#VerkehrswendeMythen3: Deutschland fördert die Elektromobilität zu einseitig – das ist ein Irrweg
Werden hierzulande neue Technologien für die Mobilität von morgen ausreichend technologieoffen gefördert? Ja, meinen Peter Kasten und Lukas Minnich im neuen Beitrag in der Serie #VerkehrswendeMythen.
Ein zentrales Element der Verkehrswende ist die Umstellung von fossilen Kraftstoffen auf Energieträger aus erneuerbaren Quellen. Unter den verfügbaren Technologien dominieren in der Debatte seit geraumer Zeit die batterieelektrischen Fahrzeuge. Unter anderem aufgrund öffentlicher Förderung stiegen die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in den letzten Monaten deutlich an und im Straßenbild sind mehr und mehr Ladestationen zu sehen. Mit der Ansiedlung der Tesla-Fabrik in Brandenburg werden große Hoffnungen verbunden. Unter den Autoherstellern hat sich besonders Volkswagen-Chef Diess eindeutig pro Elektromobilität positioniert.
Der Mythos im Detail
In letzter Zeit jedoch war an vielen Stellen in Medien und Politik zu hören und zu lesen, dass das alles ein Irrweg sei. Die Vorfestlegung auf BEVs widerspreche marktwirtschaftlichen Mechanismen und dem Prinzip der Technologieoffenheit. Ob batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs), Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEVs) oder Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren mit aus erneuerbaren Energien gewonnen synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) – am Markt werde sich die beste Technologie schon durchsetzen. Und dies würden nicht die aus ökologischer Sicht fragwürdigen BEVs sein. Käuferinnen und Käufer ließen sich von diesen nur schleppend überzeugen, vor allem auch, weil sie wegen der Reichweite und Ladezeiten FCEVs oder Verbrenner mit E-Fuels bevorzugten. China habe das verstanden, kürze deshalb jetzt die Förderung für BEVs und setze vermehrt auf die Brennstoffzelle. Deutschland aber fahre weiter in die Sackgasse, die noch dazu die Technologieführerschaft und Hunderttausende Arbeitsplätze gefährde. Soweit der Mythos.
Technologieoffenheit – was steckt dahinter
Jedoch: Der geforderte Wettbewerb der emissionsfreien Technologien findet bereits statt. Förderungen wie der „Umweltbonus“ stellen explizit FCEVs den BEVs gleich. Allerdings finden sich kaum FCEVs in der Liste der förderfähigen Fahrzeuge und in der Zulassungsstatistik. Der Grund: Die Technologie ist teuer und noch nicht ausreichend entwickelt. Auch die Treibhausgasquote für Kraftstoffe ermöglicht gleichberechtigt die Beimischung und Anrechnung verschiedener klimafreundlicher Kraftstoffe – unter anderem von grünem Wasserstoff, E‑Methan und zukünftig auch von E-Diesel. Auch hier ist die vielbeschworene Technologieoffenheit gewährleistet.
Für den Klimaschutz werden Technologien benötigt, die rechtzeitig und in ausreichendem Umfang dazu beitragen, die Klimaziele 2030 zu erreichen. Und hier scheint bei aller Technologieoffenheit eines klar: Der Abschied vom Verbrennungsmotor ist in großen Teilen des Straßenverkehrs vorgezeichnet: Bedeutende Staaten und Regionen haben sich das Ziel gesetzt, ab einem bestimmten Jahr, meist zwischen 2025 und 2040, keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen oder sogar den Fahrzeugbestand vollständig mit alternativen Antrieben auszustatten. Hinzu kommen bedeutende Metropolen.
Vorteile von Elektrofahrzeugen
Der batterieelektrische Antrieb ist aktuell beim Pkw diejenige marktreife Klimaschutztechnologie, die diesem Fahrplan am besten gerecht werden kann. Schon heute sind Elektroautos hinsichtlich des CO2-Ausstoßes vorteilhaft gegenüber Verbrennern und dieser Vorsprung wächst mit der Energiewende. Denn Elektrofahrzeuge weisen eine weit höhere Effizienz bei der Nutzung des eingesetzten Stroms auf im Vergleich zu Fahrzeugen, die mit Wasserstoff oder mit aus Strom hergestellten Energieträgern (E‑Fuels) betrieben werden. So müssen für die batterieelektrische Mobilität weniger erneuerbare Energien aufgebaut werden, was diese Option für die Verkehrswende realistischer macht (mehr dazu in einem späteren Blogeintrag in dieser Reihe).
Die Rohstoffproblematik ist nicht zu vernachlässigen, wird aber auch nicht der „Showstopper“ sein, wie das Öko-Institut in einer Studie für Agora Verkehrswende untersucht hat (auch dazu später mehr in dieser Reihe). Aufgrund der Vorteile und der vielversprechenden Entwicklung bei der Elektromobilität ist es folgerichtig, dass Fördergelder in diese Technologie fließen. Beispielsweise in die Ladeinfrastruktur – wobei auch hier zu betonen ist: Wasserstofftankstellen und Elektrolyseure erhalten die gleichen Fördersätze wie Elektro-Ladesäulen.
Förderung von Elektromobilität in China und in den USA
Und was hat es mit dem gesunkenen Absatz von E‑Autos in China auf sich? Tatsächlich wurden in den führenden Märkten USA und China 2019 etwas weniger elektrische Fahrzeuge neu zugelassen als 2018, während Deutschland stark zulegte. Diese Trends setzten sich im Jahr 2020 prinzipiell fort, wenn auch durch die Verwerfungen der Corona-Krise überlagert. Die Story von einem deutschen Irrweg ist jedoch ein Mythos: Der Ländervergleich über mehrere Jahre zeigt für Deutschland eine moderate Entwicklung und für 2019 einen E‑Anteil von 3,1 Prozent BEVs und PHEVs an den Neuzulassungen. Damit liegt Deutschland international im Mittelfeld, deutlich hinter China und etwa gleichauf mit den USA.
Die Kürzung der nationalen Kaufförderung für Elektroautos in China, die den dortigen Rückgang verursacht hat, war seit geraumer Zeit geplant – den Brennstoffzellenfahrzeugen wird es genauso ergehen. Das ist eine übliche Strategie, um nach einer allerersten Marktphase die Wettbewerbsfähigkeit neuer Technologien noch zu steigern – so ähnlich wie bei den teils heftigen Einschnitten beim EEG in Deutschland in der Vergangenheit. Das ursprünglich bis Ende 2020 geplante vollständige Auslaufen der staatlichen Förderung für E‑Autos wurde übrigens inzwischen auf 2022 verschoben. Gleichzeitig sichert in China das System von ambitionierten Quoten alternativer Antriebe für die Fahrzeughersteller die weitere Marktentwicklung für BEVs und FCEVs – auch dieses Instrument funktioniert im Übrigen technologieoffen.
Ambitionierter Klimaschutz im Verkehrssektor braucht mehr
Klar ist: Kaufförderung für E‑Autos aus Steuergeldern ist noch keine Klimaschutzpolitik im Verkehr. Um die technologische Transformation nachhaltig zu unterstützen, braucht es zum einen verbindliche Fahrpläne für die Hersteller wie in China. Zum anderen entsteht mehr Akzeptanz für alternative Antriebe, wenn ihre Förderung mit höheren Preisen für die Anschaffung klimaschädlicher Fahrzeuge einhergeht (Bonus-Malus-System). Fahrzeugnutzerinnen und -nutzer erleben so konkrete Vorteile, die die (gefühlten) Nachteile hinsichtlich Reichweite und Anschaffungspreis emissionsfreier Fahrzeuge aufwiegen können. Und die Refinanzierung von Förderinstrumenten wird angesichts der zurückgehenden Steuereinnahmen in den kommenden Monaten ohnehin wieder relevanter werden. Es lohnt ein Blick nach Frankreich: Eine Verschärfung der Bonus-Malus-Regelung in der Kfz-Besteuerung verteuerte Anfang Januar 2020 Verbrennerfahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß deutlich. Unter anderem deswegen sprang der Zulassungsanteil von E‑Fahrzeugen auf über zehn Prozent. Diese guten Beispiele findet man beim Blick ins Ausland – und nicht etwa die Geschichte vom deutschen „Elektro-Irrweg“.
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ist Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt und arbeitet zu Themen wie Elektromobilität, ÖPNV, gewerblicher Mobilität, kommunalen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr sowie Schadstoffregulierung. Peter Kasten ist Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut in Berlin. Er arbeitet unter anderem zu den Wechselwirkungen zwischen dem Verkehrs- und dem Stromsektor und berät das Bundesumweltministerium zur CO2-Regulierung für Pkw und Lkw.