#VerkehrswendeMythen10: Schiffe sind ein klimafreundliches Transportmittel
Die Schifffahrt ist ein Haupttreiber des globalen Handels. Etwa 80 Prozent des globalen Warentransports geschieht per Schiff. Das einzelne Produkt, wie beispielsweise das iPhone aus China oder der Apfel aus Neuseeland, verursacht dabei einen schwindend geringen CO2-Fußabdruck. Aber insgesamt trägt der Schiffssektor signifikant zu den globalen Treibhausgasemissionen bei, erklärt die Wissenschaftlerin Nora Wissner in ihrem Beitrag.
Allgemein gilt der Transport per Schiff als das effizienteste Transportmittel auf der Welt, welches den enormen weltweiten Warenumschlag erst möglich macht. Vor allem Containerschiffe gelten im Vergleich zum Transport per Lkw als die effizientere Methode für den Warentransport.
Der Schiffssektor verursacht enorme globale Treibhausgasemissionen.
Der Anteil der gesamten Schifffahrt an den globalen Treibhausgasemissionen betrug im Jahr 2018 etwa zwei bis drei Prozent, wovon der Großteil dem internationalen Schiffsverkehr zuzuschreiben ist. Zum Vergleich: Nur sechs Länder auf der Welt emittierten im Jahr 2017 mehr Treibhausgase. Allein in den Jahren von 2012 bis 2018 sind die Treibhausgasemissionen um fast ein Zehntel gestiegen (IMO 2020).
Containerschiffe, Massengutfrachter sowie Öltanker haben dabei den größten Anteil an den Emissionen des Sektors. Containerschiffe verbrannten im Jahr 2018 beispielsweise etwa 63 Millionen Tonnen Kraftstoff:
Modellrechnungen der zukünftigen Emissionsentwicklung in der internationalen Schifffahrt zeigen einen zunehmend negativen Einfluss auf das Klima. Die kürzlich veröffentliche Studie der International Maritime Organization (IMO) schätzt, dass die Emissionen um 90 bis 130 Prozent im Jahr 2050 gegenüber 2008 steigen könnten.
Dekarbonisierung der Schifffahrt nötig
Die Emissionen der Schifffahrt sind stark von der globalen wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Zukünftiges Wirtschaftswachstum wird also unweigerlich zu wachsenden Emissionen in der Schifffahrt führen. Für eine klimaneutrale Zukunft, in der auch weiterhin mit Wirtschaftswachstum zu rechnen ist, muss sich auch die Schifffahrt der Dekarbonisierung verschreiben und kann sich nicht auf dem effizienten Transport der Waren ausruhen.
Auch schwefelarmes Öl verursacht Treibhausgase
Die meisten Schiffe fuhren Jahrzehnte lang mit schwefelhaltigem Schweröl. Die beim Verbrennen entstandenen Schwefel- und anderen Rußpartikel wirken sich negativ auf die Luftqualität in den Küstenregionen aus. Seit dem Jahr 2020 gilt ein über die IMO beschlossenes globales Limit für den Schwefelanteil im Kraftstoff von 0,5 Prozent, sodass nun der Großteil der Schiffe mit schwefelarmem Öl fährt oder mit einem Abgaswäscher (engl.: scrubber) die Schiffsabgase reinigt.
Der Großteil der Emissionen aus der Schifffahrt sind jedoch Treibhausgase. Diese bestehen in der Schifffahrt zu mehr als 90 Prozent aus CO2; enthalten sind aber auch Lachgas, Methan sowie schwarze Rußpartikel (Black Carbon). Diese Gase besitzen eine starke Klimawirkung. Und sie werden auch von den nun gängigen schwefelarmen Kraftstoffen ausgestoßen.
Batteriebetriebe Schiffe können nur kurze Strecken fahren
Während für kurze Strecken oder die küstennahe Schifffahrt batteriebetriebene Schiffe zum Einsatz kommen könnten, werden für die langen Strecken des internationalen Seeverkehrs weiterhin flüssige oder gasförmige Kraftstoffe gebraucht.
Es passiert zu wenig, weitere Maßnahmen notwendig
Der internationale Schiffsverkehr wird vor allem durch die UN-Organisation IMO reguliert. Die internationale Schifffahrt ist nicht explizit im Pariser Klimaabkommen integriert. Aber die IMO hat sich 2018 eigene Ziele gesteckt, um den Treibhausgasausstoß zu mindern: unter anderem eine absolute Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 70 Prozent bis zum Jahr 2050 gegenüber 2008.
Allerdings laufen die Prozesse der IMO sehr langsam und viele Staaten sind an den Verhandlungen beteiligt. Deutschland hat als einzelne Nation dort wenig Handlungsspielraum. Zudem ist bisher wenig passiert: die Emissionen der Schifffahrt steigen weiterhin an. Die IMO konnte sich auf kein konkretes Jahr in diesem Jahrhundert einigen, in dem die Schifffahrt klimaneutral sein soll. Auch die Maßnahmen, mit denen die IMO-Ziele erreicht werden sollen, sind noch längst nicht ausdiskutiert.
Kurzfristig langsamer fahren, langfristig E-Fuels
Kurzfristige Maßnahmen wie „slow steaming“, das heißt die Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit (siehe Healy und Graichen 2019), könnten relativ schnell und einfach umgesetzt werden. Langfristig bietet aber der Wechsel zu klimaneutralen alternativen Kraftstoffen das größte Potenzial, um die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt zu senken (DNV GL 2020).
In Anbetracht der enormen Mengen, die die Schifffahrt an Kraftstoffen benötigt, und dem begrenzten nachhaltigen Biomassepotenzial, werden nachhaltige Biokraftstoffe eine klimaneutrale Schifffahrt nicht ermöglichen. Daher stehen in der Branche sogenannte E-Fuels (Hintergrundpapier „Wasserstoff und strombasierte Kraftstoffe“, Punkt 8), synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, im Fokus. Es werden verschiedene E-Fuels diskutiert, zum Beispiel Ammoniak und Methanol. Allerdings müssen einige dieser Kraftstoffe erst noch getestet sowie zugelassen werden und es fehlt an konkreten Plänen, wie entsprechende Mengen für die Schifffahrt zur Verfügung gestellt werden sollen oder wie die Nutzung im Sektor angereizt werden könnte.
Fazit
Der Schiffsektor mag also essenziell für unsere globalisierte Welt sein, aber er ist leider noch weit davon entfernt klimaneutral zu sein.
Nora Wissner ist Expertin für nachhaltige Schifffahrt und arbeitet im Bereich „Energie & Klimaschutz“ am Standort Berlin.