„Wärmepumpen sind das Mittel der Wahl“
Der Gebäudebereich ist ein Sorgenkind der Energiewende: Nach wie vor verbrauchen Häuser und Wohnungen zu viel Energie. Als Ausweg wird immer wieder grüner Wasserstoff ins Spiel gebracht. Ein Weg, Gebäude klimaneutral zu beheizen? Nein, sagt Dr. Matthias Deutsch von Agora Energiewende im Interview.
[caption id="attachment_3953" align="alignright" width="353"] Dr. Matthias Deutsch on Agora Energiewende Quelle: privat[/caption]
Dr. Matthias Deutsch, womit befassen Sie sich bei Agora Energiewende?
Mit der Wärmewende im Gebäudebereich, also der Frage, wie wir unsere Gebäude klimaneutral machen können. Das hat zwei Seiten: Zum einen müssen die Gebäude natürlich effizienter werden, etwa durch eine bessere Dämmung. Ich befasse mich aber vor allem mit der Frage, welche Energie wir anschließend für Heizung und Warmwasser reinstecken, also wie wir die Gebäude in Zukunft klimaneutral beheizen können.
Welche Technologie ist hier am besten geeignet?
Strombetriebene Wärmepumpen sind auf jeden Fall das Mittel der Wahl. Sie nutzen den eingesetzten Strom hocheffizient und binden außerdem Umweltwärme ein. So werden aus einer Kilowattstunde (kWh) Strom mehrere kWh nutzbare Wärme. Im Fall von grünem Wasserstoff passiert das Gegenteil: Von einer kWh Strom bleibt nach der Umwandlung nur noch etwa die Hälfte der nutzbaren Energie übrig. Das spricht stark für die Wärmepumpe. Bei knapp 20 Millionen Gebäuden in Deutschland heißt das: Wir brauchen Millionen von Wärmepumpen – alle relevanten Szenarien sprechen von 7 bis 17 Millionen Stück – und bislang besteht da eine große Lücke.
Sehen Sie Anzeichen, dass sich die Lücke schließt?
Im Neubau auf jeden Fall, hier sind Wärmepumpen technologisch auch hervorragend aufgehoben. Sie sind außerdem dort am besten, wo sie auf eine gut gedämmte Gebäudehülle treffen. Bei Bestandsgebäuden ist es deswegen leider deutlich schwieriger. Um hier eine Wärmepumpe sinnvoll einzusetzen, sollte man erst mal sanieren. Denn eine vernünftige Dämmung, die auch schrittweise erfolgen kann im Rahmen eines sogenannten Sanierungsfahrplans, sollte vor der Frage stehen, wie das Gebäude dann sinnvoll beheizt werden kann: Sie bringt Technologieoffenheit – zum Beispiel für Biomasse, Wärmenetze oder eben eine Wärmepumpe.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Leider ist Strom für Endkundinnen und -kunden relativ teuer, das hemmt den Einbau von Wärmepumpen. Im Vergleich zu Erdgas sind strombetriebene Wärmepumpen daher wirtschaftlich noch nicht konkurrenzfähig. Mit der Einführung des CO2-Preises auf Erdgas, der absehbaren Entwicklung einer sinkenden EEG-Umlage und perspektivisch auch einem neuen System von Abgaben und Umlagen auf Energie könnte sich das aber ändern. Viele Herausforderungen gibt es mit Blick auf die Gebäudesanierung, also bei der Frage, wer die Kosten hierfür trägt bzw. wie die Kosten zwischen Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Mieterinnen und Mietern aufgeteilt werden. Aus unserer Sicht sollte es hierfür auch eine höhere staatliche Förderung geben, um bestehende Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen.
Grüner Wasserstoff wird immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, alte Heizanlagen nachhaltig zu betreiben. Was halten Sie davon?
Wenn ich eine Technologie habe, die so effizient ist wie Wärmepumpen – warum sollte ich dann kostbaren grünen Wasserstoff einsetzen, der in anderen Anwendungen viel wichtiger ist und der in den nächsten Jahrzehnten knapp und teuer sein wird? Es macht zudem schlicht aus Kostengründen keinen Sinn, grünen Wasserstoff in ungedämmte Gebäude zu stecken. Wir müssen uns außerdem von alten Technologien wie Gasheizungen lösen und erneuerbare Energien so effizient wie möglich nutzen. Das heißt auch: Sich von Anfang an die Frage zu stellen, wo Wasserstoff sinnvoll eingesetzt werden kann und wo es bessere Alternativen gibt. Gleichzeitig sind wir sehr skeptisch, dass man rechtzeitig zur Klimazielerreichung genug Wasserstoff herstellen oder importieren könnte, um damit auch noch die Niedertemperatur-Heizanlagen in Gebäuden zu betreiben.
Wie steht es mit Wasserstoff im Verkehrssektor?
Bei Pkw sprechen die gleichen Argumente dagegen. Wichtig ist es hier auch, dass es keinen Sinn macht, an alten Industriestrukturen festzuhalten, während gleichzeitig im Hintergrund der globale Strukturwandel läuft. Wir brauchen einen Wandel weg vom Verbrennungsmotor sowie von Öl- und Gasheizungen – und nicht einen Weg, diese mit grünem Brennstoff zu betreiben. Bei anderem landgestützten Verkehr dürften Brennstoffzellen mit Wasserstoff eine gewisse Rolle spielen.
Wo ist der Wasserstoffeinsatz sinnvoll?
In Sektoren, die deutlich höhere Temperaturen brauchen als Heizung und Warmwasser, denn hier ist nur Niedertemperaturwärme notwendig. Die wichtigste Ausnahme bei Gebäuden sind alte Bestandswärmenetze in Städten wie Berlin oder Hamburg, die heute Temperaturniveaus von mehr als 100°C haben. Da braucht man am Ende vermutlich auch noch etwas Wasserstoff. In industriellen Anwendungen macht der Einsatz von Wasserstoff insgesamt deutlich mehr Sinn, so zum Beispiel in der Stahlindustrie. Und auch für den Betrieb von Langstrecken-Flugzeugen oder -Schiffen dürften Wasserstoff und daraus produzierte synthetische Kraftstoffe unumgänglich sein.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christiane Weihe.
Dr. Matthias Deutsch hat an der TU Berlin Technischen Umweltschutz studiert sowie an der School of Public Policy der University of Maryland im Bereich Energie- und Umweltpolitik promoviert. Dann beriet er Unternehmen, Verbände und Regierungsstellen in den Bereichen Energiebedarf, Erneuerbare Energien, Gasnetzentwicklung und statistische Analysen für die Hertie School of Governance, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sowie die Prognos AG. Bei Agora Energiewende ist Dr. Matthias Deutsch seit 2015 als Projektleiter tätig. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der Sektorkopplung von Strom und Wärme sowie Speichertechnologien.
Weitere Informationen
Mitarbeiterseite von Dr. Matthias Deutsch auf der Website von Agora Energiewende