#VerkehrswendeMythen4: Die Elektromobilität wird an knappen Batterie-Rohstoffen wie Kobalt oder Lithium scheitern
Immer wieder werden Bedenken geäußert, es gäbe nicht genügend Rohstoffe, um die Lithium-Ionen-Batterien in ausreichend großen Mengen produzieren zu können. Hierbei wird besonders die Knappheit von Kobalt und Lithium angeführt. Doch ist das wirklich so? Das beantworten Dr. Matthias Buchert und Peter Dolega in ihrem Blogbeitrag aus unserer Serie #VerkehrswendeMythen.
Aktuell:
Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden gibt es genug. Der schnelle Umbau der Autoindustrie ist das größte Thema beim Ausbau der Elektromobilität, sagt Matthias Buchert vom Öko-Institut im Interview mit der Deutschen Welle. „Drei Leitplanken für nachhaltige Wertschöpfungsketten", ein Standpunkt von Dr. Johannes Betz und Stefanie Degreif
Blogbeitrag:
Eine wesentliche Quelle, aus der sich diese Befürchtungen speisen, ist, dass statische Reichweiten von Rohstoffen genutzt werden.
Das bedeutet: Basierend auf der heutigen Produktion und den heute wirtschaftlich förderbaren Rohstoffvorkommen wird berechnet, wie viele Jahre die Rohstoffreserven noch reichen, wenn konstant weiter abgebaut würde wie bisher. Mit dieser Rechnung wird bei den meisten Rohstoffen noch keine Knappheit sichtbar. Wenn man nun aber die künftige Nachfrage nach Rohstoffen einkalkuliert, sieht es anders aus: Die Elektromobilität steht erst ganz am Anfang. Wenn man ein schnelles Wachstum annimmt, steigt der Bedarf an Lithium und Kobalt gegenüber heute rapide an – ebenso wie der von anderen Rohstoffen wie Nickel, Kupfer oder Graphit.
Der Mythos im Detail
Stellt man also den Bedarf im Jahr 2030 den heutigen Reserven gegenüber, können diese ohne Kontextinformationen knapp erscheinen. Das Öko-Institut hat kalkuliert, dass global etwa 240.000 Tonnen Lithium im Jahr 2030 und 1,1 Millionen Tonnen im Jahr 2050 für die Elektromobilität benötigt werden. Die heutigen Reserven belaufen sich auf ca. 15 Millionen Tonnen Lithium. Das heißt, die Reichweite der Rohstoffe läge bei einem Bedarf von 240.000 t bei etwa 60 Jahren. Berechnet man die statische Reichweite mit dem Bedarf für 2050, landen wir bei etwa 13 Jahren. Damit erscheint die Situation auf den ersten Blick sehr knapp.
Der Fehler, dem diese Betrachtung zugrunde liegt, ist die falsche Interpretation der Reserven. Denn Reserven sind keine statische Größe.
Reserven werden häufig fälschlicherweise als statische, nicht veränderbare Größe gesehen. Diese Sichtweise entspricht allerdings nicht der Realität. Denn die Reserven umschreiben lediglich die Rohstoffmengen aller zur Zeit der Erhebung bekannten Lagerstätten. Und die zu dem Zeitpunkt mit der Technik wirtschaftlich effizient abgebaut werden können. Ändern kann sich die Reservengröße zum Beispiel durch
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neue Lagerstätten, die durch Erkundungen (Explorationen) entdeckt werden
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neue Techniken, die bestimmte Lagerstätten rentabel machen.
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Gleiches gilt für höhere Rohstoffpreise oder Steuersenkungen und nicht zuletzt bestimmt
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die Nachfrage die Entwicklung der Reserven.
Damit wird deutlich, dass Reserven alles andere als statisch sind und dass viele Einflussgrößen auf die Reservemengen einwirken.
Reserven wachsen trotz steigendem Abbau
Bei den allermeisten Rohstoffen steigen die Reserven trotz größerer Abbaumengen an. Dies veranschaulicht das Beispiel Kupfer: Im Jahr 1970 beliefen sich die Reserven auf 280 Millionen Tonnen. Seit damals sind mehr als 560 Millionen Kupfer abgebaut worden und trotzdem werden die Reserven heute mit 870 Millionen Tonnen ausgewiesen. Auch die Reserven für Lithium sind trotz steigender Abbaumengen stetig angewachsen von etwa 4 Millionen Tonnen im Jahr 2006 auf 17 Millionen Tonnen im Jahr 2018.
Durch die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und damit nach Batterierohstoffen lässt sich beobachten, dass Explorationsausgaben für Lithium und Kobalt gegenüber den Vorjahren ansteigen. Auch die Preise für Lithium und Kobalt sind im Mittel der letzten Jahre bereits angestiegen, sodass der Abbau attraktiver wird.
Reserven vs. Ressourcen
Von den Reserven ist zudem die Größe der Ressourcen zu unterscheiden. Ressourcen bilden die Rohstoffmengen ab, deren Abbau gegenwärtig oder potenziell wirtschaftlich möglich ist. Die Reserven umfassen Lagerstätten, die entdeckt, bewertet und als wirtschaftlich rentabel eingeschätzt wurden. Die Ressourcen sind weitaus größer und beinhalten die Reserven sowie entdeckte Lagerstätten und unentdeckte Lagerstätten, deren Existenz auf der Grundlage geologischer Voruntersuchungen wahrscheinlich ist.
Im Falle von Lithium liegen die Ressourcen bei 80 Millionen Tonnen und sind damit nochmal deutlich größer als die Reserven. Auch diese Größe kann sich verändern. Eine physische Verknappung der Rohstoffe im absoluten Sinn ist also sehr unwahrscheinlich.
„Es kann zu einem zeitlichen Engpass kommen – aber es ist keine tatsächliche Verknappung zu erwarten“ meinen Peter Dolega und Matthias Buchert.
Das Rohstoffangebot wird aber nicht nur von primären Quellen, also dem Bergbau, sondern auch von sekundären, also vom Recycling gedeckt. Auch hier gibt es einen Mythos, dem Dr. Matthias Buchert und Peter Dolega auf den Grund gegangen sind.
Alle Texte der Reihe #VerkehrswendeMythen lesen.
Dr. Matthias Buchert ist Experte für Nachhaltige Ressourcenwirtschaft und leitet den Institutsbereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt. Peter Dolega ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Ressourcen & Mobilität in Darmstadt und arbeitet zu Themen wie Umweltauswirkungen primärer Rohstoffgewinnung, Rohstoffpolitik und Szenarien der Elektromobilität.
Man wird noch viele Lithium-Vorkommen finden, die dann je aufwändiger desto umweltschädlicher abgebaut werden, so wie auch die letzten Erdgas-Vorkommen auf immer schädlichere Weise abgebaut (Fracking) werden.
Die E-Mobilität ist kein ökologischer Befreiungsschlag. Das Problem des Verbrennungsmotor wird durch das Problem begrenzter Ressourcen ersetzt. Arroganz und Ignoranz voraus!
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich gebe Ihnen insofern recht, als dass man die Auswirkungen des Rohstoffabbaus beobachten muss und die negativen Auswirkungen durch stärkere Standards (am besten verpflichtende) verringert werden sollten. Dass knappere Vorkommen und daraus resultierende höhere Preise zu umweltschädlichere Abbaumethoden führen, ist meines Erachtens jedoch nicht gesetzt. Häufig verhindern ja gerade hohe Standards und hohe Lohnkosten innerhalb der EU, dass sich der Abbau von Rohstoffen gegenüber Ländern mit niedrigeren Standards bzw. Lohnkosten rentiert.
Besonders die Förderung von Erdöl findet in vielen Ländern ohne die Einhaltung von grundlegenden Sozial- und Umweltstandards statt und sorgt andauernd für sehr große Umweltkatastrophen. Schauen Sie für einen Vergleich der Ressourcen von E-Fahrzeugen und Verbrennern gerne in unsere Studie „Resource consumption of the passenger vehicle sector in Germany until 2035 – the impact of different drive systems“ (https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Resource-demand-drive-systems.pdf).
Ich finde auch, dass es nachhaltigere Mobilitätsformen gibt als den motorisierten Individualverkehr, wie zu Fuß laufen, mit dem Rad oder dem ÖPNV fahren. Es gibt jedoch Bereiche, in denen wir auch in Zukunft auf ein Auto weiter angewiesen sein werden. In diesen Fällen ist die E-Mobilität ohne sinnvolle Alternativen. Selbst vom CO2-Fußabdruck abgesehen, der eindeutig für E-Fahrzeuge spricht, brauchen auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor eine Menge Ressourcen, die in der Diskussion gerne vergessen werden.
Selbst unter Ihrer professoralen Annahme der Neuentdeckung weiterer Vorkommen, ist der anzunehmende Verbrauch nicht annähernd zu decken. Gestehen Sie Ländern wie Indien und anderen gleiche Verbrauchsstandards zu, wie den Mitteleuropäern ist das E-Auto mit Ihren Zahlen selbst bei optimistischster Betrachtung keine weltweite Lösung. Ein durchschnittlicher E-PKW hat ca. einen Bedarf von 8 kg (o,oo8 t) Lithium. Es bedarf keiner professoralen Rechenfähigkeiten um sich ausrechnen zu können, dass bei mitteleuropäischerAutodichte selbst die zehnfachen Reserven an Lithium weltweit nicht ausreichen!
Unsere Daten bzw. Aussage zu den über die Zeit wachsenden Reserven für Lithium sind keine professorale Annahme, sondern ist durch Fakten gedeckt: in unserem Blog aus dem Jahr 2020 sind wir basierend auf Daten der USGS von rund 15 Mio. Tonnen Reserven an Lithium ausgegangen; die neusten Daten der USGS (Jan. 2024) weisen für Lithium bereits Reserven von 28 Mio. Tonnen auf. Es ist definitiv nicht so, dass es auch bei einer totalen Elektrifizierung der Straßenfahrzeuge auf globaler Ebene zu einer physischen Verknappung von Lithium kommen könnte.
Inzwischen gibt es auch – bis jetzt vor allen in China und Südkorea – Fortschritte bei der Rückgewinnung von Lithiumverbindungen aus dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. In der EU ist dies für die Zukunft ebenso zu erwarten – zumal die neue EU Battery Regulation hier in den nächsten Jahren ambitionierte Zielwerte setzt. Die in den nächsten Jahren wachsende Rückgewinnung von Lithium aus End-Of-Life-Batterien wird sich auf die Nachfrage nach Lithium aus natürlichen Primärvorkommen mittel- und langfristig zunehmend dämpfend auswirken.
Bezüglich der angesprochenen vergessenen Ressourcen für Akkus und Motoren:
Diese sind zwar grundsätzlich endlich, aber werden nicht einfach verbraucht wie die Treib- und Betriebsstoffe der Verbrenner. In Verbrennern sind ebenso Alu, Stahl und Edelmetalle verbaut. Beispielsweise im Katalysator. Zur Brennstoffherstellung beim Diesel wird Kobalt verwendet zur Entschwefelung. ... etc.
Konstruktionsmaterialien und insbesondere Katalysatoren durchlaufen aber einen Recycling-Zyklus. Warum wollte meine Werkstatt wohl den Alten behalten? Daran wird auch bei Elektro-Komponenten gearbeitet.
Das Öko-Institut stimmt Ihnen zu. In zahlreichen Projekten zu diesem Thema betonen wir immer wieder den Umstand, dass Metalle/Metallverbindungen z.B. aus Elektromotoren und Lithium-Ionen-Batterien ambitioniert und effizient durch Recycling wiedergewonnen werden müssen. Wir haben dazu auch in neueren Studien die Potenziale hierzu im Detail analysiert. Lassen Sie uns wissen, wenn Sie hierzu Hinweise auf neuere Arbeiten von uns bekommen möchten.