Vorurteile gegen Elektrofahrzeuge ausräumen
„Die Batterien halten nicht allzu lange, recycelt werden können sie auch nicht und die Emissionen sind viel zu hoch“: Es gibt zahlreiche Mythen rund um die Elektromobilität. Drs. Auke Hoekstra kennt sie alle – und klärt seine mehr als 25.000 Follower auf Twitter über irreführende oder falsche Aussagen rund um E-Fahrzeuge auf. Der Programmdirektor von der Technischen Universität Eindhoven erklärt im Gespräch mit eco@work, wie solche Mythen entstehen, warum sie falsch sind und wie man sie am besten ausräumen kann.
Drs. Auke Hoekstra, welcher Mythos in Sachen Elektromobilität hat sie bisher am meisten geärgert?
Dass Elektroautos extrem weite Strecken zurücklegen müssen, um die Mehremissionen bei der Produktion auszugleichen.
Hier standen ja auch schon mal 100.000 Kilometer und mehr im Raum. Der reale Wert liegt bei den meisten Autos aber eher bei 30.000 Kilometern.
[caption id="attachment_6892" align="alignright" width="492"] Im Interview mit eco@work: Drs. Auke Hoekstra, Programmdirektor an der Technischen Universität Eindhoven und Gründer von Zenmo Simulations[/caption]
Wie sind die falschen Zahlen entstanden?
Zum einen werden die Emissionen aus der Batterieproduktion oft übertrieben beziehungsweise es werden veraltete Daten genutzt. Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob eine moderne Gigafactory die Batterien herstellt oder eine kleine, alte Fabrik – von denen gibt es allerdings kaum noch welche. Die Emissionen werden außerdem oft auf Grundlage des aktuellen Strommix berechnet – dabei wird unterschlagen, dass unser Strom ja immer grüner wird und die Emissionsbilanz mit der Zeit immer besser wird. Und übrigens wird beim Vergleich mit Verbrennern auch deren Treibstoffverbrauch oft viel optimistischer eingeschätzt als er in der Realität ist, die Emissionen bei der Produktion von Benzin und Diesel werden zudem oft nicht mit eingerechnet.
Oft wird auch die Lebensdauer von Batterien unterschätzt.
Das stimmt. Dabei halten sie inzwischen länger als die Autos selbst. In der Regel sagt man, dass eine Batterie ausgetauscht werden sollte, wenn sie noch 80 Prozent ihrer Kapazität hat. Die neuen Elektroautos müssten hierfür weit über 500.000 Kilometer fahren. Und mit der Zeit wird sich auch dieser Wert weiter erhöhen.
Was entgegnen Sie der Behauptung, die Batterien könnten nicht recycelt werden?
Dass es schlicht nicht stimmt. Schon heute können wir mehr als 95 Prozent der Grundmaterialien recyceln. In der Praxis wird das noch kaum gemacht, aus einem einfachen Grund: Es werden derzeit kaum Elektroautos verschrottet, dafür gibt es sie noch nicht lang genug – und damit gibt es auch kaum Batterien, die recycelt werden müssen. Es lohnt sich natürlich nicht, eine Recyclinganlage für Batterien aufzuziehen, die noch gar nicht da sind. Ich bin mir aber sicher, dass dies rechtzeitig kommen wird. Auch, weil man durch das Recycling die Batterieproduktion billiger machen kann.
Wie kann man Mythen rund um die Elektromobilität am besten ausräumen?
Es gibt dieses schöne Zitat: Nature cannot be fooled. Man kann die Natur nicht täuschen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Wissenschaft funktioniert und die Tatsachen durch sie immer klarer werden. Und die sind eben, dass die Stromproduktion immer weniger CO2 ausstößt und die Batterieproduktion immer besser wird. Das müssen wir auch auf eine Art und Weise erklären, die die Menschen verstehen. Gleichzeitig sollte man ihnen die zahlreichen Vorteile der Elektromobilität vor Augen führen: Die Autos sind schnell und leise, es macht einfach Spaß, damit zu fahren. Das ist auch eine Geschichte, die man erzählen muss. Die meisten Menschen, die gegen Elektrofahrzeuge sind, haben wahrscheinlich noch nie in einem gesessen.
Können Elektrofahrzeuge dazu beitragen, dass das Stromsystem klimaneutral wird?
Natürlich. Elektroautos machen vieles einfacher. Ein Vorteil ist: Sie sind sehr flexibel. Das heißt: Sie können auch mitten am Tag oder mitten in der Nacht aufgeladen werden, wenn der durchschnittliche Strombedarf nicht so hoch ist. Das macht es nicht nur billiger, sondern auch grüner. Denn auch nachts gibt es ja zum Beispiel Wind – nur nicht so viele Menschen, die ihn nutzen. Hier können Elektroautos einspringen und damit etwa auch verhindern, dass Windkraftanlagen abgeregelt werden müssen.
Welche weiteren Vorteile hat die Elektromobilität in diesem Zusammenhang?
Dass ihre Batterien genutzt werden können, um das Stromnetz zu stabilisieren. Das macht auch Sinn, weil die Batterien viel länger halten als es für das Auto eigentlich nötig ist. Wenn 30 Prozent der Menschen mit einem Elektroauto fahren würden und man würde sie nutzen, um das Netz zu stabilisieren, wäre das doppelt so viel, wie man dafür eigentlich bräuchte.
Sie selbst sitzen sehr oft in einem Elektroauto.
Oh ja! Sobald ich es mir leisten konnte, habe ich mir ein Elektroauto gekauft – das ist jetzt sieben Jahre her. Mein erstes Elektroauto schaffte 140 Kilometer im Sommer und 100 im Winter. Da ich gerne meine Grenzen austeste, bin ich damit oft irgendwo gestrandet. Einmal zum Beispiel, weil ich nicht einkalkuliert hatte, dass sich die Reichweite wegen eines starken Windes verringert. Das passiert mir heute aber nicht mehr. Mein aktuelles Elektroauto hat eine Reichweite von 350 bis 400 Kilometern.
Was würden Sie tun, wenn Sie Premierminister wären?
Als Premierminister würde ich einen sehr starken Fokus darauf setzen, die Ladeinfrastruktur weiter auszubauen. Diese sollte OCPP – das Open Charge Point Protocol – nutzen und Interoperabilität gewährleisten. Auf diese Weise kann jeder und jede problemlos Ladestationen aufstellen, intelligentes Laden kann leicht implementiert werden und man braucht nicht mehrere Accounts, um für das Laden zu bezahlen.
Was können wir von der Covid-19-Pandemie für die Elektromobilität lernen?
Von der Covid-19-Pandemie können wir lernen, dass es immer noch möglich ist, für ein gemeinsames Ziel zusammen zu kommen. Die Energiewende und der Umstieg auf Elektrofahrzeuge sollte ein ähnliches Unterfangen sein, bei dem es möglich ist, den Klimawandel gemeinsam mit einer ähnlichen Dringlichkeit aufzuhalten.
Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Christiane Weihe.
Bereits 2015 beschäftigte sich Drs. Auke Hoekstra an der Technischen Universität Eindhoven mit der Zukunft der Elektromobilität – hier entwickelte er als Senior Advisor Elektromobilität das „SparkCity Modell“, das die Einführung von Elektrofahrzeugen, den Aufbau der Ladeinfrastruktur sowie die Auswirkungen auf das Stromnetz vorhersagen sollte. Inzwischen leitet Hoekstra in Eindhoven das Forschungsprogramm „Neon Research – Lighting the way to zero emission energy and mobility“. Darüber hinaus gründete der niederländische Wissenschaftler im Jahr 2018 „Zenmo Simulations“, das Modelle entwickelt, um die Transformation hin zum emissionsfreien Energiesystem und einer emissionsfreien Mobilität zu prognostizieren und zu erforschen.
Weitere Informationen
Artikel „Elektroautos verursachen deutlich weniger CO2 als bisher angenommen“ auf Spiegel Online