
Angesichts der hohen Dringlichkeit und der ambitionierten Zubau-Ziele sollte der gut eingespielte Prozess der quartalsweisen Überprüfung der Zubau-Raten durch die Bundesnetzagentur beibehalten werden, anstatt in regelmäßigen und aufwändigen politischen Prozessen die Vergütungssätze manuell anzupassen.
Der Schwerpunkt unserer Empfehlung liegt aber auf der kurzfristigen einmaligen Anhebung der Vergütungssätze, wie in Kapitel 3 beschrieben. Nur hierdurch kann ein dringend notwendiger Impuls zur schnellen Steigerung der Zubau-Raten gesetzt werden. Schrittweise, halb- oder vierteljährliche Anpassungen der Vergütungssätze durch eine Aussetzung der Degression oder eine Anhebung benötigen viel Zeit, um eine Wirkung zu entfalten können. Sollte die Anhebung die eher unwahrscheinliche Folge haben, dass die Zubau-Raten signifikant überschritten werden, kann sie schrittweise wieder abgesenkt werden.
6. Gesetzesentwurfs ohne Synopse veröffentlicht
Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass Gesetzesentwürfen der Bundesregierung künftig eine Synopse beigefügt wird, „die die aktuelle Rechtslage der geplanten Änderung gegenüberstellt“. Wir bedauern ausdrücklich, dass dies im Fall des Referentenentwurfs nicht geschehen ist. Eine Synopse würde die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens erheblich verbessern und den Prozess der Stellungnahme deutlich vereinfachen.
David Ritter ist Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Standort Freiburg. Schwerpunkt seiner Arbeit sind der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor und deren Finanzierung sowie Szenarien- und Datenanalysen zur Entwicklung des Energiesystems. Dr. Markus Haller arbeitet ebenfalls als Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz. Er beschäftigt sich mit Förderinstrumenten für den Ausbau erneuerbarer Energien, der Systemintegration erneuerbaren Stroms und langfristigen Szenarien zur Transformation des Energiesystems.