Wasserstoffimporte: Nachhaltigkeit von vorneherein mitdenken
Wasserstoff wird auf absehbare Zeit ein knapper und teurer Energieträger bleiben. Selbst wenn Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien (EE) weiter sinken und großindustrielle Fertigungskapazitäten für Elektrolyseanlagen aufgebaut werden: Wasserstoff wird aufgrund der Verluste bei Umwandlung und Transport auch in Zukunft ein teurer und nur begrenzt verfügbarer Energieträger bleiben - zumindest in der Hochlaufphase bis 2040. Somit wird es weiterhin notwendig sein, die verfügbaren Mengen in die Sektoren und Anwendungen zu lenken, in denen es auch perspektivisch keine Optionen zur direkten Elektrifizierung oder andere kostengünstigeren und effizienteren Alternativen gibt. Klar ist auch, dass Deutschland seine begrenzten EE-Potentiale primär dafür nutzen muss, um den Energiesektor zu dekarbonisieren und damit für die Wasserstoffversorgung auch auf Importe angewiesen sein wird. Die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie geht für das Jahr 2030 von einer Importquote zwischen 50 und 70 Prozent aus und nimmt an, dass diese in späteren Jahren noch weiter steigt. Will man hohe Importquoten sichern, ist es erstrebenswert, klare langfristige Perspektiven für Exportländer zu etablieren. Hier besteht mit der Einkaufsplattform des Bundes „H2-Global“ bereits ein Ansatz, der es ermöglicht, die unterschiedlichen Planungshorizonte von Exporteuren und Nachfragenden zusammenzubringen. Mit der European Hydrogen Bank könnte auch auf EU-Ebene eine ähnliche Institution entstehen. Allerdings befindet sich hier der auf internationale Importe ausgerichtete Teil weiter im Aufbau.
Der perspektivische Einsatz von Wasserstoff dient der Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Damit Emissionen tatsächlich eingespart werden, müssen strenge Anforderungen an dessen CO2-Fußabdruck von Produktion bis Nutzung gestellt werden. In einigen Exportländern mit großen und günstigen Erzeugungspotenzialen für Wasserstoff, wie beispielsweise Südafrika, Marokko oder den Golfstaaten besteht allerdings noch erheblicher Dekarbonisierungsbedarf in den nationalen Energie- und auch Stromsystemen. Hier ist es besonders wichtig zu priorisieren, wie Potenziale für erneuerbare Stromerzeugung eingesetzt werden. Ein zentraler Ansatzpunkt: Eine klare Allokation von Potenzialflächen durch die jeweiligen nationalen Dekarbonisierungsstrategien, damit Nutzungskonkurrenzen zwischen inländischem Bedarf und Exportpotenzialen aufgelöst werden. Um die Fehler vergangener Importstrategien wie beispielsweise im Bereich der Biomasse zu vermeiden, müssen auch weitere Dimensionen in den Blick genommen werden: Der Wasserbedarf für die Elektrolyse darf die lokale Wasserversorgung nicht negativ beeinflussen und Wasserknappheiten vor Ort nicht verschärfen. Landrechte müssen gewahrt und faire Arbeitsbedingungen sichergestellt werden. Dies könnte beispielsweise durch eine konsequente Überprüfung von Verpflichtungen der Importeure aus dem Lieferkettengesetz erfolgen.
Um ihrer globalen Verantwortung als Industrienationen gerecht zu werden, sollten Länder wie Deutschland ihre Importbeziehungen so ausgestalten, dass sie auch auf weitere Nachhaltigkeitsziele einzahlen: Beispielsweise kann mit geringen zusätzlichen Investitionen das Wasserangebot in trockenen Regionen verbessert oder die lokale Stromversorgung ausgebaut werden. Auch andere Infrastrukturen wie Straßen und die Mobilfunk- und Internetabdeckung können mit Hilfe von Projekten errichtet und erweitert werden. Für die langfristige positive Wirkung im Exportland ist der Aufbau von Bildungseinrichtungen und lokaler Expertise zentral. Genauso aber auch eine faire ökonomische Teilhabe. Diese bedeutet regionale Wachstumschancen von Wasserstoffprojekten mitzudenken und Unternehmen aus dem Exportland aktiv in die Lieferkette miteinzubinden.
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate. Ein zentraler Baustein könnte sein, Standards von Anfang an so zu etablieren, dass in den Exportländern negativen Effekte vermieden und positive Effekte gefördert werden. Die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Wenn jedes Importland eigene Kriterien für den Import von Wasserstoff erlässt, wird ein zukünftiger Wasserstoffmarkt in viele Teilmärkte fragmentiert und Exportländer haben ggf. den Anreiz vorzugsweise in Teilmärkte mit den unambitioniertesten Nachhaltigkeitsstandards zu liefern.
Bei aller Euphorie für Wasserstoff darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass er nur ein Baustein der Energiewende ist. Mindestens genauso wichtig ist es, den EE-Ausbau weiter zu forcieren, Energieverbräuche zu reduzieren und die direkte Elektrifizierung konsequent voranzutreiben.
Der Artikel erschien zuerst im ener|gate messenger+
Dr. Roman Mendelevitch, Susanne Krieger und Christoph Heinemann arbeiten als Wissenschaftler*innen im Bereich Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut in Berlin und Freiburg. Sie forschen zu Wasserstoff und dessen Nutzung als Klimaschutzinstrument.