„Wenn wir die Böden zerstören, gefährden wir uns selbst“
Böden sind eine wichtige Grundlage unseres Lebens. Wir bauen einen Großteil unserer Nahrungsmittel auf ihnen an und sind auf ihre Fruchtbarkeit angewiesen. Doch Böden sind auf der ganzen Welt bedroht: Durch Erosion und Verwüstung ebenso wie durch Kontamination und Versalzung. Im Interview erklärt die Leiterin des Bereichs Umweltrecht & Governance, Franziska Wolff, warum Böden weltweit dennoch nicht ausreichend geschützt sind und welche internationalen Maßnahmen in Zukunft helfen könnten.
Franziska Wolff, was bedroht die Böden am meisten?
Das ist von Land zu Land und von Region zu Region ganz unterschiedlich. Es gibt viele verschiedene Bodenprobleme: Erosion, Versalzung oder Kontamination von Böden zum Beispiel oder auch den Verlust von Bodenbiodiversität oder -kohlenstoff. Hierzulande stellen Altlasten durch die Industrie, Degradation („Verschlechterung der Ökosystemdienstleistungen des Bodens“, Wikipedia) durch Landwirtschaft, aber auch Flächenfraß und -versiegelung durch Straßen- und Siedlungsbau große Probleme dar. Sie führen dazu, dass Böden zunehmend ihre Funktionen einbüßen.
Welche Gefahren entstehen dadurch?
Wenn wir die Böden zerstören, gefährden wir auch uns selbst. Böden sind eine überaus wichtige Grundlage unseres Lebens. Wir nutzen sie für den Anbau von Nahrungsmitteln und sind daher auf ihre Fruchtbarkeit angewiesen, müssen sie für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung erhalten. Sinkende Bodenfruchtbarkeit lediglich durch Kunstdünger auszugleichen, versorgt jedoch nur die gedüngten Pflanzen und fördert nicht das Bodenleben. Neben dem Anbau von Nahrung speichern Böden Wasser, Nährstoffe und Kohlenstoff, sind nicht zuletzt also auch wichtig für den Klimaschutz. Das Problem: In unseren klimatischen Verhältnissen dauert es zudem 100 bis 300 Jahre, bis eine 1cm-dicke Humusschicht entsteht. Ist der Schaden also erst mal angerichtet, lässt er sich nicht so schnell wieder beheben. Und nicht zu vergessen: Die Landdegradation ist auch mit hohen Kosten verbunden. Ein UN-Bericht bezifferte schon 2015 die dadurch verursachten weltweiten wirtschaftlichen Verluste auf 5,6 bis 9,4 Billionen Euro pro Jahr.
Wie sind die Böden auf internationaler Ebene bislang geschützt?
Schlecht. Der Bodenschutz ist ein sehr vernachlässigtes Umweltthema. Es gibt zwar viele unterschiedliche internationale Verträge oder auch Mechanismen, die den Bodenschutz mit abdecken. Diese sind aber sehr fragmentiert und reichen überhaupt nicht aus. Im Rahmen der SDGs, das sind die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, gibt es zwar eine Einigung, dass bis 2030 eine landdegradationsneutrale Welt angestrebt werden soll. Doch Konkretisierung, Verbindlichkeit und eine institutionelle Verankerung sind bislang Mangelware. Einzig die UN-Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation beschäftigt sich gezielt mit Bodenfragen. Diese ist jedoch auf Trockengebiete beschränkt und die darunter entwickelten Nationalen Aktionsprogramme sind bislang zudem nicht besonders wirksam.
Warum steht es so schlecht um den Bodenschutz?
Aus vielen unterschiedlichen Gründen. In Deutschland gibt es zum Beispiel eine recht strenge Gesetzgebung beim Thema Altlasten, aber keinen besonders guten vorsorgenden Bodenschutz und wenig Handhabe im Kontext Landwirtschaft. Vor einigen Jahren war die Bundesrepublik sogar eines der Länder, die einen verbesserten Bodenschutz auf EU-Ebene verhindert haben.
Das Problem ausgelaugter Böden überbrückt die Landwirtschaft oft einfach, indem sie künstlichen Dünger einsetzt – aber das ist natürlich keine Lösung. Böden müssen sich regenerieren können.
Auf internationaler Ebene ist eines der wesentlichen Hindernisse für einen besseren Bodenschutz sicher auch, dass Böden als heimische Ressource wahrgenommen werden, die unter nationale Souveränität fällt. Anders als beim Klimawandel, der sich auf der ganzen Welt auswirkt, ist die Gefährdung von Böden ja erst mal ein Thema, das vor allem das Land betrifft, in dem es geschieht. Diese Sicht greift allerdings zu kurz, unter anderem wegen der Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherung. Zudem geht es auch um internationale Verantwortung: Die Konsumstile der Industriestaaten führen ja in großem Umfang zu einer Beanspruchung – und eben auch zur Degradation – von Böden im globalen Süden.
Das Öko-Institut hat für das Umweltbundesamt eine Studie zur internationalen Governance von Bodenschutz durchgeführt und Vorschläge gemacht, wie diese verbessert werden kann. Was sind die zentralen Empfehlungen?
Aus unserer Sicht muss die internationale Gemeinschaft ihre Bemühungen zum Bodenschutz intensivieren, zunächst im Rahmen der bestehenden Institutionen. So sollte unter der Biodiversitätskonvention der Schutz von Boden-Biodiversität gestärkt werden, im Rahmen der Klimakonvention der von Bodenkohlenstoff etc. Schon die Verschärfung der Transparenz- und Überprüfungspflichten in Bezug auf bodenrelevante Aktivitäten kann helfen. Im Umweltprogramm und der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen sollte Bodenschutz noch höher auf die Agenda gesetzt werden, und das erfordert auch Ressourcen und Kapazitäten. Mittel- und langfristig sollten die Staaten aber auch darauf hinarbeiten, ein neues verbindliches Instrument zum Bodenschutz und zur nachhaltigen Landnutzung ins Leben zu rufen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christiane Weihe.
Ein Forschungsschwerpunkt von Franziska Wolff ist nachhaltiges Wirtschaften, einschließlich nachhaltiger Landnutzung und des Managements natürlicher Ressourcen. Dabei setzt sich die Leiterin des Bereichs Umweltrecht & Governance am Standort Berlin mit internationaler, europäischer und deutscher Politik auseinander.
Weitere Informationen
Pressemitteilung: "Rechtliche Strategien gegen Stickstoffüberschuss"
Artikel „Internationaler Bodenschutz“ im Magazin eco@work
Themenseite „Altlasten“ auf der Website des Umweltbundesamtes